Tour de
France 2007 - Was bleibt? |
Copyright: Herbert Steffny
natürlich können Sie hierhin verlinken!Artikel: Doping - Schweigekartell um Jan Ullrich und Co...
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Spitzen- oder Spritzentour? - Die Verlierer und Gewinner
Geschafft! Endlich ist sie vorbei, die Tour de France 2007. Wir haben sie geschafft und sie hat uns geschafft! Der Pedaleurentross quälte sich gestern über die Avenue des Champs Elysées seinem bitteren Ende entgegen. Ihren heutigen Namen trägt die Prachtstraße seit 1789. Er bedeutet "Elysische Felder" und leitet sich von dem gesegneten Gefilde "Elysion" ab, wohin, laut griechischer Mythologie, auserwählte Helden versetzt werden.... etwa auch die gesegneten Felder der Tour-Helden? Soweit Wikipedia, soweit die Heldendichtung, doch nun zur Wahrheit: Statt über Helden und faszinierenden Sport zu schreiben, wurde in den Medien von Beginn an überwiegend über Skandale und Betrug berichtet. Wer nun letztlich in Paris welches Trikot gewonnen hat, ist wohl ziemlich egal. Das "Gelbe" wanderte von den schmalen Schultern eines Radlers, der sich lügend mehrfach den Dopingkontrollen entzog und wurde final in Paris Jemandem übergestreift, der offenbar auch Kunde beim Doping-Doc Eufemiano Fuentes war. Das kommt mir spanisch vor und hinterlässt einen üblen Nachgeschmack. Bezeichnenderweise drückte sich hier der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, anders als zu Beginn der Tour, und überließ den Job der Siegerehrung dem Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe...
Schneller, höher, weiter über
die Alpen- und Pyrenäengipfel......unbefleckt oder blutbefleckt?
Ja, und wie ist's dahinter mit dem Zweiten, Cadel Evans, der sich in den Bergen so menschlich quälte, als Rasmussen und Contador vorne ihre Bergsprintwertungen austrugen? Tja, seltsam, der lässt sich leider von Dottore "Epo" Ferrari beraten... also auch nicht ganz knusper? Usw. und so fort.... Da vergeht einem die Lust bei der Tour nach echten Idolen für den Nachwuchs Ausschau zu halten. Das ganze Profigeradle scheint zu einer Farce mit eigenen Spielregeln verkommen zu sein. Regeln, an die man sich unter Athleten, Teams und Funktionären mit "Augen zu und durch" seit Jahrzehnten gewöhnt hat und darüber nicht redet... aber mitmacht. Die "Omertà"..., das Kartell des Schweigens. Das "ehrlichste" Trikot der Tour scheint mir das Bergtrikot zu sein.... Ja, ja, genau das mit den roten Punkten! Sie erinnern so schön an rote Blutkörperchen.... Schnell bevor andere Ereignisse wieder in den Vordergrund treten (m)ein Resümee, denn die Leichtathletik Weltmeisterschaft kommt bald und wann beginnt endlich wieder die Fußballbundesliga?
Also, was bleibt letztlich von dem ganzen Profi-Radsportzirkus der letzten Monate?
Für mich die Verlierer:
- Allen voran der noch wirklich faire und ungedopte Athlet. Den gibt es bestimmt noch im Profizirkus. Aber er ist eigentlich der Depp. Er steht mittlerweile vollkommen unschuldig unter Generalverdacht, fährt als Wasserträger oder Radtourist hinterher und verdient kaum Kohle. Das Einzige, was ihm bleibt ist, dass er abends in den Spiegel ohne schlechtes Gewissen schauen kann. Aber wer sieht und dankt ihm das schon? Wer erkennt in ihm den wahren Helden, das wirkliche Vorbild?
- Der unfaire, gedopte Athlet ist für mich der Verlierer schlechthin. Man kann sich zwar rausreden, dass alle anderen auch nicht nur mit Zuckerwasser fahren und die ganze Gesellschaft korrupt sein soll, aber daraus die Konsequenz zu ziehen, fleißig und ohne Unrechtsbewusstsein zu dopen und mitzubetrügen, ist nicht die logische Schlussfolgerung. Es ist vielmehr die persönliche Bankrotterklärung! Wer dann noch erwischt wird, hat scheinbar nicht mal ein schlechtes Gewissen. Da hatte man doch gerade durch den neuen Kontakt zu Dr. F. gehofft einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu haben.... (der mit Müsli, Training und Talent nix zu tun hat). Es wird mit Anwälten fleißig nach Verfahrensfehlern und ähnlichen juristischen Spitzfindigkeiten gesucht. Dopingkontrollen oder kritische Berichterstattung kommt diesen Athleten und ihren Managern offenbar wie Spielverderberei vor.
- Die Sportmedizin hat großen Schaden erlitten. Ob Fuentes, Ferrari, Schmid, Heinrich, Conconi oder Keul... oder wie sie alle heißen. Eigentlich sollte ein Arzt die Herzfunktionen überprüfen, eine Leistungsdiagnostik durchführen, die Blutwerte (gesundheitlich) überprüfen, aber sie nicht manipulieren. Wenn man heute die Tour gewinnt, weil man den "besten Arzt" kennt, dann ist das infamer Betrug, auch an den Idealen von Jugendlichen und hat nicht mehr allzu viel mit reiner sportlicher Leistungsfähigkeit zu tun.
- Die moralische Instanz der TV-Bericht Erstattung. Kaum hatte sich ARD und ZDF moralisch geläutert von der Tour de France Berichterstattung zurückgezogen, so preschte der Privatsender SAT1 vor und versuchte aus dieser Lücke finanzielle Vorteile für sich einzuheimsen. Die Rechnung ging aber wohl nicht ganz auf, denn auf Grund der veränderten Zielgruppen während der Übertragung der Tour de France - weg von haushaltsführenden Frauen hin zu eher männlichen Zielgruppen - hat es offenbar herbe Einbußen bei Werbekunden gegeben. SAT1-Schweiz stellte sogar die Tour Übertragung vorzeitig ein.
- Last not least: der ganze Profiradsport ist ein Scherbenhaufen. Zerstrittene Radsportteams, Athleten, Verbände und Veranstalter. Die Sponsoren laufen den Teams davon und selbst Traditionsrennen wie die Zürich "Metzgete" einem Eintagesklassiker, der bereits seit 1910 existiert fallen aus. Die Deutschlandtour und selbst die Rad-Weltmeisterschaft in Stuttgart bangen um Sponsoren oder drohen mangels TV-Berichterstattung auszufallen.
Für mich die Gewinner:
- Silvia Schenk und Dr. Werner Franke, die lange Zeit als rausgeekelte Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer oder als "spinnerter Anti-Doping-Don Quichote" nur stille Rufer in der Dopingwüste waren. Sie erleben stellvertretend auch für andere eine verdiente Renaissance in einem "Nix-Hören, Sehen oder Schreien" Funktionärs-, Mediziner-, Manager-, Athleten- und Medienumfeld, das nur darauf erpicht zu sein scheint, dass die gewohnten Spielwiesen und Seilschaften nicht zerstört werden.
- Die Teams, die sich für einen Neuanfang engagieren. Allen voran der sehr glaubwürdig rüber kommende Hans-Michael Holczer, Teamchef von Gerolsteiner, dem man ehrliches Bemühen abnehmen kann. Ein Sprudelsponsor muss penibel auf sein Sauber-Image achten. Bei der ersten Trübung dürfte er schnellstens weg sein.
- Udo Bölts, der einen Tag nach seinem Dopingbekenntnis (Epo und Wachstumshormone) beim Team Gerolsteiner als Sportlicher Leiter zurücktrat. Er bedaure, dass er "gelogen und betrogen" habe. Das ist wenigstens konsequent. Andere weinen ein bisschen über ihre (frühere) Dopingverstrickung, so wie Erik Zabel, aber nur wenn er sich der Wirkung seines Handelns auf den radelnden Sohn bewusst wird. Dann fährt er aber letztlich umjubelt weiter. Rolf Aldag dagegen klebt am Stuhl und übt seinen Sportlichen Leiterposten bei T-Mobile einfach weiter aus. Na ja, man kennt sich als Insider doch da aus..., somit ist man doch die Bestbesetzung! Oder....?
Nachbemerkung:
Ach so, fast vergessen..... ähhhhh, wer ist denn nun eigentlich der Tour Sieger vom Vorjahr 2006? Wie heißt der noch mal, Floyd Landis, oder war's wieder der Zweite, Oscar Pereiro? Mal sehen, was die Juristen ausfechten, denn auf die Dopingtests scheint es wirklich nicht mehr anzukommen. So wie man die Tour mit der besten Manipulation gewinnen kann, behält man seinen Ruf offenbar auch mit dem besten Anwalt. Bitte jetzt nicht etwa Lance Armstrong assoziieren, der hat gute Anwälte...
Ja, und noch was.... wem gehören denn die anderen noch nicht zugeordneten Blutbeutel des Dr. Fuentes? 150 sollen noch nicht identifiziert worden sein. Wieso stoppten die Untersuchungen hier? Es sollen auch Leichtathleten (Langstreckler?) darunter sein. Wurde das Eisen auch hier zu heiß? Mich würde es aber brennend interessieren, wer noch verstrickt ist... Vielleicht erklären sich hier auch die erstaunlichen Einbrüche in der spanischen Langstreckenszene?
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