Sanfter Laufen - besser laufen |
Autor und Copyright: Herbert Steffny
erschienen in Magazin "aktiv laufen" Heft 01/2006
Seit über 20 Jahren betreut Herbert Steffny Läuferinnen und Läufer. Der Europameisterschaftsdritte im Marathonlauf von 1986 macht regelmäßig die Erfahrung, dass sich besonders Anfänger überlasten:
Für Freizeitläufer sollte das Laufen eigentlich gesundheitsorientiert sein. Aber ich stelle immer wieder fest, dass Einsteiger einen ärztlichen Eingangs-Check auslassen und mit erhöhtem Verletzungsrisiko zu schnell rennen. Tausende von Laktatmessungen, die wir in unserem Team in den vergangenen zwei Jahrzehnten gesammelt haben, belegen, dass rund dreiviertel aller Läufer zu flott unterwegs sind. Das ist in erster Linie ein Männerproblem. Frauen sind eher bereit ruhiger zu laufen. Ich habe immer wieder Läufer in meinen Seminaren, die meinen, sie hätten eine falsche Atemtechnik, dabei laufen sie einfach nur zu schnell und sind deswegen außer Puste.
Viele Menschen beginnen, weil sie abnehmen wollen gleich mit dem Laufen. Wer aber wirklich stark übergewichtig ist, sollte - auch aus orthopädischer Sicht - zunächst vielleicht mit Walking einsteigen. Eine weitere Gefahr ist, dass falsches Schuhwerk benutzt wird und Fehlstellungen nicht erkannt werden. Man kann an einem Laufseminar mit Leistungsdiagnostik und Laufstilanalyse teilnehmen, aber es gibt auch Lauftreffs, Sportvereine und Sportfachgeschäfte, die eine gute Beratung durch geschulte Kräfte anbieten.
Kürzlich habe ich in New York mit einem Läufer gesprochen, der fast alles falsch gemacht hat. Fünf Wochen vor dem Marathon hat er erst mit dem Laufen begonnen, zwei Tage vor dem Start hat er dann noch einen langen Lauf über 25 Kilometer gemacht. Am Ende ist er zwangsläufig gegangen und hat sich durchgequält. Da fasst man sich nur noch an den Kopf. Der hat wohl noch nicht einmal ein Buch über Marathon gelesen. Marathon ist kein Sonntagsspaziergang. Läufer sollten sich ein bisschen theoretisches Wissen über Trainingsgrundlagen aneignen. Gerade das Thema Marathon lockt viele Unerfahrene die 42,195 Kilometer vorschnell im wahrsten Sinne bezwingen zu wollen.
Einen Marathon ohne geduldigen, fleißigen und kontinuierlichen Aufbau zu laufen, ist weder gesund noch ein schönes Erlebnis. Zu schnell durchgezogene und daher verletzungsintensive Durchquälprogramme mit stark Übergewichtigen, wie sie leider in der Sendung Von 0 auf 42 medienwirksam vermittelt wurden, setzen das falsche Vorbild und tragen nicht zur vernünftigen Vorbereitung auf einen Marathon bei. Ein Pflänzchen muss langsam und individuell unterschiedlich wachsen dürfen. In Programmen, die Menschen in zu kurzer Zeit auf Marathon vorbereiten, wird aber mit Schrot geschossen. Es gibt wenige Talente, die mit nur sechs Monaten Vorbereitung einen Marathon problemlos und verletzungsfrei schaffen können. Ich habe aber auch Läufern davon abgeraten Marathon zu rennen. Man ist auch Läufer ohne jemals einen Marathon geschafft zu haben! Ein Trainer kann ein Urteil erst fällen, wenn er seinen Schützling eine Zeit lang beobachtet hat. Darum ist es wichtig, dass unerfahrene Läufer diesen Rat von Experten auch suchen.
Laufen sollte eigentlich ein Gegenpol zum Alltagstress sein. Viele verfolgen ihr Ziel beim Sport aber genauso verbissen wie im Beruf und sind erneut auf 180. In meinen Seminaren für Manager, muss ich die meisten erst mal entschleunigen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Sich Zeit und kontinuierlich fließen lassen das ist die Zauberformel für Marathon. Die positiven Anpassungen im Fettstoffwechsel oder Kapillarisierung finden überwiegend im sanften grünen Trainingsbereich statt. Wer das verstanden hat, wird im Laufen eine Oase der Entspannung finden und nebenbei gesünder und sogar schneller werden!
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