Henry Rono - Wunderläufer-Comeback?

Seminare Laufreisen Firmenseminare Vorträge Laufartikel Ratgeber Walktreff unser Team
  unser Hotel Laufgourmet? Laufbücher Lauflinks Titelseite Impressum  

Autor und Copyright: Herbert Steffny
(Sie können gerne hierhin verlinken)

 

Henry Rono Biografie "Olympic Dreams"
Henry Ronos Oktober 2007
erschienene Biografie
"Olympic Dream"

Buch bei Amazon bestellen

Henry Rono - Comeback eines Wunderläufers?
(19.4.2007, aktualisiert 10/2007)

1.4.2007, Carlsbad / Kalifornien, 5.000 Meter sind zu laufen. - Kein Aprilscherz, ein afrikanischer Läufer namens "Henry Rono" steht auf der Startliste und tatsächlich, er steht auch an der Startlinie.

Er wirkt nicht ganz so austrainiert wie einst und startet in der Altersklasse 55+ Jahre. Es ist der Mann, der 1978 in 81 Tagen vier Weltrekorde aufstellte, der Kenianer, der danach rumgereicht und ausgesaugt wurde, bis er zur Flasche griff und sie nicht mehr loslassen konnte. Sein Talent hätte für mehr gereicht, denn wer kann schon trotz durchzechter Nacht am nächsten Abend noch einen 5.000 Meter Weltrekord aufstellen? Dann landete der Wunderläufer, einer der strahlendsten Stars der Laufszene als Obdachloser auf der Straße und nun läuft er wieder. Wer war und ist dieser Henry Rono?

Eines Tages wirst Du Lehrer werden...

Am 12. Februar 1952 kam Henry Rono in Kaptaragon in den Nandi Hills in Westkenia auf die Welt. Seine Kindheit war hart. Mit zwei Jahren verletzte sich der kleine Henry bei einem Sturz sein Fußgelenk in den Speichen eines Fahrrads und konnte erst mit sechs Jahre wieder richtig gehen(!). Sein Vater starb bei einem Unfall als Henry gerade mal 10 Jahre war. In der Grundschule wurden seine Frontzähne gezogen... ohne Betäubung, man ließ ihn einfach auf eine Stück Holz beißen! Das ist ein Nandi-Ritual. Aus diesem Holz sind Spitzensportler gestrickt! "Alle diese Umstände und Widerstände hätten ihn für den Leistungssport nur härter gemacht" sagt Henry Rono heute. Sein Schulweg zur Kibirsang Primary School war fünf Kilometer lang. "Eines Tages wirst Du selbst ein Lehrer werden!" motivierte ihn seine Mutter, die ihn zusammen mit seiner Grossmutter aufzog. 1971 machte er seinen Schulabschluss und ging 1973 für vier Jahre zur Armee und wurde ein guter Läufer. 1977 bekam er ein Sportstipendium in Pullman/USA von der Washington State University, wo er Sport und Psychologie studierte. 1984 schloss er mit einem Bachelor Degree ab und ging danach zurück nach Kenia, wo er für zwei Jahre Trainingsprogramme für Mittel- und Langstreckenläufer erstellte. 1986 kam er erneut in die USA, um wieder professionell zu laufen. Außerdem arbeitete er in den Reservaten im Südwesten der Vereinigten Staaten mit den Navajo Indianern Sportprogramme aus.

Der Wunderläufer - um olympische Ehren betrogen

Henry Rono wurde zwar schon 1976 ins Olympiateam für Montreal berufen, das aber wegen des Olympia Boykotts nie dort antrat. Danach begann während seines Studienaufenthalts in den USA sein kometenhafter Aufstieg. "Ich war damals weit vor allen anderen. Ich lief nicht mehr gegen die Konkurrenz, sondern nur noch gegen die Zeit. Da war nur ich und die Uhr!" In nur 81 Tagen stellte er 1978 vier Weltrekorde über vier verschiedene Distanzen auf:

  • am 8.4.1978 über 5000 Meter in 13:08,4 in Berkeley/USA
  • am 13.5.1978 über 3000m Hindernis in 8:05,4 in Seattle/USA
  • am 11.6.1978 über 10.000 Meter in 27:22,5 in Wien
  • am 27.6.1978 über 3000 Meter in 7:32,1 in Oslo

Noch im selben Jahr gewann Henry Rono bei den Commonwealth Spielen die Gold-Medaillen über 3000 Meter Hindernis und 5000 Meter. Sein Pech waren die beiden kenianischen Olympiaboykotts 1976 und 1980, dort hätte er sich unsterblich laufen können. Sein Hindernisweltrekord hielt über 11 Jahre und wurde von Peter Koech 1989 um 5 Zehntelsekunden in Stockholm verbessert. Seinen 5.000 Meter Weltrekord verbesserte er selbst noch einmal am 13.9.1981 in Knarvik/Norwegen auf 13:06,20. Die Barrieren wie 5.000 Meter unter 13 Minuten zu laufen oder 3.000 Meter Hindernis als Erster unter 8:00 Minuten zu schaffen waren für Rono noch zu hoch. Aber bei besserer Saisonplanung hätte er das vielleicht geschafft. So blieb es anderen vorbehalten. Auch am Marathon versuchte sich der Superstar, war dabei aber nicht so erfolgreich wie auf der Bahn. Es blieb 1986 bei einer Premiere in 2:19:12.

Vom Überläufer zum üblen Säufer

In seiner bald erscheinenden Autobiografie schildert er, in einem Vorabinterview mit der Los Angeles Times, was damals in ihm vorging: "Darauf war ich nicht vorbereitet. Die Medien schrieben derart über mich, dass ich Angst bekam." Er begann zu Trinken. Er kam betrunken zu Wettkämpfen oder kam überhaupt nicht. Er lebte noch eine Weile von seinem Talent. Es wird berichtet, dass er bei einem Comeback im September 1981 vor dem 5.000 Meter Rennen in Oslo die Nacht zuvor besoffen war, am nächsten Morgen eine Stunde lief um den Alkohol auszuschwitzen, etwas gegessen habe, sich noch mal zum Schlafen hinlegte und am selben Abend den neuen Weltrekord mit 13:06,20 aufstellte. Danach wurde er wieder umworben und von Meeting zu Meeting durchgereicht.

Mit der Uhr kam er klar, mit der Flasche nicht

Skrupellose Manager, korrupte kenianische Funktionäre und sein eigenes chaotisches Verhalten und Verfolgungswahn sorgten dafür, dass er kein Kapital aus seiner unvergleichlichen Karriere schlagen konnte. Sein Abstieg ging sogar so weit, dass er Mitte der 90er Jahre bei seinem ehemaligen Sponsor Nike im nicht weit entfernten Beaverton / Oregon um einen Job bettelte. Er wäre damit zufrieden gewesen den Boden putzen dürfen, aber man wies ihn ab. Einer von vielen Tiefschlägen in seinem Leben nach einem kurzen Aufleuchten als heller Läuferstern in den Stadienovalen Amerikas und Europas. Mehrfach wurde er in den 80er und 90er Jahren wegen Alkohol am Steuer verhaftet. Er kann sich an die Zahl der Entziehungskuren gar nicht mehr erinnern. Einmal kaufte ihn der Internationale Leichtathletik Verband aus dem Gefängnis frei. Er verlor wegen seiner Trinkerei seine Freunde, wohnte 1994 in Obdachlosenheimen in Seattle und arbeitete in etwas solideren Zeiten als Parkwächter oder wusch Autos. "Das ist der tiefste Punkt auf den man sinken kann", sagte Rono später über diese Zeit in Washington, "danach geht es entweder wieder aufwärts oder du bist tot."

Comeback vom Penner zum Renner?

Es ging wieder aufwärts und es gab immer wieder schlechte und rechte Versuche wieder in die Laufszene reinzukommen. 1995 lief er mit 20 Kilogramm Übergewicht in der Mastersklasse (über 40 Jahre) bei den Pacific North West Meisterschaften 800 Meter (2:21:59 und Letzter) und 5.000 Meter in 17:41 Minuten. Vor elf Jahren endete seine Odyssee in Albuquerque, wo er sich niederließ. Seit fünf Jahren sei er trocken. Er arbeitet als Lehrer für Behinderte und bringt ihnen Lesen und Schreiben bei. Vor ein paar Jahren kaufte er sich dort ein Haus.

Seniorenweltrekord als neues Ziel

Er schrieb seine Autobiografie und trainiert derzeit für die Senioren Weltmeisterschaften in Italien im September 2007*. Noch in diesem Jahr plant er den Senioren Weltrekord der M55 über eine Meile (4:40 Minuten) zu verbessern. "Ich komme als Penner von der Strasse zurück ins normale Leben." Ich habe Spaß am Laufen und trainiere mehr als früher, zwei Stunden am Morgen und eine am Abend." sagt er. Wirklich soviel? Kaum zu glauben. Mit fast 1.80 Meter wog er zeitweilig über 100 Kilogramm. Er war fettsüchtig. Jetzt ist er zurück auf 80 Kilogramm, sein Ziel ist deutlich unter 70 Kilogramm. Das war sein Wettkampfgewicht von 1978, als er seine Weltrekorde aufstellte.

Es ist gut wieder dabei zu sein

Und wie war nun der Auftritt, die Generalprobe in Carlsbad Anfang April? Nicht schlecht, aber auch (noch) nicht überragend. Zweiter in der M55 in 17:48 über 5.000 Meter. Sicherlich auch eine gute Promotion für sein bald erscheinendes Buch, aber auch noch ausbaufähig bis September. Bleibt abzuwarten, was die geschundene Leber noch hergibt. "Das war eine gute Erfahrung, das hat mich aufgebaut. Ich habe mich auf mein Körpergefühl verlassen. Es ist gut wieder dabei zu sein." sagte er danach im Interview und die Mitläufer gratulierten Henry Rono. Man möchte einfach ein Happy End für ein Idol, das alle Höhen und Tiefen einer Sportlerkarriere durchlitten hat...

*) Nachtrag (12.9.2007): In Riccione ist er aber offenbar nicht angetreten...

Buch "Olympic Dream" bei Amazon bestellen

Gefragter Titelheld:

früher...

heute...

Das große Laufbuch - erweiterte Neuauflage!
Der Bestseller von Herbert Steffny
umfassend und aktuell, u.a. mit einem
Essay über Kenias Wunderläufer, 408 S.
Südwestverlag

"Das Große Laufbuch" bei Amazon bestellen

weitere Artikel von Herbert Steffny

mehr von Herbert Steffny zum Laufen

Ratgeber zum Laufen

Home

Inhaltsverzeichnis