New York Marathon 2006 |
New
York: Überraschung durch Marilson Gomes,
Jelena
Prokopchuka siegt zum zweiten Mal
(5.11.2006 - von Herbert Steffny,
vor Ort in New York)
Copyright für
Text und Fotos: Herbert Steffny
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Bei nahezu idealen Bedingungen - "das beste Wetter seit 10 Jahren," so Renndirektorin Mary Wittenberg - kaum Wind, Temperaturen um 10 Grad und Sonne - hielten die Streckenrekorde auch einer Starbesetzung stand. Noch am Mittwoch vor dem 37. New York City Marathon war es über 20 Grad warm und es drohte nach 2004 und 2005 erneut ein Wärmerennen. Stattdessen trug die Elite zur Startzeit um 10.00 Handschuhe und Ärmlinge. Zwar waren die Pacemaker angewiesen Durchgangszeiten in Richtung 2:08 und bei den Frauen 2:23 Stunden anzulaufen, die Favoriten belauerten sich dahinter aber nur gegenseitig. So lief die rumänische Tempomacherin Luminita Talpos im Frauenrennen stur den vereinbarten Zeitplan, aber bereits nach einigen Meilen hatte niemand Lust ihr zu folgen. Als sie auf der First Avenue einsam in Führung liegend ausstieg, bereicherte sie nur das eigene Konto um 4.000 Dollar Hasenlohn, nicht aber den Rennverlauf. Die Elite folgte über zwei Minuten später. Auch die Männer blieben mit 65:34 weit über der Vorgabe von 64:00 Minuten, die man anlaufen wollte, um den Streckenrekord von 2:07:43 anzugreifen. Die zweiten Hälften mußten also schneller werden und sie wurden schneller, zumindest wenn man gewinnen wollte. Jelena Prokopcuka war schon zu Beginn des Marathons zunächst alleine der Häsin gefolgt, ließ sich dann aber sichtlich irritiert doch wieder ins Feld zurückfallen, wo sich auch Deena Kastor, Londonsiegerin und Weltjahresbeste mit 2:19:36 aufhielt. Sie sollte als Favoritin mit einem Sieg endlich die 29jährige Durststrecke für die USA beenden. Miki Gorman siegte zuletzt 1977 (und bei den Männern Alberto Salazar 1982) für die Vereinigten Staaten. Vorsichtig lief hier auch die Olympiazweite und vierfache Bostonsiegerin Catherine Ndereba im Feld mit. Aber erneut war es Prokopcuka, die bei Halbmarathon an der Pulaski-Bridge mit einem Antritt die Entscheidung suchte. Zu ihrer eigenen Verwunderung folgte lediglich die bisher noch wenig bekannte 31jährige Ukrainerin Tatiana Hladyr, aber niemand der vermeintlichen Favoritinnen. Hladyr hatte bisher lediglich mit einem Sieg in Rom in immerhin 2:25:44 auf sich aufmerksam gemacht. Zudem hatte sie aus dem Vorjahr als Elfte in 2:29:34 bereits New Yorker Streckenkenntnisse. Die Titelverteidigerin konnte sich in der Folge aber frühzeitig von Hladyr lösen und noch einen komfortablen Vorsprung von einer Minute rauslaufen. Der Lohn der Mühe war 130.000 Dollar und die Führung in der World Marathon Majors Punkteliste (Kombinationswertung um 1.000.000 Dollar aus Boston, London, Berlin, Chicago und New York), denn sie belegte im Frühjahr bereits Platz zwei in Boston. Nach 15 Marathons, die sie nie schlechter als Platz zwei beendete, mußte diesmal "Catherine the great" Ndereba mit Platz drei, knapp vor Landsfrau Rita Jeptoo vorlieb nehmen. Sie begann ihre Aufholjagd zu spät, hatte aber gegen die beiden Führenden ohnehin keine Chance. Deena Kastor landete enttäuscht und abgeschlagen nur auf Platz sechs. | Jelena Prokopcuka mit Escorte alleine auf
weiter Flur im Central Park
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Bei den Männern war die Situation ähnlich.
Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei.
Natürlich durfte man auf die Revanche zwischen dem im
Vorjahr nur um eine Sekunde geschlagenen Südafrikaner Henrick
Ramalaa, Sieger 2004 und seinem Bezwinger und
Weltrekordler Paul Tergat aus Kenia
gespannt sein. Hinzu kamen der Sieger von 2002 Rodgers
Rop (Kenia) und mit Mebrathom Keflezhigi
(USA) der Olympiazweite und sein Bezwinger
Olympiasieger und Europameister Stefano Baldini aus
Italien. Der hat in der Vergangenheit allerdings mehr
Furore als Meisterschaftsläufer, weniger aber als
Citymarathonschreck gemacht. Den Ausreißer bei Kilometer
32 nahm offenbar niemand richtig ernst. Marilson
Gomes dos Santos, sagte hinterher: "Für
einen Marathon benötigt man Mut und den hatte ich als
ich eigentlich nur das Feld auseinanderreißen
wollte." Sein Vorsprung wuchs bis auf 38 Sekunden.
Erst spät versuchten die beiden Kenianer Tergat und Stephen
Kiogora gemeinsam an den Unbekannten wieder
heranzulaufen. Der hatte aber genug Reserven den ersten
Sieg für einen Südamerikaner in New York abzusichern.
Der Brasilianer trat damit in die Fußstapfen seiner im
Marathon erfolgreichen Landsleute Ronaldo da
Costa, der in Berlin mit 2:06:05 im Jahre 1998
Weltrekord lief und den Olympiadritten Vanderlei
Lima, bekannt geworden durch die auf ihn
verübte unglaubliche Attacke eines Gestörten in der
Endphase des Rennens von Athen. "New York braucht nicht jeden Star, sondern es kürt neue Stars" hatte es dereinst der verstorbene aber unvergessene Renndirektor Fred Lebow einmal formuliert. Prokopcuka war vor ihrem New York Sieg im Vorjahr relativ unbekannt und auch der Brasilianer wird seinen Marktwert erheblich gesteigert haben. Immerhin war Marilson dos Santos schon 10. bei der Weltmeisterschaft in Helsinki und als Sechster 2004 in Chicago beachtliche 2:08:48 gelaufen. Aber ein Sieg in New York ist der wirklich große Durchbruch! Auch für mich war mein dritter Platz 1984 in New York zweifelsohne der Zugang zur großen Bühne des Marathonlaufs. Olympiasieger Baldini kam über einen sechsten Platz nicht hinaus, und auch bei den Männern mußten die US-Amerikaner leer ausgehen, denn ihre Hoffnung Meb Keflezhigi kam lediglich als 21. über den Zielstrich. |
Die Leistung eines anderen Amerikaners wurde so zum patriotischen
Ankerpunkt und zierte auf einigen Zeitungen sogar die
Titelseiten, wenngleich man diesen Helden aus dem
Radlager ausleihen musste. Lance Armstrong,
der siebenfache Tour de France Sieger versuchte sich auf
der Strasse, aber diesmal ohne Rennmaschine. Umgeben von
einem Fernsehteam und einigen amerikanischen
Edeldomestiken, die ihm in gewohnter Manier das Tempo
machten und Wasser reichten, strebte er das Ziel unter 3
Stunden den Marathon zu beenden generalstabsmäßig an.
Kein geringerer als der frühere Marathonweltrekordler Alberto
Salazar und die frühere Olympiasiegerin Joan
Samuelson-Benoit wechselten sich ab, den Radstar
sicher über New Yorker Asphalt zu geleiten und mit Tipps
zu versorgen. Wie ein Uhrwerk spulte Armstrong in
gewohnter Manier sein Programm herunter und erreichte mit
2:59:36 als 869ster punktgenau seine Vorgabe. Allerdings
war er den harten Aufprall bei jedem Schritt nicht so
gewohnt und so war sein Gesichtsausdruck in der Endphase
und im Ziel weniger entspannt, als bei mancher harten
Alpenetappe. Der Marathon-Debütant bekannte im Ziel,
dass "die letzten 15 Kilometer das
Härteste gewesen sei, was er jemals im Sport getan
habe." Über die Ziellinie humpelte er
beinahe. Eine Knochenhautreizung und steife Muskeln
machten ihm danach das Gehen schwer. Er hätte vielleicht
härter auf den Marathon trainieren müssen, gab er
hinterher auf der Pressekonferenz zu. Er lief in der
Regel nur 45 Minuten am Tag und sein längster Lauf kam
nicht über 25 Kilometer hinaus. Sein Potential bei
richtigem Training schätzte er auf unter 2:30 Stunden
ein. Allerdings denkt er nach diesen Schmerzen vorerst
nicht an eine Neuauflage. Ein Lance Armstrong sollte
eigentlich wissen: auch beim Marathon ist Vorbereitung
alles, und mit Schmalspurtraining kommt man auch nicht
gescheit über die Alpen. Es bot sich übrigens für einige deutsche Marathonläufer, stellvertretend für Jan Ullrich, die einmalige Gelegenheit es endlich mal dem Amerikaner zu zeigen. Und mancher Läufer lief in einem Trikot mit der Rückenbeschriftung: "Lance - if you can read this, you are too slow!" Eine ganze Truppe lief sogar mit einem schwarz-rot-goldenen Irokesenkamm und im gelben Trikot mit der Aufschrift auf dem Rücken: "Hi Lance - don't panic! I'm not Jan!":
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Den Vergleich mit Lance Armstrong brauchen
deutsche Radsportler beim Marathonlauf nun wirklich nicht
zu fürchten. Zum Vergleich: Rolf Aldag
lief in Hamburg im Frühjahr satte 2:42:54 beim Debüt! Bester Deutscher unter 2.432 deutschen Finishern war bei den Männern der 38jährige Bernd Weis in 2:31:50 als 70ster und bei den Damen auf Platz 160 die 49jährige Petra Schmiemann in für diese Altersklasse guten 3:15:36. Der Boxer Sven Ottke belegte nach zu schnellem Beginn in 4:52:57 den Platz 27.916. Der Schweizer Peter Camenzind (früherer Swiss Alpine Sieger) gewann die M55 in ausgezeichneten 2:38:29. Den 2.Platz in der M65 belegte der 66jährige Burkhard Leuschke aus Deutschland in guten 3:20:57. Älteste Läuferin war die New Yorkerin Joan Rowland mit 80 Jahren, sie benötigte 6:32:54. Die Briten waren mit 3.480 Finishern die stärkste ausländische Teilnehmernation, gefolgt von Italien 2888, Deutschland und Franzosen 2.390. 1.339 Niederländer, 457 Schweizer, 406 Spanier und 221 Österreicher beendeten das Rennen. Ein wenig Statistik zum Abschluss: Insgesamt 37.936 Läufer beendeten das Rennen. Das ist neuer Rekord. Die Letzten überquerten den Zielstrich im Central Park in 9:59:58 Stunden. Der Frauenanteil betrug mit 12.329 Finisherinnen 32,5 Prozent. Das ist deutlich mehr als bei deutschen Citymarathons (15-20%). Unter 3 Stunden kamen 889 Läufer, das ist etwa soviel wie in Berlin. Nach 4:22:23 Stunden waren die Hälfte aller Läufer im Ziel. Zum Vergleich: in Frankfurt ist die mittlere Zielzeit mit 3:58 deutlich schneller auch in Berlin finishten 2006 die Läufer trotz Wärme mit einer mittleren Zeit von 4:15 Stunden. Der Zuschauerzuspruch wird mit 2 Millionen angegeben, was aber sicherlich viel zu hoch gegriffen ist, wenn man wirklich nachrechnet. Die 12er Reihen, die auf beiden Seiten auf ganzer Streckenlänge (!) demnach dicht an dicht stehen müßten existieren nicht einmal im Central Park oder auf der First Avenue. Ob 2.000.000 oder "nur" 500.000 Zuschauer, die Stimmung ist dennoch riesig! |
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