Zeckenalarm - Waldlauf verboten? |
Autor und Copyright: Herbert
Steffny
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Zecken und Laufen - Sind Läufer
wirklich bedroht!?
(aktualisiert, am
13.5.2008)
Zeckengefahr
auch beim Laufen? Lobbyistische Panikmache der
Pharmaindustrie (wir erinnern uns an den Apotheken-Run
auf Tamiflu angesichts der befürchteten die Massen dahin
raffenden Vogelgrippe... das war nur heiße Luft!), oder
liegt eine reelle Bedrohung auch beim Joggen vor? Ist es
das übliche Geschäft mit der Angst der Pillenverkäufer
oder besteht wirklich eine Gefährdung? In der Tat kam es
durch die Erwärmung offenbar zu einer weiteren
Ausbreitung der Zecken auch in höhere Bergregionen. In eigener Sache: Als Läufer und auch als Diplom-Biologe (Hauptfach Zoologie) möchte ich klar stellen: Ich laufe in Deutschlands Haupt-Zeckenrisikogebiet Südschwarzwald und Südbaden nun schon seit 32 Jahren zigtausende von Kilometern (ca. 2x um die Erde). Noch nie (!) hat sich bei meinen umfangreichen Waldläufen um Freiburg oder Titisee eine Zecke an mir festgesetzt! Nachfolgend daher ein paar sachliche Informationen zur wirklichen Gefährdung durch Zecken für Läufer und was Sie zur Prävention gegen Zeckenstiche tun können. (Quelle für den
erweiterten Text unten: |
Da lauert
so eine fiese, blutrünstige Zecke im Unterwuchs mit
ausgebreiteten Vorderbeinen, ...auf was wohl? Bestimmt
auf ein warmes, verschwitztes Läuferbein!? |
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Zeckenalarm - Waldlauf verboten? Vorsicht im Wald! Läufer sollten sich unbedingt impfen lassen! Zecken lassen sich von den Bäumen auf Sie herunterfallen! Bestimmt haben Sie davon schon gehört. Ist der Waldlauf jetzt gestrichen? Natürlich nicht! Sie können getrost im Walde weiterlaufen, aber bleiben Sie eher auf den Wegen (siehe Tipps unten). Mini-Vampire lauern im Gras Die kleinen Blutsauger, auch Holzböcke genannt, sind Milben und gehören zu den Spinnentieren. Sie warten im Jugendstadium, bei dem sie noch etwas kleiner als ein Stecknadelkopf groß sind, geduldig im Gestrüpp und oder hohem Waldgras auf eine leckere Blutmahlzeit. Am liebsten bei warm-feuchtem Wetter. Nach dem Festessen, bei dem sie sich mächtig voll laufen lassen und stark anschwellen können, entwickeln sie sich zum geschlechtsreifen Tier weiter. Es stimmt nicht, dass diese Plagegeister oben auf den Bäumen lauern und uns bombardieren. So zielgenau und schnell sind die Biester nicht und sie sitzen auch gar nicht da oben. Die Blutsauger können Sie auch nicht anspringen. Richtig dagegen ist, dass die Parasiten im hohen Waldgras und Unterholz sitzen und mit weit gespreizten Vorderbeinen (s. Foto oben) darauf lauern, etwas Schwitzendes und Warmes zu erwischen. Und da ist ihnen ein nacktes Joggerbein gerade recht. Sie müssen die Viecher dabei also erst mal beim Waldlauf abstreifen. Mit ihren bohrendsaugenden Mundwerkzeugen haben die Tierchen allerdings einige Mühe durch unsere feste Lederhaut an den roten Saft heranzukommen. Sie müssen erst eine weichere Hautfalte, nicht selten an intimen Stellen finden. Es vergeht also eine Weile (manchmal Stunden) bis sie sich wirklich festgesetzt haben. Genau das ist unsere Chance die Plagegeister noch rechtzeitig mit einer spitzen Pinzette vor einem Blutkontakt abzulesen. Es gibt allerlei seltsame Anleitungen, wie zukleben oder "Rausdrehen" der Parasiten. Da die Mundwerkszeuge (siehe meine Fotos aus meiner Zeit als Zoologe an der Universität Freiburg unten) aber kein Gewinde, sondern Widerhaken haben, ist diese Empfehlung eher belustigend.
Hirnhautentzündung und Borreliose Als ich früher noch als Biologe im Gelände unterwegs war, fand ich manchmal bis zu zwanzig dieser achtbeinigen Mini-Vampire an meinen Beinen und entfernte sie aber immer noch rechtzeitig. Die Mitte der 80er Jahre aufkommenden langen, hautengen Hosen ("tights") bilden übrigens einen sehr wirksamen Schutz. Da konnten die Zecken nicht durch klettern oder darunter schlüpfen. Die Gefahr eines Zeckenstiches liegt darin, dass dabei Viren und Bakterien verbreitet werden können. Es handelt sich um die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) und die Lyme-Borreliose, beides schwere Erkrankungen, wenn sie unbehandelt bleiben. Die FSME wird durch ein beim Stich übertragenes Virus ausgelöst. Die Krankheit geht mit grippeähnlichen Symptomen und Fieber einher. Bei einem Teil der Patienten führt die Infektion zu einer Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten. Bei vielen Menschen, die von einer Zecke gestochen werden, treten jedoch nach einer Infektion keine Krankheitsanzeichen auf. Allerdings sind auch Todesfälle möglich. Ärzte raten deshalb Menschen, die sich in Risikogebieten oft in freier Natur aufhalten zur Impfung. Viel höher ist das Riskiko an einer Borreliose zu erkranken. Jährlich sind etwa 50.000 Menschen in Deutschland und 3.000 in der Schweiz davon betroffen. Die Krankheit schädigt unerkannt und unbehandelt (Antibiotika) das Nervensystem und die Gelenke. Eine Impfung gegen die Borreliose gibt es aber nicht. Rückgang der FSME-Fälle 2007Im letzten Jahr ist die Zahl der FSME-Erkrankungsfälle im Vergleich zu den Vorjahren in Deutschland und der Schweiz deutlich zurückgegangen: das Robert Koch Institut in Berlin (RKI) registrierte für das Jahr 2006 noch 546 FSME-Fälle, davon mit 269 Fällen die Hälfte alleine in Baden-Württemberg, 182 in Bayern und 55 in Hessen. 2007 waren es dagegen nur noch 238 Fälle. In der Schweiz gab es 2007 noch 111 Fälle, im Jahr 2006 dagegen waren es noch 245 Erkrankungen. Gründe für den Rückgang sieht das Robert Koch-Institut unter anderem im kühlen Sommer 2007, der weniger Menschen in die Natur lockte. Gewachsen sei aber auch das Bewusstsein für Zeckenstiche und steigende Impfraten in Süddeutschland. In Bayern war 2007 nach RKI- Angaben im Durchschnitt fast ein Drittel der Erstklässler gegen FSME geimpft. 2003 lag diese Quote bei nur 14 Prozent. Ob angesichts höherer Temperaturen in der kalten Jahreszeit mehr Zecken den Winter überleben, wie manche Experten vermuten, muss sich noch zeigen. Ab sieben Grad sind sie auch im Januar bereits aktiv und suchen Wirtstiere an denen sie Blut saugen können.
Im Norden weniger Gefahr Dennoch wurden vom Robert
Koch-Institut in Süddeutschland drei weitere
Kreise als Risikogebiete für FSME ausgewiesen,
in denen eine erhöhte Gefahr besteht, nach dem Stich
einer Zecke an einer Hirnhautentzündung zu erkranken.
Neu hinzugekommen sind in Baden-Württemberg der
Landkreis Göppingen und der Alb-Donau-Kreis sowie in
Bayern der Landkreis Rhön-Grabfeld. Insgesamt sind nun
132 Kreise in Deutschland als FSME-Risikogebiete
eingestuft. Die mit Abstand meisten Risikogebiete gibt es
nun in Bayern (75), gefolgt von Baden-Württemberg (41).
Weniger Risikogebiete sind in den Nachbarländern Hessen
(8), Thüringen (7) und Rheinland-Pfalz (1) ausgewiesen.
In den nördlichen Bundesländern gab es bisher nur
wenige FSME-Erkrankungen. Frei von meldepflichtigen
FSME-Fällen sind Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen,
Berlin und erstaunlicherweise das Saarland. Auch
Thüringen, Österreich und die Schweiz sind
Befallsgebiete. Keine Panik - Nicht jede Zecke ist Überträger War früher die Gefährdung mehr
auf warme Täler beschränkt, so findet man durch die
heißeren Sommer und milderen Winter Holzböcke nun auch
immer weiter oben in den Bergen. Die Befallsraten der
Zecken mit Viren und Bakterien sollen sich seit den 80er
Jahren verzehnfacht haben. Aber zum Glück soll laut
Landes-Gesundheitsamt Baden-Württemberg nur jede
50 bis 100. Zecke als Überträger tatsächlich
die Erreger beherbergen. Nach Schweizer Angaben ist nur
ein Prozent der Zecken Virusüberträger und bei 70-90
Prozent der Infizierten verläuft die Erkrankung
symptomlos. Je nach Zecken-Durchseuchung schätzen andere
Forscher die Gefahr nach einem Stich zu erkranken auf
noch geringere 1:300 bis 1:10.000 ein. Höchstens jeder
30. Stich einer Zecke führt zu einer Borreliose. Neue
Ansätze sucht die Parasitologin Ute Mackenstedt der
Universität Hohenheim. Man versucht die Zecken mit natürlichen
Feinden biologisch zu bekämpfen. Dafür gibt es
zwei Waffen: Pilze, die in die Atemwege der Zecken
eindringen sollen, so dass diese tödlich erkranken und
Zuchten von Zecken-Erzwespen, kleine Parasiten, die ihre
Eier in die Spinnentiere ablegen. Die Larven fressen dann
ihren Wirt von innen auf. Ob diese elegant klingenden
Ansätze im Rahmen einer biologischen
Schädlingsbekämpfung auch wirklich im Freien
funktionieren bleibt noch abzuwarten. Vorbeugung: Anti-Zeckenmittel mit begrenzter Wirkung Stiftung Warentest testete aktuell im Mai 2008 Zeckenmittel, die die Plagegeister fernhalten sollen. Leider waren 12 von 20 Mitteln "mangelhaft". Statt versprochenem stundenlangen Schutz stürzten sich die Zecken bereits nach einer Minute auf die mit Sprays oder Lotionen behandelte Haut. Gute Wirkungszeiten hatten "befriedigende" Mittel wie Anti-Brumm Naturell (3 Stunden), Anti Brumm forte (2 Stunden) oder Autan Active Lotion (2 Stunden). Am besten ist natürlich Vorbeugung durch Ihr Verhalten und Kleidung: Hier meine Tipps für Läufer, damit Sie risikofrei weiterlaufen können:
Also noch mal ganz deutlich, wenn Sie beim Joggen auf den Waldwegen bleiben, ist die Gefahr auch in Zeckengebieten sehr, sehr gering! Sollten Sie beim Austreten mal ins Gebüsch müssen, suchen Sie sich hinterher einfach gründlich (weiche Hautstellen, auch in Hautfalten) an den Füßen, Beinen, Kniekehlen und im Schritt ab... Keep on running! |
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