Ratgeber: Nüchtern laufen?

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Copyright: Herbert Steffny

Nüchtern laufen - Geheimwaffe zum Abnehmen und für Marathon?

Frage von H.T.:

Was halten Sie eigentlich von "Nüchtern-Läufen", die als zum Abnehmen geeignet empfohlen werden. In Ihren Büchern konnte ich leider dazu nichts finden?

Antwort von Herbert Steffny:

Richtig, in den "alten" nicht so umfangreichen Büchern! Aber in unseren neuen Büchern "Perfektes Lauftraining - Das Ernährungsprogramm" und besonders im "Großen Laufbuch" gehe ich ausführlich auch auf dieses Thema ein. Gelegentlich wird das nüchtern Laufen regelrecht als "Wunderwaffe" zum Abnehmen, aber auch in der Marathonvorbereitung angepriesen. Ohne Frühstück wird morgens losgelaufen, um den Fettstoffwechsel wegen des dann angeblich verstärkt auftretenden Kohlenhydratmangels anzukurbeln. Dem Körper soll nun nichts anderes übrig bleiben als Fett zu verbrennen. Soweit die Theorie. Darin liegen aber mehrere Denkfehler:

Morgens ist lediglich das Leberglykogen für den Blutzuckerspiegel abgesunken und vielleicht an der unteren Grenze (das Gehirn und Nervensystem verbraucht auch nachts weiter Glukose). Das Muskelglykogen hingegen ist über Nacht (sofern man im Bett nicht allzuviel Aktivität entwickelt hat ;-)) bei normaler Ernährung noch einigermaßen voll. Nochmal: während die für den Blutzuckerspiegel verantwortlichen Leberglykogenspiegel also über Nacht wenigstens zu zwei Drittel entleert wurden, hat sich an den Muskelglykogenspeichern also nicht viel verändert. Mit morgendlichen Nüchternläufen laufen Sie auf dem noch vorhandenen Glykogen der Muskulatur weiter, eben nicht vermehrt auf Fett! Im Gegensatz zur Muskulatur kann das Gehirn kurzfristig aber gar kein Fett verbrennen! Beim Blutzuckerspiegel ist man also kurz vor der Unterzuckerung und ohne Frühstück bleibt er natürlich niedrig. Sinkt er dann während des Nüchternlaufs endgültig in den Keller, so beginnt Ihr Körper je nach Länge des Laufs als Notlösung vermehrt Aminosäuren (die Bausteine für Körpereiweiss) abzubauen, um daraus Glukose-Nahrung für das Nervensystem und Gehirn neu herzustellen (Glukoneogenese). Dieser Aminosäuenverlust ist sicherlich nicht erwünscht, denn das führt zum Abbau von funktionellen Strukturen wie Bluteiweisse, Muskulatur und Immunkörper bzw. es fehlen die dafür notwendigen Ausgangs-Aminosäuren als Bausteine. Ihr Vorrat ist zudem nur klein. Das ist gesundheitlich natürlich ein Flop! An dieser Stelle bieten Ihnen übrigens einige Geschäftemacher "Eiweiß- und Aminosäurenpräparate" an. Eiweissabbau und diese vollkommen unnütze Geldausgabe könnten Sie verhindern, indem Sie mit vollwertigen Kohlenhydraten frühstücken und eben nicht nüchtern loslaufen. Der Körper hat dann keine Veranlassung seine Aminosäuren und Eiweisse anzuknabbern und unsinnig zu mitzuverheizen.

Ganz anders geartet sind die im Marathontraining vorkommenden Nüchernläufe, bei denen man absichtlich versucht die Muskelglykogenspeicher schon vor einem Training oder langen Lauf zu entleeren. Sind dann bei einem folgenden längeren Lauf, z.B. am Tag nach einer schnellen Trainingeinheiten oder durch besondere Ernährungsmaßnahmen zuvor (kohlenhydratarm) die Muskelgykogenspeicher endgültig entleert, verbrennen die Muskeln nun beim Laufen vermehrt Fett. Aber das wäre zu einem großen Mischanteil mit weniger Verletzungsrisiko und ohne höheren Eiweissabbau auch schon bei einer genügenden Zahl langer, langsamer Dauerläufe ohne nüchtern loszulaufen auch passiert. Nüchternläufe werden tatsächlich von Spitzenläufern allerdings erst in einem sehr fortgeschrittenem Trainingsstadium praktiziert. Sie sind aber, wie auch eigene Erfahrungen zeigen, nicht ohne Risiko und für Marathon-Einsteiger nicht ratsam. Nach diesen Läufen sollte unbedingt kohlenhydratreich gegessen werden, nicht nur um die Glykogenspeicher nun aufzufüllen, sondern auch um den Eiweiss(Aminosäuren)abbau zu stoppen

Meine Empfehlung: Auf jeden Fall sollten Sie morgens erst mal Wasser oder Fruchtsaftschorles (Wasser, Mineralien und Kohlenhydratgehalt) trinken. Mit dehydrierten Muskeln oder auch Nervenzellen loszulaufen ist wirklich hirnlos, denn es kann zu Schäden in der Muskulatur führen. Zudem laufen Sie auch geistig nicht gerade voll auf der Höhe (wegen dehydrierter Nervenzellen, denen zusätzlich auch die Kohlenhydrate als Hirnnahrung fehlen). Wer ohne Frühstück ins Büro hastet, braucht sich auch nicht zu wundern, wenn er dort unkonzentriert ist. Im Marathontraining reichen eine genügende Zahl langer Läufe, langsameres Trainingstempo bei erhöhter Gesamtkilometerzahl aus, um den Fettstoffwechsel ausreichend zu trainieren. Besondere ernährungstechnische Maßnahmen wie die "Schweden- oder Saltindiät" oder extreme Nüchternläufe bergen selbst für Profis Risiken. Mehr darüber ausführlich im "Großen Laufbuch".

Wichtig! Zum Abnehmen können Nüchternläufe Ernährungsfehler und für Marathonläufer eine ungenügende Zahl langer Läufe auf keinen Fall ersetzen!

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