Das afrikanische Laufwunder
oder warum läuft uns Afrika davon ?

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Warum lahmt der weiße Mann hinterher?
"Wer Erster werden will, muss bereit sein das Letzte zu geben!"

Autor und Copyright: Herbert Steffny
(Sie können gerne hierhin verlinken)

(erschienen 14.5.2006, gleichzeitig bei Laufreport.de, ergänzt am 20.8. und 12.11.2006 und leicht am 14.11.2007)

aktualisierte Weltbestenlisten Marathon und Europabestenliste 2006 (vor EM Göteborg) und Deutsche Bestenlisten 2006

Twentyfive years after: Die Marathonszene im Weltspitzenbereich hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Weniger die Kommerzialisierung ist damit gemeint, denn fette Geldbörsen gab es schon seit den 80er Jahren, sondern die erdrückende Dominanz der Afrikaner im Männerfeld und die scheinbare Ohnmacht des weißen Mannes. Lahmt der weiße Mann hinterher, kann der "Muzungu", wie ihn die Kenianer nennen, nicht mehr laufen? Ein weiterer wichtiger Aspekt sei am nur Rande erwähnt: Die Preisgelder werden überwiegend in Europa und Amerika generiert. Laufen deren Protagonisten aber zunehmend hinterher, so ziehen sich Sponsoren und Medien mehr und mehr aus diesen Strukturen zurück.

Rückgehendes Medieninteresse

Ein Beispiel dafür ist der schleichende Rückzug der ARD aus dem Berlin Marathon, wo ich das als ARD/RBB Co-Kommentator aus erster Hand miterleben durfte, und das trotz der Weltrekorde von Haile Gebrselassie!

  • bis 2007 noch Live von wenigstens 3:00 Stunden
  • 2008 nur noch Zusammenfassung 45 Minuten
  • 2009 nichts mehr, statt dessen ein Trachtenumzug in Bayern, der eine höhere Einschaltquote ergab
  • der Regionalsender RBB überträgt noch 4:00 Stunden live

Der WDR übertrug ebenfalls den Köln Marathon lange Zeit live. Seit einigen Jahren gibt es ebenfalls nur noch eine Zusammenfassung .Der Aufwand steht nicht mehr im Verhältnis zur Einschaltquote! Würde hier ein Deutscher Athlet nur halbwegs vorne mithalten (Haile müßte er dafür nicht schlagen) so würde das vielleicht anders aussehen. Das Interesse der Zuschauer ist natürlich größer, wenn ein Einheimischer vorne mitmischt!


Für die weitere Betrachtung möchte ich zunächst eine Bestandsaufnahme und einen Vergleich 1985 und 2009...

  • ...in der Weltspitze Marathonlauf und anschließend...
  • ...für deutsche Marathonläufer (Männer) vornehmen....

Danach möchte ich die Ursachen...

  • ...für die Vorherrschaft der Afrikaner analysieren und letztlich die...
  • ...Perspektiven für Deutsche, Europäer und Amerikaner aufzeigen.

Seit Mitte der 80er Jahre wurden die Streckenlängen der großen Marathons durch ein einheitliches Messverfahren einigermaßen vergleichbar. Die Europäer dominierten 1985 (Tab.1, 2 und Grafik 1) noch mit 50 Prozent aller Plazierungen unter den ersten 30 der Weltbestenliste, dazu stellten sie die zwei schnellsten Läufer und die Weltbestleistung durch Carlos Lopes. Die Weltklassezeiten von Carlos Lopes und Steve Jones (2:07:12 und 2:07:13) hätten auch 2005, also 20 Jahre später, noch für Platz 4 und 5 der Weltbestenliste gereicht. Die Asiaten hatten 1985 noch 5 Plätze unter den Top 30, im Jahr 2005 war es nur noch einer. Die Europäer fielen von damals 15 Plätzen auf nur noch 3 im Jahr 2005 dramatisch zurück. Die Amerikaner und Australier verabschiedeten sich vollständig aus den Top 30. Die wenigen erfolgreichen US-Amerikaner heißen nicht mehr Bill Rodgers oder Frank Shorter, sondern sind als US-Bürger naturalisierte Afrtikaner wie der frühere Marrokaner und Ex-Weltrekordler Khalid Kannouchi, der Eriträer Mebrahtom Keflezighi, der 2004 Olympia-Silber in Athen holte, oder der 2006 Chicago Vierte (2:08:56) Abdi Abdirahman (geboren in Somalia).

Tabelle 1: Vergleich der Marathon Weltbestenliste Männer 1985 und 2005:

Die Afrikaner (damals mit Südafrika, Djibouti, Äthiopien) spielten Mitte der 80er Jahre noch keine so dominierende Rolle wie heute. Noch kein Kenianer war 1985 unter den Top 30 zu finden! In Rom 1987 wurde der in Japan trainierende Douglas Wakihuri Weltmeister und löste erst einige Jahre zeitversetzt einen Marathonboom in seiner kenianischen Heimat aus. Auch der aus dem kenianischen Hochland stammende Nandi Ibrahim Hussein trug mit seinen Siegen (und erlaufenen Siegprämien und Nobelkarrossen) Ende der 80er Jahre in Honolulu, Boston und New York erheblich dazu bei. Kenia hatte sich bis dahin stark auf den Crosslauf und Bahnrennen, allem voran auf die Paradedisziplin 3000m Hindernislauf konzentriert. Zuvor glänzten lediglich die Äthiopier im Marathonlauf mit drei Olympiasiegen durch Abebe Bikila (1960, 1964) und Mamo Wolde (1968). 2009 beherrschen die Läufer des schwarzen Kontinents mit 26 Plazierungen (davon alleine 23 aus Kenia) die 30 Besten auf breiter Front. Der Weltjahresbeste Haile Gebrselassie (Äthiopien), Doppelweltmeister Jaouad Gharib (Marrokko) und der Südafrikaner und New York Sieger 2004 Hendrick Ramaala sorgten für die drei anderen Platzierungen für den schwarzen Kontinent. Die magere Medaillenausbeute der Kenianer (lediglich 2x olympisches Silber und 1x Bronze) hinkt allerdings weit hinter Äthiopien hinterher. Die Konzentration der gemanagten "Rennställe" auf die City Marathons und die fragwürdige Nominierungspolitik in Kenia mag dafür verantwortlich sein. Die Äthiopier werden restriktiver und gezielter auf die internationalen Meisterschaften vorbereitet.

Tabelle 2: Plazierung in Weltbestenlisten nach Kontinenten:

Grafik 1:Veränderung der Top-30 Weltbestenliste nach Kontinenten:

Die Deutschen (Tab.1) konnten sich 1985 mit 3 Läufern unter den Top 30 plazieren! 2005 dümpelten die Besten gerade mal um Platz 800 herum! Sind die anderen besser oder die Deutschen nur schlechter geworden? Die Antwort ist einfach: beides! Die Leistungen von Michael Heilmann und Christoph Herle aus dem Jahre 1985 hätten in der Weltbestenliste 2005 immerhin noch für Platz 31 und 44 gereicht. Die 9 schnellsten jemals von Deutschen gelaufene Zeiten datieren zwischen 1976 und 1990 (Tab.3). Seit über 15 Jahren geht es mit wenigen Ausnahmen rapide bergab.

Tabelle 3: Ewige Deutsche Bestenliste Marathon (10 schnellst gelaufene Zeiten, Stand: Februar 2007)

Der Vergleich der Deutschen Männerbestenlisten von 1985 und 2005 fällt dementsprechend äußerst ernüchternd aus (Tab.4). Hierfür habe ich für 1985 die Leistungen der damaligen BRD und DDR zusammengefaßt. Noch erschreckender ist der Rückgang der Leistungsdichte. Liefen 34 Läufer gesamtdeutsch 1985 noch 48 mal (!) unter 2:20 Stunden, so schafften das 2005 nur noch zwei! Im Durchschnitt wird rund 10 Minuten langsamer gelaufen als damals! Und es scheint auch 2006 nicht viel besser zu kommen: Im Früjahr unterbot keiner die moderate EM-Norm von 2:14:00. Nur Martin Beckmann lief mit 2:17:00 in Düsseldorf und Mario Kröckert mit 2:16:52 in Essen unter 2:20. (Uli Steidls Zeit von 2:16:02 kann wegen zu starkem Gefälle der Strecke in Austin offiziell nicht gewertet werden). Kein Wunder, dass es zur Zeit kaum einen Freizeit-Marathonläufer interessiert, wer an der Spitze läuft. Es gibt im Gegensatz zu den Frauen, wo Luminita Zaituc oder Claudia Dreher (oder die Überraschungseuropameisterin 2006 Urike Maisch) mit ordentlichen Leistungen einigermaßen vorne mitlaufen können, keine nationale Identifikationsfigur mehr. Man muss in den Statistiken weit zurückblättern: Das Niveau bei den Männern ist 2005 und 2006 bei uns auf dem Stand der 60er Jahre! (siehe hierzu auch Deutsche Bestenliste 2006)

Tabelle 4: Vergleich der deutschen Bestenliste 1985 und 2005:

 

Warum laufen wir immer schlechter?

  • Die Gene haben sich in Deutschland in 20 Jahren nicht verändert. Lauftalente gibt es bei uns nach wie vor. Allerdings nimmt die absolute Zahl der Jugendlichen angesichts geburtenschwächerer Jahrgänge etwas ab. Eher haben sich schon der Zeitgeist, die Lebensumstände und die Motivation gewandelt.
  • Beharrlichkeit führt zum Erfolg. Aber in einem geistigen Umfeld von Lebensabschnittspartnern, „zappen“, „hire and fire“, „ex- und hopp“ und wird es immer schwieriger die Geduld für langfristige Ziele aufzubringen und im Dickicht der Möglichkeiten sich auf eine Sache zu konzentrieren.
  • Die Topläufer der Achtziger Jahre sind dagegen Nachkriegskinder. Man konnte damals eigentlich nur gewinnen und wuchs mit Trümmergrundstücken auf, trug die Kleidung der älteren Geschwister und lernte von den Eltern, daß man lange Arbeiten muß, bis Licht am Ende des Tunnels zu sehen sein wird.
  • Um in einer Individualsportart wie Marathonlauf zu Weltklasseleistungen zu kommen, erfordert es eine ungeheuere Willensstärke und intrisische Motivation in Training und Wettkampf. Die Bürde und Verantwortung (aber auch der Erfolg) ruht nur auf einer Schulter. In Mannschaftssportarten kann man sich besser verstecken und leichter zum Training motivieren, der "Fun-Faktor" ist für junge Athleten größer. In dieser Beziehung sind uns die hochmotivierten "Underdogs" * aus der dritten Welt überlegen (s.u.). Ein beliebter Trainerspruch ist "Ein hungriger Wolf beißt besser!"
  • Bewegung oder gar ein den Bewegungsapparat frühzeitig stabilisierendes Barfußlaufen kommt im Gegensatz zu afrikanischen Kindern bei uns in der Jugend, vor allem bei Stadtkindern, immer weniger vor („Mamataxi“). Früher spielte man in der Freizeit auf der Straße: Verstecken, Räuber und Gendarm, Fuß- und Völkerball oder war auf dem Sportplatz beim Springen, Laufen oder Werfen. Der Schulweg wurde zumeist wie in Afrika zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Die heutigen Kids (Stadtkinder) spielen am Computer, feiern LAN Partys oder sitzen vor dem Fernseher und DVD Player.
  • Die wenigen noch willigen Talente verlieren sich bei uns im Dickicht der vielen Modesportarten, die es in Kenia nicht gibt. Dort habe ich bei eigenen Aufenthalten nur Laufen oder Fußball, zur Not im T-Shirt und barfuss gesehen. Bei uns ist der Besitz eines coolen Ultra-Elastomer gefederten Mountainbikes mit Shimano XTR Schaltung und Scheibenbremsen in sich schon die "geile Show". Richtig fahren muß man damit nicht unbedingt können. Es reicht damit am Gymnasium vorzufahren. Ein ehrfürchtiges Staunen der Klassenkameraden ist gewiß. Mehr Schein als Sein, die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt.
  • Im Spitzen- und Breitensport erliegt man bei uns heute zu schnell der Versuchung irgendwelchen Hightech-Schnickschnack überzubewerten. Viele Athleten beschäftigen sich mehr mit Leistungsdiagnostik, Blutwerten, Laktatmessungen, Trainingauswertung am Computer und Nahrungsmittelergänzung als mit dem eigentlichen Training. Zynisch überspitzt: sollten einige Athleten wirklich alles das schlucken, wofür sie Werbung machen, so erscheint mir das statistisch gesehen eher der Beweis dafür zu sein, wie man davon immer schlechter wird. Nicht, das alle sportmedizinischen Erkenntnisse überflüssig seien, aber die Botschaft ist viel einfacher: Fehlen Kilometer und Moral, so klappt der Marathon nicht!
  • Falsche Trainingsmethodik - Es werden beim Marathontraining zuwenig Kilometer gelaufen, und selbst wenn die Kilometerzahl einigermaßen stimmt, zuviel gleichzeitig reingestopft und im für Marathon nur bedingt wichtigen anaeroben Bereich zu hart trainiert. Das wird dann unsinnigerweise sogar noch als "Qualität statt Quantität" angepriesen. Die wirkliche Qualität eines Trainings zeigt sich letztlich im Wettkampfresultat und kann nicht mit Intensität gleichgesetzt werden. Sie hat eher mit optimaler Gestaltung von Belastung und Entlastung, also Regeneration und Verletzungsprävention zu tun. Die für Marathon relevanten Stoffwechselbereiche trainiert man beispielsweise nicht im Höhentrainingslager mit 400m oder 1000m Intervallen im tiefroten Bereich, sondern eher bei einem Tempodauerlauf oder sogar Berglauf in einer Intensität langsamer als die anaerobe Schwelle und bei noch langsameren langen Dauerläufen. Im Winter wird zum falschen Zeitpunkt schon in der Halle Intervalltraining durchgeführt, wo man sich früher beim fleißigen Kilometersammeln und dem sinnvolleren Crosslauf (Kraftausdauertraining und mentale Härte) über die kalte Jahreszeit durchgeschlagen hat.
  • Sportliches Image und Anerkennung gibt es bei uns schon für Mittelmaß, einen Landesmeistertitel etwa.*** In Kenia wäre das die reinste Zeitverschwendung. Dort hängt die Messlatte um Ellen höher. Die Leute fragen dort: "Hast Du Geld mitgebracht oder kann man Deine Medaille essen?"
  • Der Hauptgrund und somit die wichtigste Triebfeder für die Dominanz der Afrikaner ist die Aussicht auf einen ungeheuren gesellschaftlichen Aufstieg. 500 Euro beim Citylauf entsprechen in Ostafrika einem Jahresgehalt. Diese soziale Motivation ist viel wichtiger als kleine anatomische oder physiologische Besonderheiten am Fersenbein, der Muskelfasern oder ähnliches, wie uns immer wieder Wissenschaftler weiß machen wollen. Die haben wohl noch nie die leistungshungrigen Afrikaner in ihrem sozialen Umfeld zuhause erlebt.
  • Ein kenianischer Bauernsohn ist zudem seiner Großfamilie verpflichtet. Wehe er kommt ohne Geld in die Heimat zurück. Bei uns dagegen lebt (und trainiert) jeder für sich, in Anlehnung an eine hedonistische Werbung für Eislutscher nach dem Motto "Ich und mein Leben". Wer bei uns sportlich versagt, wird sich des Trostes seiner Freunde und Familie gewiß sein können: "...ja das ist ja auch wirklich schwer!" Der Vater eines kenianischen Läufers würde ihn ausschimpfen und sagen: "Was hast Du in Deiner Abwesenheit gemacht? Deine Arbeitskraft fehlte uns zuhause auf dem Acker!"

In Deutschland hat man Alternativen für eine gute soziale Absicherung, die es in Kenia so gut wie nicht gibt. So kann man beispielsweise:

  • ...von den Eltern erben (der Acker ist in Kenia nicht mehr teilbar)
  • ...auf Nummer sicher gehen und eine gute Berufsausbildung dem Leistungssport vorziehen (in Kenia nahezu unmöglich)
  • ...eine gut situierte Frau heiraten (gibt’s die in den Nandi Hills?)
  • ...zur Not noch auf die „soziale Hängematte“ vertrauen (Fehlanzeige in Kenia)

In unserem System macht man sich an der Schwelle zum Hochleistungssport zu viele Gedanken darüber, was man, wenn man 100prozentig auf den Sport setzen würde, alles verlieren kann. Ich kann das alles verstehen und würde vielleicht als Nachwuchsläufer heute genauso denken, aber es hilft nicht weiter, denn ein Kenianer steht als siebtes Kind eines Bauern mit dem Rücken an der Wand und überlegt sich dabei nur was er gewinnen kann!

Der weiße Mann lahmt hinterher

Es sei daran erinnert, daß die besten Fußballer und Basketballspieler auch eher aus den Ghettos von Sao Paulo, Neapel, Osteuropa, Afrika, Bronx oder Harlem stammen. Topathleten in Sportarten, die die ganze Welt betreiben kann, sind selten die Kinder der satten Ober- und Mittelschicht. Bei aufwändigen "Exklusiv-Sportarten" wie Dressurreiten, Stabhochsprung oder Triathlon bleiben wir noch unter uns. Der Niedergang im Marathonlauf ist daher keineswegs auf Deutschland alleine beschränkt. Die US-Amerikaner bringen seit vielen Jahren keinen guten „weißen“ Marathonläufer mehr hervor. Der schon erwähnte frühere Weltrekordler Khalid Khannouchi und der aus Eritrea stammende Olympia- und New York Zweite Mebrahtom Kheflezighi könnte man durchaus als willkommene afrikanische Blutauffrischung ansehen. Lange vorbei sind die Zeiten eines Olympiasiegers Frank Shorter, des Boston und New York Dominators Bill Rodgers und des früheren Weltrekordlers Alberto Salazar. In den 70er und 80er Jahren blieben die Amerikaner mit weiteren bei uns unbekannteren Läufern wie Greg Meyer, Ron Tabb, Dick Beardsley, Benji Durden und Ken Martin unter der 2:10 Stunden Grenze. Die Vereinigten Staaten waren damals die führende Marathon Nation! Auch die britischen Männer waren früher mit unter 2:10 Läufern gesegnet. Erinnert sei hier an den Olympiadritten Charly Spedding, Weltrekordler Steve Jones, Weltcup Sieger Richard Nerurkar, Chicago Sieger Paul Evans, New York Zweiter Geoff Smith, Europarekordler und Commonwealth Sieger Ian Thompson, die London Marathon Sieger Hugh Jones, Allister Hutton und Mike Gratton und natürlich auch an den Boston- und Commonwealth Sieger und Europarekordler Ron Hill (2:09:28, 1970). Die männlichen britischen Marathonläufer erlebten 2003 ihr Waterloo als „Queen Paula“ Radcliffe mit 2:15:25 und Weltbestleistung beim London Marathon auch ihre Landsmänner hinter sich ließ und zusätzlich mit dem Preis des schnellsten Engländers ausgezeichnet wurde!

Underdogs sind hungriger und härter

In Frankreich** holen auf den Mittel- und Langstrecken längst die aus den ehemaligen nordafrikanischen Kolonien eingewanderten „underdogs“* die Kohlen aus dem Feuer. Die französischen Bestenlisten werden nicht von „Pierres“ oder „Jacques“ angeführt, sondern eher von „Ismails“, „Mustaphas“ und „Hassans“.

Beispiel: Das französische Männer Team für die Crossweltmeisterschaft 2007 lautet: El Mustafa EL AHMADI, Frederic DENIS, Hassan HIRT, James Kibocha THEURI, Larbi ZEROUAL, Moussa BARKAOUI, Mustapha ESSAD, Simon MUNYIUTU, Hassan CHAHDI, Morhad AMDOUNI.

Auch in den anderen oben genannten Ländern, dazu kann man auch Belgien und die Niederlande zählen, holen die noch hungrigen Einwanderer die Medaillen und Prämien. Das ist in Ordnung, es steht ihnen zu. Legen wir uns also nicht mehr so ins Zeug, weil es uns zu gut geht? Oder provokanter: Haben uns die hungrigen Underdogs den schönen Spass versaut? Typisch deutsch ist es darüber zu jammern, statt die Ärmel hochzukrempeln bzw. die Laufschuhe zum Training zu schnüren. Merksatz für einen deutschen Nachwuchsläufer: „Immer wenn Du Dich gerade auf Deinen (regionalen, nationalen) Lorbeeren ausruhen willst, schnürt irgendwo in Afrika gerade eine ganze Horde leistungswilliger Jugendlicher die Laufschuhe, soweit sie nicht barfuß rennen.“ Die sind eben härter! Fehlen uns Deutschen diese „underdogs“? Stellen wir uns einmal vor der Weltklassesprinter Frankie Fredericks wäre für Deutschland gestartet (Namibia war die Kolonie Deutsch-Südwestafrika!) oder der früher in Serie unter 2:10 laufende Yuma Ikangaa (Tansania war Deutsch-Ostafrika) hätte als Deutscher in New York, Tokio oder Fukuoka den Marathon gewonnen. Angesichts der vielen Nachwuchsläufer aus Tansania bräuchten wir uns wirklich keine Gedanken mehr um die Nationalmannschaft zu machen und selbst der Autor hätte es früher schwer gehabt ins deutsche Nationaltrikot zu kommen. Immerhin haben 2004 fünf Tansanier die Marathon Olympianorm von 2:11 unterboten! 2005 wurde der Tansanier Christopher Isegwe mit 2:10:21 Marathon Vizeweltmeister in Helsinki! Bei uns waren die Männer weit davon entfernt, 2:18 reichte für Platz eins der Bestenliste. Auch 2006 sieht es kaum besser aus, während Tansania 2:10 und 2:11 Läufer und eine ganze Schar von Weltklasse Halbmarathonläufern besitzt.

Fazit: nicht ganz hoffnungslos

Da sich die Gene mit Sicherheit nicht verändert haben, hat der weiße Mann immer noch eine reelle Chance. Der Italiener Stefano Baldini wurde 2004 vor den Afrikanern im Marathonlauf Olympiasieger. Der Spanier Julio Rey siegt wie zuletzt 2006 in 2:06:52 regelmäßig in Hamburg vor den Afrikanern. Auch Deutschland stellte früher mit Waldemar Cierpinski 1976 und 1980 einen zweifachen Olympiasieger. "Das ist ferne Vergangenheit" mag ein Kritiker einwenden. Stimmt, aber der Mann konnte 1976 schon unter 2:10 laufen! Sicherlich hat sich die Motivation auch in der ehemaligen DDR nach dem Fall der Mauer geändert. Sport auf Weltklasseniveau war lukrativ, gewährte Anerkennung, Sicherheit und Reisefreiheit in einem System, wo Medaillen für die nationale Selbstdarstellung gebraucht wurden. Aber die Leistungen der 80er und Anfang 90er Jahre wurden auch von Westathleten in Vor-Epo-Zeiten erbracht! Mit dem Potential deutscher Läufer von 1985 hätte man auch noch 2005 vorne dabei sein können und rein statistisch bei zahlreichen internationalen Cityläufen gewinnen oder zumindest Vorderplätze belegen können.

Erst professionelle Einstellung, dann Fördergelder

Veranstalter, Medien und Sponsoren suchen händeringend einen Deutschen, der vorne mitlaufen könnte. Und diese finanziell durchaus lukrative Planstelle ist immer noch vorhanden! Die Gunst der Stunde bei einer internationalen Meisterschaft ohne afrikanische Überlegenheit erfolgreich zu sein, nutzte die Europameisterin Ulrike Maisch 2006 in Göteborg glänzend. Während es bei den Frauen durchaus Erfolge gibt, haben die deutschen Männer dort schlichtweg eine echte Chance verpennt. Es reichte nicht einmal für eine Teilnahme! Hätten wir bei den Männern nur das Niveau der früheren Jahre, man könnte von einer Krise beim Marathonlauf nicht sprechen. Fakt ist, dass hinter jedem Topläufer in Kenia 10 andere stehen, die ihn übertreffen wollen. Einen Dieter Baumann kann bei uns allerdings keiner mehr ersetzen. Die Leistungsdichte ist sehr dünn, aber mit eiserner Motivation und jahrelangem geduldigem Aufbautraining hätte ein Talent auch bei uns noch eine Chance. Ich kann verstehen, daß es einem Wohlstandskind, das alles hat, sicherlich schwerer fällt, aber wer von Weltklasse redet oder träumt, muß knallhart gegen sich selbst sein, risikobereit, fleißig und konsequent handeln. Die Einstellung, dass man erst mal Sponsoren braucht, damit man überhaupt das Training zur Weltspitze aufnehmen kann, ist verständlich, aber hilft nicht weiter. Wer aus dem rechten Holz geschnitzt ist, schafft das auch mit Beharrlichkeit und Willensstärke und ohne umfassende Geldmittel! Siehe Kenia! Beim Schreien nach Förderung wird vergessen, daß bei einer billigen Sportart wie Laufen nicht Geld, sondern eher eine professionelle Einstellung und eine Konzentration auf die richtigen Rennen gefragt ist. Es ist wie im Berufsleben, man muss vorinvestieren, um später Früchte zu tragen. Dieses Naturgesetz kennt übrigens jeder Bauer, der Samen in die Erde steckt. Vielleicht hilft beim Wiedererlernen der "Lauf-Basics" ein Aufenthalt in Kenia oder Äthiopien. Dort könnte man demütig lernen, wie man gerade bei einer so einfachen Sportart wie Laufen aus so wenig so viel machen kann! Oder ich möchte es mal anders formulieren:

"Wer Erster werden will, muss bereit sein das Letzte zu geben!"

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* Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich verwende und meine den Begriff "underdog" oder "hungriger Wolf" nicht soziologisch diskriminierend, sondern als Trainer sogar eher anerkennend. Diese Athleten sind noch nicht wie viele unserer Wohlstandskinder saturiert (was ja gesellschaftlich als nettes Ziel ganz schön sein mag), sondern arbeiten noch verbissen für ein Ziel, vielleicht die einzige Chance, die sie im Leben haben...

** Hierzu schrieb mir auch Benno Schmidt aus Frankreich am 14.11.2007: "Ich gebe Ihnen recht und hier in Frankreich sieht es auch nicht besser aus und wird sich wohl auch nicht so schnell ändern. Vor 20 Jahren liefen noch fast 150 Marathonis unter 2h30 und 40 unter 2h25 jetzt sind es nur noch respektivement 40 und 16 flotte Läufer. Die französische Meisterschaft wird in 2:20 gewonnen. Danke für die Tips Gruss Benno

*** In irgendeinem Forum fühlte sich jemand wegen dieser Aussage auf den Schlips getreten... Ich wäre arrogant und würde hier das Leistungsniveau eines Landesmeistertitels als Mittelmaß verunglimpfen bzw. nicht anerkennen. Das steht mir natürlich fern! Aber von dem Kritiker wurde offensichtlich übersehen, dass meine Analyse hier im Kontext des internationalen Spitzensports steht.

Ein Bericht über meinen Aufenthalt und Erfahrungen in Kenia findet sich in meinem "Großen Laufbuch"
weiterer Buchtipp:
Läufergeschichten aus Afrika von Kenia-Kenner Robert Hartmann

Multimedia Vortrag: "Das kenianische Laufwunder"

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