Portrait: Viktor Röthlin |
Copyright, Text, Fotos: Herbert Steffny
Viktor
Röthlin
- ein Marathontraum wird wahr!
(28.8.2007, aktualisiert am 18.2.2008)
Interview mit Viktor Röthlin zum
Tokio Marathon
Die
Schweiz trat bei der Weltmeisterschaft in Osaka mit einem
vergleichsweise kleinen Team von nur 12 Startern an. Nach
seinem Europameisterschaftssilber von Göteborg 2006 war
der 32-jährige Viktor Röthlin der
große Hoffnungsträger für die Eidgenossen.
Noch vor der Weltmeisterschaft setzte er sich selbst eine
Platzierung unter den ersten Acht als Ziel. Das würde
den Hoffnungen der Teamleitung entsprechen, denn in der
Schweiz backt man, was Medaillen angeht, etwas kleinere
Brötchen als beim großen Nachbarn Deutschland. Dass der
von Röthlin in diesem Frühjahr in Zürich aufgestellte
Schweizer Marathonrekord mit 2:08:20 schneller ist als
die deutsche Bestmarke über 42,195 km (Jörg Peter mit
2:08:47) sei nur am Rande bemerkt.* Der Schweizer Verband
zwang dem Alpnacher regelrecht die Marathonkarriere auf,
denn als er 1998 bei der Europameisterschaft im 10.000
Meter Lauf nur Drittletzter wurde, stellte man ihm ein
Ultimatum: Umsteigen auf Marathon oder Ausscheiden aus
dem Kader. Mit 24 Jahren lief Röthlin seinen ersten
Marathon und nun beschied er 33-jährig seinem Verband
die siebte Weltmeisterschaftsmedaille überhaupt. Dreimal
holte Werner Günthör von 1987 bis 1993 Gold im
Kugelstoßen, ebenso André Bucher im 800 Meterlauf 2001,
Bronze gewannen 1997 Anita Weyermann im 1500 Meterlauf
und 1999 Marcel Schelbert über 400 Meter Hürden. Darmstabilisator und Höhentraining Akribisch hat er sich auf diese
Weltmeisterschaft vorbereitet. Dazu gehörten auf Geheiß
seines Ernährungsberaters Christoph Mannhart Experimente
mit einem Darmstabilisator und Schleimlöser für die
Lunge, die gegen die extremen Bedingungen bei
Hitze und Luftverunreinigungen helfen sollen. Diese
medizinischen Experimente vertrug er gut, aber sie seien
für ihn grenzlastig. Zuviel Medizin wolle er seinem
Körper nicht aufzwingen. Ohne Fleiß keinen Preis:
Trainingswochen mit bis zu 13 Einheiten und 230
Kilometern im Winter pro Woche im Hochland von Kenia in
der Trainingsgruppe um den New York und zweifachen London
Marathon Sieger Martin Lel und im Sommer in St. Moritz.
Er absolvierte ein zweieinhalbwöchiges Abschlusstraining
im japanischen Kobe, nahe Osaka, um sich an die Hitze vor
Ort und direkte Anreise ohne Zeitzonenwechsel zu
gewöhnen. Mit rund 30 Grad Celsius und einer Luftfeuchte
um 70 Prozent warteten die extremsten Bedingungen auf die
rund 90 Starter, von denen 28 ausstiegen. |
Viktor
Röthlin zeigt, dass weiße Läufer durchaus eine Chance
haben |
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Wunschdenken
und Träume leben Auf seiner Homepage http://www.viktor-roethlin.ch steht sein Motto: "If you can dream it, you can do it" ("Was man träumen kann, kann man auch erreichen"). 2005 träumte er vor dem New York Marathon von Platz sechs und wurde Siebter. Letztes Jahr realisierte er seinen erträumten Platz zwei bei der Europameisterschaft und er träumte in diesem Jahr auch von seinem Zürich Marathonsieg in Schweizer Rekord. "Ich träume relativ viel und jetzt ist es Wirklichkeit!" sagte er nach seinem Lauf im Schweizer Fernsehen. Es war ein hartes Stück Arbeit, denn Talent und Training alleine reichen nicht aus. Als der Japaner Ogata, der WM Dritte von 2005, unter den Begeisterungsstürmen des heimischen Publikums den Schweizer überholte und dieser auf Platz sechs zurückfiel, glaubte er zunächst nicht mehr an einen Podiumsplatz, sondern eher daran nach hinten durchgereicht zu werden. Doch dann bewies er Willensstärke. Mit "Jetzt klemm Dir..., auf Deutsch gesagt, ...nochmal in den Arsch!" konnte er sich nochmals aufrappeln und Platz um Platz gut machen. Letztlich machte er auch in Osaka seinen Traum wahr: Bronze bei der Weltmeisterschaft in 2:17:25 und nur sieben Sekunden hinter dem hitzeerprobten Weltjahresbesten und Paris Marathon Sieger Hassan Shami. Der Goldmedaillengewinner Luke Kibet, ein Gefängniswärter aus Kenia, der sich ebenfalls bei Hitze in diesem Frühjahr in Wien durchsetzte, war aber außer Reichweite! 20.000 Dollar Prämie und Boni von seinen diversen Sponsoren sind für Röthlin der verdiente Lohn knallharter Arbeit. Seinem Trainingspartner Daniel Brodard, der extra unbezahlten Urlaub nahm, wird Röthlin den Lohnausfall ausgleichen. Viktor Röthlin in den Nandi Hills/Kenia (Bild: www.viktor-roethlin.ch) Nichts dem Zufall überlassen Der Physiotherapeut schrieb seine Diplomarbeit über "Aqua Fit - Ein ideales, präventives Herz- Kreislauftraining oder Fitnesstrend?" Röthlin überließ nichts dem Zufall. Vor dem Rennen trug der Tüftler eine Kühlweste. Für den Lauf ließ er sich spezielle Schuhe aus atmungsaktivem Material anfertigen. Das Finale des Marathons, seine Spezialität, denn noch nie wurde er auf den letzten Kilometern überholt, übte er auf seine Art in St, Moritz. Auf Anraten des Nationaltrainers Fritz Schmocker schloss er seine langen Läufe über 30 bis 35 Kilometer mit einem 5x1000 Meter Bahntraining ab. So rannte der Schweizer in Osaka die letzten 2,195 Kilometer rund zwanzig Sekunden schneller als die anderen Spitzenläufer. "Ich sah aus wie eine Leiche" Im Rennen hielt er sich anfangs betont zurück. "Ich lief nur mit der Spitzengruppe. Bei Kilometer 35 wurden de Bedingungen unerträglich. Als ich aber unterwegs sah, dass angesichts der Temperaturen auch Afrikaner blass werden, glaubte ich an meine Chance. Bei Kilometer 40 rief mir ein Trainingkamerad zu, dass die weiter vorne nicht mehr gut aussähen und Bronze drin wäre. Da gab ich alles, machte mir aber in Japan nicht nur Freunde, da ich auf dem Weg zur Medaille einen Japaner überholte." So der Schweizer im Fernsehinterview über den Rennverlauf in der entscheidenden Phase. Auf den letzten Kilometern kämpfte er sich auf einen Podiumsplatz vor. Hinterher war er erschrocken, als er Bilder von seinem Zieleinlauf sah. "Mein Gesicht war weiß, ich bestand nur noch aus Knochen. Ich war fast tot und sah aus wie eine Leiche!" Drei Wochen Pause, ohne Laufschuhe, hat er sich vorgenommen. Für sein nächstes Traumziel die Olympischen Spiele 2008 in Peking dürfte er sich nun auch in Ruhe vorbereiten können. In Sidney landete er im Jahr 2000 auf Platz 36. Doch der Schweizer hat sich in der Weltspitze etabliert. Die Weltmeisterschaft in Osaka war eigentlich nur als Test geplant, aber diese Generalprobe hat Röthlin bereits mit Bravour bestanden. * Am 17.2.2008 siegte Röthlin in Tokio in neuem Schweizer Rekord von 2:07:23 Stunden und wurde dadurch ein ernsthafter Medaillenkandidat auch für die Olympischen Spiele in Peking. |
Portrait Viktor Röthlin
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Viktor Röthlin mit Lungenembolie nach Trainingslager in Kenia (15.-25.3.2009)
Lungenentzündung und die zweite Lungenembolie! Der London Start fällt für Viktor Röthlin aus. Der Schweizer hofft auf den Herbst.
(Foto, Copyright Herbert Steffny)Die Saison 2009 startete nicht gut für den schweizer Marathonläufer Viktor Röthlin. Im letzten Jahr noch Olympia Sechster und zweitschnellster weißer Marathonläufer der Saison 2008 mußte er bereits im Januar seinen Trainingsaufenthalt im kenianischen Hochland in Eldoret wegen einer Grippe verschieben. Beim Halbmarathontest im Februar in Ras Al Kaimah, für den Röthlin seinen Keniaaufenthalt unterbrach, mußte der 34-Jährige das Rennen aufgrund von Magenbeschwerden vorzeitig beenden. Anfang März reduzierte der Schweizer Rekordhalter (2:07:23 Stunden) aus Alpnach im Kanton Obwalden bereits sein Höhentraining wegen einer Entzündung im Fuß. Geplant war ursprünglich, dass Viktor Röthlin noch bis zum 20. März in Kenia trainiert. Doch vorzeitig ist er mit Verdacht auf eine Lungenentzündung vom Trainingslager in Kenia zurückgekehrt. Er habe im Training Atemnot gehabt und Blut gehustet. Medizinische Tests in der Schweiz ergaben, dass der WM-Dritte von Osaka 2007 neben der Lungenentzündung Wasser in der rechten Lunge aufgrund einer Lungenembolie hat. Ursache soll eine losgelöster Thrombus (Blutgerinnsel) im Bereich der rechten Beckenvene gewesen sein, was wiederum eine Folge des Rückflugs aus Ras Al Kaimah sei. Während des Fluges habe Röthlin fünf Stunden in einer Vierer-Reihe "eingepfercht" gesessen. Nun gab es eine erneute Lungenembolie, die aber invasiv mit einem Katheter behandelt wurde. Beim ersten Mal schluckte der Schweizer noch Antibiotika und sein Blut wurde medikamentös verdünnt, was scheinbar fehlschlug. Embolien können übrigens auch bei vermehrter Produktion von roten Blutkörperchen wie z.B. beim Höhentraining entstehen und wenn man zuwenig trinkt. Der Start beim London Marathon und der geplante Angriff auf den Europarekord am 26.4.2009 ist wegen eines erneuten vierwöchigen Trainingsverbots nun natürlich endgültig passé. Röthlin hofft noch auf einen Herbststart.