Interview: Viktor Röthlin

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Copyright, Text, Fotos: Herbert Steffny

Viktor Röthlin - Vorbereitung auf Tokio und Olympia 

(26.2.2008 - gleichzeitig für Laufmagazin Spiridon Heft 3/2008)

Interview mit Viktor Röthlin


Nach seinem Sieg in Tokio hat
Viktor Röthlin gut lachen und ist
ein heißer Medaillen Kandidat für
die Olympischen Spiele in Peking.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Bereitwillig, geduldig, fast etwas
schüchtern stellte sich der Schweizer Rekordmann der Presse.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Röthlins Marathonläufe:
2:13:36 12 Hamburg 25.4.1999
2:12:53   Rotterdam 2000
2:20:06 36. Sydney OS 2000
2:10:54 8. Berlin 2001
2:16:16 16. München EM 2002
2:11:05 2. Zürich 13.4.2003
2:11:14 14. Paris WM 30.8.2003
2:09:58 1. Zürich 4.4.2004
2:11:00 4. Zürich 3.4.2005
2:11:44 7. New York 6.11.2005
2:11:50 2. Göteborg EM 13.8.2006
2:17:25 3. Osaka, WM 25.8.2007
2:08:20 1. Zürich 1.4.2007
2:07:23 1. Tokio 17.2.2008
       


Viktor Röthlin - Foto, Copyright: Herbert Steffny
Vor Haile hat Röthlin in Peking mehr Angst als vor den Kenianern.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)



Ein Gläschen Wein darf schon mal sein - bei der Pressekonferenz
war es natürlich Wasser!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Victorious Viktor! Nach dem Sieg beim Tokio Marathon in der Rekordzeit von 2:07:23 Stunden hat die Schweiz einen neuen Superstar! Im letzten Jahr wurde er bei der Schweizer Wahl zum Sportler des Jahres zwar nur Zweiter, aber hinter keinem Geringeren als dem gerade zum vierten Mal in Serie zum Weltsportler des Jahres gekürten Tennis-Ass Roger Federer. Der viertschnellste nichtafrikanische Marathonläufer des Jahres 2007 Viktor Röthlin sucht den Vergleich mit den Besten. Er ist mit 33 Jahren im besten Marathonalter. Der Schweizer hatte sich mit dem Tokio Marathon im Februar im Lande seines Schuhsponsors bewusst einen frühen Saisontermin ausgesucht, denn Hauptziel für die Saison 2008 bleibt natürlich der Start über die 42,195 Kilometer lange Strecke bei den Olympischen Spielen in Peking am 24.8.2008, für die er schon vor seinem sensationellen Sieg qualifiziert war. In Japan sei er seit seinem dritten Platz 2007 bei der Weltmeisterschaft in Osaka ein "heißer Kandidat" und daher auch sofort eingeladen worden. Röthlin hatte im Finale der WM noch die drei Japaner Tsuyoshi Ogata, Satoshi Osaki und Toshinari Suwa hinter sich gelassen, die die Plätze fünf bis sieben belegten. Man hoffte in Tokio vielleicht auf eine Revanche, die aber nicht gelang.

Jetzt klingelt die Kasse

Er ginge nach Tokio, "um 100-prozentig zu laufen. Wenn ich bestimmte Zeiten erfülle (unter 2:12) und gut laufe dann klingelt auch die Kasse!" so der aus dem Kanton Obwalden kommende Athlet auf Anfrage über sein von Marathon Manager Frederico Rosa ausgehandeltes individuelles Startgeld und Bonussystem, was ihm zusammen mit dem Preisgeld abzüglich 15 Prozent für den Manager ein sechsstelliges Sümmchen einbrachte. Warum auch nicht? Röthlin ist gelernter Physiotherapeut, aber schon lange Vollzeitprofi und die Früchte langer Arbeit beginnen sich auszuzahlen. Die Sponsoren Raiffeisen, Asics, Post und Helsana haben teilweise ihre Verträge aufgestockt und seit 2007 wird Röthlin vom Management des Leichathletik Sportfests "Weltklasse Zürich" vermarktet. Beste Voraussetzungen sich nur noch auf den ganz großen Sport zu konzentrieren, statt kleine Cityläufe wegen des täglichen Lebensunterhalts abklappern zu müssen. An vier Läufen des Postcups 2008 (Bern, Basel, Bulle und Zürich) wird Röthlin aber dennoch vor heimischem Publikum starten. Der Schweizer wollte nach seinen Worten "in Tokio wissen, was passiert, wenn er hinten raus gefordert wird". Sein Ziel war eine Top-Drei-Platzierung, nach seinen Worten eine Probe für Peking. "Rund zwanzig Aspiranten kämen für den Olympiasieg in Frage", so der für den STV Alpnach startenden Röthlin. Nun haben auch die anderen ihn auf der Favoritenliste.

Sieg und Rekord mit Plan F und ohne Höhentraining

Die letzte Trainingsphase war für den Schweizer alles andere als einfach. Normalerweise lief die Marathonvorbereitung für Röthlin über Höhentrainingslager in Kenia und St. Moritz. Im Winter vor der WM 2007 lief er im Hochland von Kenia Trainingswochen mit bis zu 13 Einheiten und 230 Kilometern in der Trainingsgruppe um den New York und zweifachen London Marathon Sieger Martin Lel. Im Sommer trainierte der Schweizer zuhause in St. Moritz im Oberengadin. Doch in diesem Winter fiel das Trainingscamp in Kenia durch die politischen Unruhen nach der Präsidentschaftswahl schon nach einer Woche aus. Der damit verbundene Reisestress und die Klimazonenwechsel verunsicherten den Marathonmann weiter. "Nach Plan A kam Plan B und nun bin ich schon längst bei Plan F angelangt, der verrücktesten Vorbereitung auf einen Marathon, die ich bisher gehabt hatte." Aber er habe "die notwendige Stabilität und die Balance zwischen Umfang und Intensität gefunden", so Röthlin zuversichtlich bei der Pressekonferenz 10 Tage vor Tokio beim Sponsor Helsana Krankenversicherung in Stettbach bei Zürich, für die er als "Bewegungsbotschafter" unterwegs ist. Der Konzern macht sonst einen weiten Bogen um den Spitzensport. Röthlin entschloss sich nach der Rückkehr aus Kenia notgedrungen im Januar auf Höhentraining zu verzichten und sich zuhause in der Schweiz und in Andalusien vorzubereiten. Einen Abschlusstest beendete er bei einem Halbmarathon im spanischen Almeria in 63:33 Minuten als zufriedener Dritter. Der 1.70 Meter große und 60 Kilogramm wiegende Röthlin wirkte entschlossen und austrainiert: einen Körperfettwert von unter fünf Prozent bestätigte die Caliperzange. Das ungewohnte Abenteuer "Plan F" endete für den eher als akribischen Tüftler bekannten Röthlin mit Hausrekord und Sieg in Tokio. Dass es ohne Höhentraining sogar noch besser laufen kann, haben vor Röthlin auch schon andere bewiesen, so z.B. die Tegla Loroupe, die sich in Detmold statt zuhause in Kenia auf ihre Marathon Weltrekorde vorbereitete.

Interview zur Vorbereitung auf Tokio und Peking

Herbert Steffny sprach vor dem Tokio Marathon mit dem sympathischen Schweizer Ausnahmeläufer über seine Vorbereitung:

Du legst viel Wert auf akribische Planung. Dieses Mal mußtest Du Dich ohne den sonst für Dich üblichen Keniaaufenthalt auf Marathon vorbereiten. Glaubst Du wirklich an das Höhentraining oder ist das nicht auch eine Art "mentales Doping"?

Die vermehrte Blutbildung ist nur ein Aspekt. Das Höhentraining bedeutet für mich auch Training mit anderen guten Trainingspartnern wie den Kenianern. Dazu kommt die motivierende Atmosphäre in St. Moritz oder Kenia. Im Sommer ist es im Engadin auch klimatisch günstiger. In Tokio wird es nun ohne Höhenaufenthalt für mich spannend werden.

Ist es nicht sogar ein Vorteil im sauerstoffreicheren Tiefland etwas intensiver trainiert zu haben?

Ich trainiere normalerweise in einem 14 Wochen Zyklus. Davon 12 Wochen speziell auf den Marathon, dann folgen zwei Wochen Tapering. Statt durchschnittlich 218 kam ich in den letzten 12 Wochen nur auf 206 Kilometer. In der Tat habe ich dabei etwas intensiver trainiert. Dabei laufe ich beispielsweise 10 mal 1000 und 3 mal 5000 Meter oder 20 Kilometer in 3:10 Minuten pro Kilometer Tempo. Vor Osaka habe ich nach langen Läufen auf der Bahn Intervalltraining gemacht, dieses Mal waren es lange Läufe mit Endbeschleunigung, um mich auf das Finale in Tokio, den Kampf Mann gegen Mann vorzubereiten..

Wie gestaltest Du die letzte Phase vor dem Marathon? Machst Du eine besondere Diät?

Mein letzter langer Lauf über 30 Kilometer in 1:44 Stunden war diesmal zwei statt drei Wochen vor dem Marathon. Eine Woche vor dem Rennen laufe ich noch einmal 25 Kilometer und esse danach wenig Kohlenhydrate. Am Dienstag vor dem Rennen trainiere ich 6,5 Kilometer im Marathontempo. Ich esse eigentlich gerne Schokolade. Die verbiete ich mir dann schon, trinke aber noch mal ein Glas Wein.

Bereitest Du Dich auch mental z.B. durch schwierige Aufgaben auf den Marathon vor?

Ich benutze Trainingspartner, die mich fordern weiter zu gehen, als ich das alleine könnte. Das Geheimnis liegt darin Kenianer so zu benutzen, dass sie dich nicht umbringen. Gezieltes Mentaltraining mache ich nicht. Versagens- oder Prüfungsangst kenne ich nicht. In solchen Situationen habe ich mich vielmehr immer gefreut zu zeigen was ich kann.

Wie sieht Deine Planung im Hinblick auf den Olympischen Marathon am 24. August aus?

Ich habe den frühen Tokio Marathon bewußt ausgewählt, weil dann noch ein neuer Aufbau bis Peking machbar ist. Zwei Marathons auf hohem Niveau sind im Jahr möglich und ich will in Tokio zu 100 Prozent laufen. Im letzten Jahr spürte ich im Juni immer noch die Nachwehen vom Zürich Marathon vom Anfang April. Im März plane ich ein Trainingslager in Spanien. Einige kürzere Stadtläufe wie Luzern, Bern und Kerzers sind bereits fest eingeplant. Im Sommer werde ich mit meinem kenianischen Laufpartner Abraham Tandooi, der dann bei mir wohnt, nach dem Luzerner Stadtlauf ins Höhentraining nach St. Moritz gehen. Nach dem Tokio Marathon schaue ich mich noch für sechs Tage in Peking um. Dort soll es auch gute Trainingsmöglichkeiten für die unmittelbare Akklimatisation vor dem Olympiastart geben.

Wer sind für Dich die Favoriten in Peking?

Angesichts der vergleichbaren Wärme sind die Ersten von der WM in Osaka auch in Peking ganz heiße Eisen. Auch ich gehöre zu den Kandidaten, die eine Medaille gewinnen können. Zu nennen sind auch Titelverteidiger Stefano Baldini oder Julio Rey. Die Kenianer haben mit Martin Lel, Paul Tergat, Samuel Wanjiru, Robert Cheruiyot eher ein Luxusproblem. Aber Äthiopien wird alles auf Haile ausrichten. Davor fürchte ich mich mehr als vor den Kenianern.

Ausführliches Portrait Viktor Röthlin von 2007

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