Ratgeber: Marathonlauf bei Hitze

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Copyright: Herbert Steffny

Laufen bei Wärme und Marathon bei Hitze

Frage von Bernd aus Freiburg:

Hi Herbert,

aus aktuellem Anlass (der Hitze-Marathon in Rotterdam) und dem bevorstehenden Wochende in 9 Tagen (ich laufe in Wien, ein Freund in Hamburg) an Dich mal wieder eine Frage und zwar, ob Du einen Tipp hast, wenn die Temperatur - wie angekündigt - bei ca. 23°-25° liegen wird, selbst bei einem Start um 09.00 Uhr (zum Glück nicht erst um 11.00 wie in Rotterdam), wie man sich verhält was Renneinteilung angeht. Ich habe bereits 5 Marathons hinter mir, dazu ein nunmehr 4 jähriges Aufbautraining und wollte in Wien unter 3 h 15 laufen (vor 2 Wochen in FR 1h 29´36 beim HM).

Konkret : gibt es eine Faustregel, wieviele Minuten auf die Endzeit gerechnet man langsamer angehen soll, wenn die Temperatur über sagen wir mal 18° liegt ? Beck schreibt was von 2 Minuten pro Grad über 18 °, das scheint mir sehr viel, will es nicht glauben, aber vielleicht stimmt es ja leider ? Danke Dir für einen sicherlich fundierten Tipp und liebe Grüße aus Freiburg in das vermutlich angenehmere, heute morgen vielleicht sogar frostige Hinterzarten.
liebe Grüße

Bernd

Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Bernd,

bei Wärme oder Hitze läuft man aus verschiedenen Gründen langsamer. Das Blut ist vermehrt auch in der Haut, um Wärme abzuführen und fehlt dann in der Muskulatur und es wird zu leistungsvermindernden Wasseraufnahmen (Blut ist dadurch zur Verdauung vermehrt im Darm, Seitenstechen, "Gluckern" im Bauch usw..) kommen. Die mögliche Leistung bei Wärme hängt aber auch von anderen Faktoren und der richtigen Taktik ab, wie Trinkverhalten, Getränk, Wasser überschütten, Kleidung usw.. Bei großen Fehlern hierbei kann das zu erheblichen Leistungseinbußen, Krämpfen, Aussteigen oder Hitzschlag usw. führen. Macht man in diesem Bereich alles optimal, so ist die Leistungseinbuße wesentlich geringer. In New York 1984 wurde es beispielsweise im Spätherbst bis zu 25 Grad bei hoher Luftfeuchte. Scheinbar habe ich taktisch alles richtig gemacht (ich war immer ein ausgesprochener Hitzespezialist), denn die Bedingungen haben mich höchsten drei Minuten gekostet und ich wurde damals sensationell in meinem erst dritten Marathon Dritter.

Eine pauschale Formel zur Leistungsminderung kann man dazu aus meiner Sicht also gar nicht angeben und auch keine genaue Grenztemperatur, ab der Leistungseinbußen zu befürchten sind. Warme Temperaturen von z.B. 20 Grad sind im Frühjahr bei höherem Sonnenstand und Strahlung unangenehmer als im Herbst, da man durch den Sommer wesentlich hitzefester geworden ist. Nach meiner Meinung sind Temperaturen von 5 bis 15 Grad Celsius optimal. Dann ist es noch ein Unterschied, ob die Luftfeuchte bei gleicher Temperatur unangenehm hoch oder eher niedrig ist. Hinzu kommt, dass verschiedene Individuen, genetisch bedingt, unterschiedlich hitzefest sind. Es gibt eben "Viel- oder Tropfschwitzer" und ökonomischere "Feuchtschwitzer", die nur einen feuchten Schweissfilm auf der Haut habe. Der Schweiß wird dadurch komplett unter Kühlung verdunstet (Verdunstungskälte), statt wie bei Ersteren teilweise nutzlos auf den Boden zu tropfen. Das ist zwar auch trainierbar (z.B. Saunagänge, zwei Trainingsanzüge beim Dauerlauf übereinander anziehen, rechtzeitige Hitzeakklimatisation durch Anreise), aber die individuellen genetischen Unterschiede werden bleiben. Im Zweifelsfall sollte ein "unökönomischer Schwitzer" eben Hitzerennen meiden oder die Erwartungen und damit das Tempo eben erheblich reduzieren.

Man wird umso besser in der Wärme klar kommen, je besser die Grundlagenausdauer trainiert wurde. Wer beispielsweise den Honolulu Marathon in den Tropen vorbereitet, sollte v.a. Kilometer und lange Läufe gemacht haben, Tempohärte spielt bei Hitzeläufen nur eine geringere Rolle. So kann eine Temperatur von 25 Grad einen hochtrainierten erfahrenen und talentierten Spitzenläufer, der auch taktisch alles richtig macht, "nur" 3-10 Minuten im Marathon kosten, während dieselben Bedingungen bei einem schlechter trainierten Freizeitläufer schon 20 bis 40 Minuten ausmachen können oder sogar Aufgeben zur Folge haben können. Eine simple Formel hätte alle über einen Kamm geschert.

Wenn man selbst nicht genügend Erfahrung beim Hitzeläufen hat, sollte man sich an der Herzfrequenz orientieren. Im Marathon würde man bei Wärme dieselbe Herzfrequenz laufen, die man sonst beim Training des Marathontempos bei kühleren Bedingungen hatte. Ist es zu Beginn kühler, startet man durchaus ein wenig flotter, um in der Mittagswärme später dann (geplant) das Tempo etwas (bei höherer Wärmebelastung) rauszunehmen. Insgesamt lohnt es sich bei Hitzeläufen immer viel vorsichtiger anzulaufen und lieber hinten raus noch Reserven zu haben. Bestzeiten kann man meistens ohnehin vergessen.

Auf die Taktik, Vorbereitung und detaillierten Maßnahmen vor und im Rennen für Hitzeläufe und Laufen bei Wärme im Sommer gehe ich ausführlich in meinem "Großen Laufbuch" ab Seite 305ff. ein. Viel Glück beim (Wärme-) Marathon wünscht

Herbert Steffny

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