Ratgeber: Puls zu hoch im Wettkampf?

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Ist mein Puls beim Wettkampf zu hoch?

Frage von Torsten:

Hallo Herr Steffny,
zuerst einmal ein Kompliment für Ihre Web-Site mit all den nützlichen Tips - Ein echt guter Service. Bisher konnte ich mir Einiges aus dem Frage- Antwortteil herleiten, was speziell auch auf mich zutraf. Eine Sache quält mich aber seit einiger Zeit, wozu nicht einmal ein sportmedizinischer Belastungstest Aufschluss gab, die ich Ihnen gern schildern möchte und hoffe, dass Sie eine Erklärung für mich haben.

Ich bin 34 Jahre, 1,80m groß und bringe 87kg auf die Waage. Im April 2005 habe ich mit dem Laufen angefangen und mich relativ schnell an das Durchlaufen von 5km Distanzen gewöhnt. Innerhalb weniger Wochen steigerte ich meinen Trainingsumfang auf 20 bis 30 Wochenkilometer. Vorher hatte ich in der Regel nur Schnellkraft - Sportarten betrieben. Mein Ziel war zu Beginn in erster Linie Fitness durch Ausdauersport zu erreichen. Ich machte schnell Fortschritte und es entwickelte sich im Laufe der Zeit ein richtiges Gefallen an dieser wunderbaren Sportart. Im Oktober 2005 lief ich das erste mal überhaupt unter Wettkampfbedingungen beim Dresden Marathon einen Halbmarathon. Ich kam auch gleich ganz gut durch. Nur eine Sache hatte mich beunruhigt. Mein Puls lag permanent über 190 und ich musste immer wieder aus Vernunft drosseln, obwohl noch Kraft zur Verfügung stand. Ins Ziel lief ich dann mit einem Puls von sage und schreibe 200 ein. Ich benutze ein aktuelles Modell von Polar, welches mit codiertem Signal doch recht zuverlässig auch in der Gruppe funktionieren soll. Bei vergleichbaren Testläufen im Training über 18km lief ich im mittleren Bereich von 170 mit kurzzeitigen Anstiegen auf max. 185. Klar ist man das erste Mal beim Wettkampf aufgeregt. Trotzdem war mir klar, dass diese Pulswerte auf Dauer nicht gesund sein können und ich lies einen Belastungstest mit Laktatmessung durchführen. Die Auswertung des Fahrradergometertests ergab, dass die anaerobe Schwelle bei Puls 144 mit Laktat 4,0 mmol/l lag. Bei Trainingsläufen kann ich mich bei Pulwerten bis 150 auch ganz gut noch unterhalten ohne dabei außer Atem zu gelangen. Bei Puls 188 lag bei diesem Test der Laktatwert bei 12,0 mmol/l.

Bisher bin ich 2 HM-Läufe und einen 10km Lauf im Wettkampf gelaufen und immer hatte ich die gleichen utopischen Pulswerte. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie man bei Laktatwerten > 12,0 eine Distance von 21km in 2 h zurücklegen kann. Auch bei guter Laktatverträglichkeit ist das wohl Irrsinn, oder? Weiterhin stellte die Sportmedizin fest, dass eine leicht verminderte rechte Herzklappenfunktion vorherrscht, was aber unter normalen Lebensbedingungen völlig uninteressant wäre. Das EKG zeigte eine intakte Herzfunktion in Ruhe und unter Belastung ohne Schlagrhythmusabweichungen. Als Hinweis auf eine Verbesserung der Grundlagenausdauer wurde das etwas verzögerte Abfallen der HF während der Entspannungsphase bemerkt.
Mir ist schon klar, dass nach so kurzer Trainingzeit die Grundlagenausdauer erst mal weiter geschult werden muss, aber wieso treten die Symptome der hohen HF nie beim Training auf, jedoch bisher immer beim Wettkampflauf? Sollten 20 Schläge mehr wirklich nur durch Aufregung entstehen und wie sollte man in meinem Alter mit diesen hohen Pulswerten umgehen. Sollte man in dem Fall im Wettkampf etwa Medikamente wie z.B. Betablocker einsetzen, um das Herz zu schonen. Wo müsste in meinem Fall eigentlich der Ruhepuls liegen, die letzte Messung ergab 54, der Polarmesser hat den Fitnesstest mit gut bewertet.

Ich danke Ihnen im Voraus, dass Sie sich für mich etwas Zeit nehmen.
Sportliche Grüße
Torsten


Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Torsten,

natürlich bin ich kein Arzt und kann nur empfehlen sich eine fundierte (Zweit-)Meinung in einem etablierten Sportmedizinischen Institut einzuholen. Wichtig wäre, dass dieser Test auf einem Laufband durchgeführt wird, also sportartspezifisch! Beim Fahradergometer ist in der Tat der Puls niedriger, da weniger Muskulatur eingesetzt wird. Es wäre natürlich wichtig zu wissen, ob die Herzfunktionen wirklich in Ordnung sind. Inwieweit "Nervosität" bei Dir den Puls im Rennen noch weiter nach oben treibt, kann ich nicht beurteilen. Wäre aber denkbar.

Ein wenig ist das bei Dir auch noch ein Kopfproblem. Zunächst einmal ist ein Maximalpuls von 200 keine beänstigende Sache. Ich komme mit 53 Jahren auch noch bis 196 und würde nie auf die Idee kommen pulssenkende Beta-Blocker zu nehmen. Das kann individuell eben so sein und ist nicht unbedingt "utopisch"! Das schildere ich auch im
"Großen Laufbuch" ausführlich. Beim Wettkampf mobilisiert man zudem mehr Adrenalin und Leistungsreserven, sodass Du da vielleicht erst an Dein Limit kommst. Die Standardpulsformeln gelten nicht für alle!!! In der Tat sind Deine Puls- und Laktatwerte offenbar sehr hoch (zumindest in der Endphase). Aber es gibt "Ausreisser", bei der die klassische Methode der Maximalpulsberechnung und auch selbst bei der Laktatmessung (auch auf dem Laufband) zu falschen Belastungszonenempfehlungen führen kann. Nimmt man 200 als Deinen Maximalpuls (möglicherweise ist der auch noch höher?), so könnte die anaerobe Schwelle bei ca. 180 liegen. Das passt schon eher den Werten, die Du beim Training und Wettkampf beobachtest. Auch die Laktatmessung ist nicht der "Goldstandard" der Leistungsvorhersage und Trainingssteuerung. Hier können einige wenige abweichende Individuen durchs "Standardraster" fallen. Offenbar können manche Läufer (muskulösere Typen mit mehr FT-Fasern, also schnelleren Fasern "Sprinter- und Krafttypen", was Du auch von Dir geschildert hast) bei höheren Laktatwerten als 3 bis 4mmol/l sogar einen Marathon durchlaufen. Da hilft dann fast nur (wenn man kerngesund ist) Ignorieren von Laktatvorgaben und aus den Wettkampfresultaten nach Geschwindigkeit (z.B. nach Zeit/km) zu trainieren, wie ich das in meinen Büchern in den Tabellen empfehle. Man sollte also parallel nebeneinander mehrere Methoden verwenden. Fakt ist nun mal, dass Du offenbar bei diesen Pulswerten durchlaufen kannst. Die Methodik, Störung etc. sollte natürlich ausgeschlossen sein. Das von Dir verwendete Gerät sollte eigentlich Störungen ausschliessen. Aber gehe da nochmal akribisch durch! Und mache nochmal einen Laufbandtest!

Keep on running

Herbert Steffny

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