Ratgeber: Lauftraining im Alter

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Copyright: Herbert Steffny

Laufleistung und Marathontraining im Alter

Frage von Gerhard K.:

Hallo Herr Steffny,

ich laufe seit ca. 30 Jahren, bin jetzt 61 Jahre alt und kann auf eine Marathonzeit von 3:26 und eine 10-km-Zeit von 36:18 (in 1987) zurückblicken. Im Jahre 2002 bin ich den 10.000 noch in 42 Min. und den Halben in 1.39 gelaufen. Das wird nun jedes Jahr schlechter. Obwohl ich 2006 und 2007 in Hellersen bei  Dr. Jacob zur Leistungsdiagnostik war und mich strikt an Ihre und anderer Experten Vorgaben halte (GA1 bis Tempo), seit 10 Jahren keinen Alkohol trinke, Laktovegetarier bin und nie geraucht habe, lege ich mit jedem Jahr eine bis zwei Minuten auf das Tempo des Vorjahres drauf. (gegenwärtig HM 1:45, 10 km 45 Min.). Das hat zum einen altersbedingte Ursachen (Schadstoffanreicherung in Muskeln, Organen und Gelenken, niedriger Testosteronspiegel usw.), zum anderen spielt meine Hepatitis C mit dem agressiven Genotypen 1b auch eine bedeutende Rolle im Alter. Der Genotyp des Virus ist jedoch ein Indiz dafür, dass ich schon 1987 infiziert war.

Nun stelle ich fest, dass Ihre Anleitungen zum Schnellerwerden und beispielsweise zum HM unter 1:40 von einem rein mechanistischen Menschenbild ausgehen. Die biomedizinischen Veränderungen im Alter machen Ihren mathematischen Gleichungen leider einen Strich durch die Rechnung. Alter, Vorgeschichte, chron. Erkrankungen, Gelenkbeschwerden, Fussdeformation und andere gerontologisch bedingte Degenerationserscheinungen werden in den Trainingstabellen gar nicht berücksichtigt, so dass sich ältere "runner" zwangsläufig mit falschen Erwartungen und Enttäuschungen herumschlagen .

Dabei rede ich hier von der Masse der Alterklassenläufer (..). Auf Ihre Antwort bin ich sehr gespannt.

Mit freundlichem Gruss: Gerhard K.

Antwort von Herbert Steffny:

Lieber Herr K.,

vielen Dank für Ihre Anregung. Dass man im Alter langsamer wird usw., weiß ich als früherer Weltklasseläufer selbst am besten... ;-)) Mit 34 Jahren 28:31 Minuten auf 10.000 Meter mit 50 Jahren "nur noch" 32:31 Minuten. Dieser Rückgang im Alter ist trotz Trainings aber vollkommen normal! Leider fällt es scheinbar manchen ehrgeizigen Altersklassenläufern an der nötigen Akzeptanz, dass das nun einmal so ist. Meine Pläne haben keine mechanistische Logik oder Formeln, die das Alter nicht berücksichtigen würde. Wenn man Marathon mit 60 Jahren läuft, kann man immer noch auf die Tabellen meiner Bücher zurückgreifen und von der aktuellen Halbmarathonzeit oder 10km Zeit beispielsweise auf die potentielle Marathonleistung hochrechnen und auf den entsprechend auszusuchenden Marathonplan zurückgreifen. Der wird dann auch langsamer sein als vor 10 Jahren, wo man auf 10km auch schneller war.

Ich weiß nicht welches Buch Sie von mir haben, aber vielleicht kennen Sie noch nicht mein
"Großes Laufbuch". In diesem umfangreichsten Buch ist auch ein ausführliches Kapitel über Senioren Training (S.250ff.), dass Ihre Aspekte bereits berücksichtigt und beleuchtet. Dort ist auch einen Tabelle mit dem zu erwartenden prozentualem Leistungsrückgang im Altersgang. Die Pläne im Buch beziehen sich, wie dort nachzulesen ist, ohnehin nicht auf 18-25-jährige Supertalente, sondern eher auf 30-60-jährige Normalläufer. Wird man älter und damit weniger leistungsfähig, stuft man sich anhand der Tabellen doch zwangsläufig auf die langsameren Pläne im Buch ein. Diese werden sanfter und dadurch automatisch auch immer altersgerechter.

Nachfolgend zur Illustration eine Grafik zum Leistungsrückgang im Alter, die ich bereits 2006 zusammengestellt habe. Eingetragen sind alle Altersklassenweltrekorde für Männer und Frauen (bzw. Jungen und Mädchen). Der 1,0 Wert gibt den Weltrekord bzw. den 100 Prozentwert vor. Ein 60-jähriger männlicher Alterklassenläufer der Weltspitze kann also offensichtlich immerhin noch rund 80 Prozent vom Weltrekord erreichen. Frauen haben hier historisch noch Nachholbedarf und sollten prinzipiell auch auf den 80 Prozent Wert kommen. Ein Normalläufer, der wie Sie schon lange dabei ist, kann von seinem eigenen früheren Leistungsvermögen, dass er für sich als 100 Prozent setzen könnte, ebenfalls davon noch rund 80 Prozent erwarten. Das setzt natürlich entsprechendes Marathontraining voraus, für das man sich den daraus errechneten Marathonplan aus meinem Laufbuch raussuchen kann.

Marathonleistung und Alter - Copyright Herbert Steffny - www.herbertsteffny.de

Ich verstehe meine Pläne ohnehin nur als Rahmenpläne. Im umfangreichen theoretischen Teil des "Großes Laufbuch" gebe ich eine ausführliche und allgemeinverständliche Anleitung die Trainingslehre zu verstehen, um das Konzept wie man selbst Pläne schreibt zu erlernen. Mein Anspruch ist, den Leser zu seinem eigenen Trainer zu machen. Jeder Läufer ist ein genetisches Individuum und er hat einen riesigen Vorteil gegenüber einem Trainer oder Trainingsplan, dass er nämlich in sich selbst drin steckt! Im besten Falle kann man mit know-how aus meinem Buch und (hoffentlich) Körpergefühl die Pläne leicht modifizieren und auf seine Individualität anpassen. Das sollte ein erfahrener Läufer nach einiger Zeit gut können. Ein Laufeinsteiger oder Marathondebütant wird zuvor aber wie in einem Kochbuch mit dem realistisch ausgesuchten "Rahmenplan" zunächst gut fahren.

An vielen Anfragen merke ich aber immer wieder, dass nicht wenige die theoretischen Teile nicht lesen, und dann die (lediglich fotokopierten?) Trainingspläne ohne Kontext nicht richtig verstehen bzw. falsch umsetzen. Zudem verstehen sich meine Pläne selbstverständlich auch nur für "normal gesunde Menschen". Medizinische Sonderfälle wie in Ihrem Falle Hepatitis C können auch in einem "Großen Laufbuch" nicht berücksichtigt werden, das gehört in die Hände eines lauferfahrenen Arztes.

Keep on alles - auch im Alter - aber moderater und mit Akzeptanz!

Herbert Steffny

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