Ratgeber: langer Lauf im Marathontraining - wie lang? |
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Langer Lauf - wie lange im Marathontraining ?
Frage von "Wunderläufer":
Sehr geehrter Herr Steffny,
In der Vorbereitung von Marathons sind generell keine Läufe länger als 3 Stunden Dauer zu finden, so auch nicht im "Großen Laufbuch". Warum? An anderer Stelle haben Sie auch noch erklärt, dass bei einer Dauer von über 3 Stunden der Körper anfälliger für Krankheiten sei, da nicht so resistent. Hängt das auch zusammen mit dem Tempo im Training, sprich: je langsamer ich laufe, desto unkritischer? Gleichzeitig jedoch sind viele Läufer beim Marathon selbst deutlich länger als 3 Stunden unterwegs. Wie passt das zusammen?
Viele Grüße
Antwort von Herbert Steffny:
Hallo "Wunderläufer",
an keiner Stelle habe ich jemals behauptet, dass lange Läufe über 3 Stunden im Marathontraining nicht vorkommen sollten und den Körper grundsätzlich anfälliger für Erkrankungen machen. Das behaupten manche Autoren und Orthopäden, was aber aus meiner Sicht aus jahrzehntelanger Trainerpraxis nicht unbedingt stimmt. Sie sehen es richtig: in der Tat ist das Tempo hier ausschlaggebend: der je höher die Intensität, desto mehr geht es auf das Immunsystem. Das gilt vor allem im anaeroben, "roten" Bereich. Orthopädisch belastend sind natürlich grundsätzlich längere Läufe, allerdings umso mehr, je schneller sie gelaufen werden. Soll heißen: Langsame lange Läufe sind, wenn sie vorsichtig gesteigert werden am unproblematischsten, schnellere lange Läufe (Halbmarathon als Testrennen), oder auch Crescendo (siehe "Großen Laufbuch" und auch in den Plänen) kommen daher nur bei schnellereren Plänen und dort auch erst in einer sehr fortgeschrittenen Phase vor.
Zur Dauer der langen Läufe in meinen Plänen: Haben Sie wirklich mein "Großes Laufbuch" genau studiert oder vertauschen Sie meine Pläne mit anderen? Auf Drei-Stundenläufe und mehr kommen Sie in meinen Plänen auf jeden Fall, denn rechnen Sie doch einfach nach. Hier 4 Beispiele und Erläuterung:
- Plan 4:45 (S.199): 30km x 7:00/km = 3:30 Stunden
- Plan 3:59 ("Großes Laufbuch" S. 203), 32km Lauf in der drittletzten Woche : 32km x 6:20 / km ergibt: 3:22 Stunden!
- Plan 2:59 (S. 211): 35km x 5:20/km = 3:06 Stunden, also sogar länger als 3:00 Stunden und sogar die Marathonlaufzeit!
- in meinem Plan für die Europameisterschaft 1986 finden Sie sogar einen 50km Lauf (S.217): 50km x 4:10/km = 3:38 Stunden.
Einige Erläuterungen zum Verständnis von langen Läufen im Marathontraining:
Die langsameren Läufer laufen beim längsten langen Lauf im Training nur etwa 75% der Dauer der beabsichtigten Marathonzielzeit. Grund: bei Ihnen ist das orthopädische Risiko erfahrungsgemäß am höchsten, daher erreichen sie beim langen Lauf nicht die Dauer der Marathonzielzeit, was aber trotzdem wegen Ausruhen, Adrenalin, Mitläufer, Publikum usw. hinhaut. Für sie ist in der Regel das Problem überhaupt 42,195 km am Stück ohne orthopädische Probleme laufen zu können.
"Profis", denen es nicht nur ums Ankommen geht, sondern die Bestzeiten jagen, riskieren orthopädisch und immunologisch zweifelsohne mehr und treiben einen sehr viel höheren Aufwand. Sie sind nicht nur erfahrener, sondern in der Regel auch orthopädisch robuster. Die Distanz von 42,195 km als solches ist für sie weniger das Problem, sondern eher den Marathon immer schneller und grenzlastig zu laufen!
Wichtig: Den angesprochenen Überdistanzlauf und auch die Crescendo Läufe, auch Endbeschleunigungsläufe genannt, kann man natürlich nur sehr erfahrenen und orthopädisch robusten Läufern in einer sehr fortgeschrittenen Phase empfehlen. Diese schnelleren Marathonläufer sollten selbstverständlich auch die ersten langen Läufe immer erst mal langsam, also eher als LSD = "long slow Distance" durchführen (siehe auch "Großes Laufbuch" S.92 und 231)
So, nun hoffe ich, dass das schon mal beim langen Lauf "weiter" (als drei Stunden) hilft. ;-))
Mit freundlichen und sportlichen Grüßen
Herbert Steffny
Dazu ähnliche und ergänzende Fragen:
Wie langen Lauf im Marathontraining gestalten?