Zürich Marathon
2009 |
Autor
und Copyright: Herbert Steffny
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Zürich Marathon -
Teilnehmer schauten in die Röhre
(von Herbert Steffny aus
Zürich - 26.4.2009)
Marathon Vortrag oder Workshop mit Herbert Steffny?
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Mussten Sie schon mal auf dem Weg in den Süden durch die Stadt Zürich fahren? Man hatte gar keine andere Wahl, wenn man beispielsweise ins Engadin fahren wollte. Das bedeutete Stau, Abgase und Frust und kostete seit Jahrzehnten Zeit und Nerven. Endlich ist nun die Umfahrung West mit dem brandneuen Uetliberg-Tunnel fertig gestellt worden. Anlass für ein mehrtägiges "Westfest" und die Chance einmalig diesen Streckenabschnitt unter dem Züricher Hausberg vor seiner Einweihung in die 7.Auflage des Stadt Marathons zu integrieren. Das ist nicht unbedingt neu, denn Tunnel Marathons gibt es beispielsweise schon unter der Elbe in Hamburg. Wer kein Klaustrophobiker ist, kennt vielleicht auch den Marathon in 700 Meter Tiefe im Salzbergwerk Sondershausen bei Erfurt. In Zürich nahmen jedenfalls 5.893 gemeldete Marathonis das Angebot an, immerhin vier Prozent mehr Teilnehmer als im Vorjahr. Beim größten Marathon der Schweiz beschränkt man sich erfolgreich auf die Kernveranstaltung mit 42,195 Kilometer, weitere Läufe gibt es nicht. Die Starter nahmen auch in Kauf, dass auf den ersten fünf Kilometern in der Röhre rund 70 Meter Steigung zu bewältigen waren, dann Kehrtwende und "downhill" nochmal zurück durch den Tunnel runter zum schönen Zürichsee, wo man wieder auf die alte flache Strecke einmündete. |
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Tückisches
Tunnel Timing Der
Startschuss erfolgte morgens um 8.30 Uhr
unmittelbar vor dem großen Tunnelschlund. Die
Bedingungen war mit rund 11 Grad und bedecktem Himmel
zunächst gut. Gegen Mittag wurden aber noch sonnige 20
Grad erreicht. Hell beleuchtet war die unteridische
Röhre, die Lüftung auf "volles Rohr"
gestellt, als sich der Läufer-Tatzelwurm in die große
Erdöffnung ergoß, in der es bisher noch nicht nach
Abgas miefte. Endlich nach rund 4,5 Kilometern sah man Licht
am Ende des Tunnels. Raus an die frische Luft
und zurück das Ganze im Eilschritt wieder talwärts. Der
moderne Verkehrsweg ist hier breit genug für
Begegnungsverkehr. Dieser Streckenabschnitt war
allerdings nichts für unerfahrene Läufer. So kam es zum
Kontrollverlust für Hightech Runner. Nicht wenige
beklagten sich hinterher über den Ausfall ihres
GPS Systems im unterirdischen Bereich, womit man
natürlich rechnen konnte. Wohl dem der sich
konventionell auf die bewährte Kontrolle nach
Zwischenzeiten und/oder Herzfrequenz verließ. Ähnlich
New York, wo es am Anfang bergan über die Verazzano
Bridge geht, überzogen zu Beginn nicht wenige. Andere
versuchten auf dem abfallenden Streckenteil Gas zu geben,
um die bergauf verlorene Zeit so schnell wie möglich gut
zu machen. Konsequenz: dicke Beine unten am See. Debütant Tadese schlägt den Titelverteidiger An der Spitze liefen rund 15
Afrikaner zunächst ein Tempo auf 2:08 Stunden, darunter
nur ein Europäer, der Vorjahressieger Oleg
Kulkov aus Russland. Der Streckenrekord von Viktor
Röthlin (2:08:20 Stunden) schien zeitweilig in
Gefahr. An der Halbmarathon Marke am Seeufer Richtung
Rapperswil ging die Spitzengruppe in 64:33 Minuten durch.
Nach dem Wendepunkt in Meilen wurde das Tempo aber etwas
langsamer. Jetzt zeigte sich die schweizerische Weltstadt
von der schönsten Seite. Die Sonne kam heraus und ließ
die noch reich mit Schnee gedeckten Alpengipfel
majestätisch über dem See erstrahlten, soweit man
überhaupt noch ein Auge dafür hatte. Die Kreuzschiffe
luden zu einer idyllischen Ausflugsfahrt ein und Familien
fütterten die Enten und Schwäne am Seeufer.
Marathonlauf ist wahrlich ein andersartiges
Sonntagsvergnügen. Bei 38 Kilometern suchte Kulkov die
Entscheidung. Den Sieger von 2003 und 2006 Tesfaye
Eticha aus Äthiopien und Abraham
Tadese aus Eritraea konnte der Russe
aber nicht abschütteln. Im Finale am Bürkliplatz, wo
der See den Fluss Limmat in die sehenswerte Altstadt
entläßt, kam es zum showdown auf der
Zielgeraden bei dem sich der Debütant Tadese gegenüber
Kulkov durchsetzen und mit drei Sekunden Vorsprung in
2:10:09 Stunden gewinnen konnte. Der für den LC Uster in
der Schweiz startende Eritraeer hatte zuvor eine
Halbmarathonbestzeit von 61:25 Minuten in Berlin
aufgestellt und bereits den renommierten Hallwilerlauf in
der Schweiz gewonnen. Dem geschlagenen Kulkov blieb als
Trost wenigstens eine persönliche Bestzeit von 2:10:13
Stunden. Nicht weit dahinter wurde der Äthiopier Eticha
Dritter in guten 2:10:22 Stunden. Trotz seiner Premiere
überließ Abraham Tadese unterwegs nichts dem Zufall.
Auf einem Rennrad mitfahrend hatte er als
Edelwasserträger seinen Landsmann und Vereinskollegen Tesfay Simon dabei, einen 13:48 Minuten 5.000
Meterläufer, der ihn unterwegs mit Informationen und
Flaschen versorgte.
Das eigens angereiste russische
Fernsehteam sollte aber nicht leer ausgehen. Bei den
Frauen begannen die Äthiopierinnen zunächst forsch,
wurden dann aber noch von den Russinnen Olga
Rosseeva und Elza Kireeva
abgefangen. Die Entscheidung fiel hier früher als bei
den Männern, denn nach 33 Kilometern war Rosseeva schon
alleine auf weiter Flur und siegte in 2:32:18 Stunden vor
Kireeva (2:33:14 Stunden). Gleichzeitig wurden auch die
Schweizer Marathon Meisterschaften ausgetragen. Der
Titelverteidiger Ancay Tarcis konnte
sich in 2:21:30 Stunden die Meisterschaft erneut sichern.
Bei den Damen schaffte die frühere 1.500 und 3.000 Meter
Läuferin Patricia Morceli neben dem
Meistertitel in 2:38:45 Stunden auch die
Weltmeisterschaftsnorm für Berlin im August.
Renndirektor Bruno Lafranchi, früher
Marathonrekordler der Schweiz (2:11:12 Stunden, Dritter
in Fukuoka 1982) war sehr zufrieden, vor allem dass aus
medizinischer Sicht keine Probleme auftraten. Die
Stimmung in Zürich war gut, die Zuschauer standen an den
Seegemeinden teilweise in Dreierreihen. 36 Bands sorgten
unterwegs für Unterhaltung, eine Rock'n Roll Tanztruppe
sorgte sogar mitten im Tunnelgrau für ansprechende
optische und akustische Reize. Zielschluss 5:30 - keine Chance für Teilzeitwanderer Die Stadt genehmigt nur 5:30
Stunden Laufzeit, so dass schlecht trainierte
Teilnehmer im Gegensatz zu vielen großen Stadtmarathons
keine Chance haben auch als Teilzeitwanderer noch an die
Medaille im Ziel zu kommen. Wer in Zürich das Rennen
beendet, darf sich mit Fug und Recht als Marathonläufer
bezeichnen! So auch der älteste Teilnehmer,
der 81-jährige Franz Hauser aus Hedingen, der gute
5:16:31 Stunden benötigte. Die mittlere Zielzeit ist mit
3:50 Stunden wegen des früheren Zielschlusses
entsprechend hoch. In Berlin liegt sie um die 4:00
Stunden, in New York ist sie nochmals rund 20 Minuten
langsamer. Bei den Männern lag man mit 3:47 und bei den
Damen mit 4:06 Stunden genau in der Mitte des
Finisherfeldes. Unter den 4.790 Finishern, 191 mehr als
im Vorjahr, waren die M/W40 mit 21,7 Prozent und die
M/W45 mit 18,1 Prozent die stärkst besetzten
Altersklassen. Seniorenweltrekord durch Emmi Lüth Der Frauenanteil beträgt in Zürich 18,3 Prozent. Die Aussteigerquote lag bei immerhin 4,5 Prozent. Die Teilnehmer kamen aus 48 Nationen, davon 82 Prozent aus der Schweiz, von denen wiederum 55 Prozent aus dem Kanton Zürich meldeten. Deutschland ist die stärkst vertretene Nation. Von den 662 Teilnehmern kamen 44 Prozent aus dem benachbarten Baden-Württemberg und 19 Prozent aus Bayern. Schnellster Deutscher war auf dem 24. Rang Matthias Dippacher aus Kempten in 2:31.46 Stunden. Einen sensationellen Senioren Weltrekord stellte die am 1.3.1944 geborene Emmi Lüthi auf. Sie lief in der W65 starke 3:12:56 Stunden.* Im nächsten Jahr wird man wieder auf den flachen Kurs am See und durch die Stadt zurückkehren. Die Veranstaltung ist für die Schweiz erwartungsgemäß hervorragend organisiert und die Stadt Zürich und Umgebung ist allemal eine Reise wert.
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