Ratgeber: Nach wieviel Jahren Marathon laufen?

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Nach wieviel Jahren Training reif für den Marathon ?

Frage von Martin B.:

Hallo Herr Steffny!

Seit ich laufe bin ich ein großer Fan von Ihnen und habe mir vor kurzen das große Laufbuch gekauft (völlig geniales Buch), wo aber drinsteht das man mindestens 2 Jahre Laufpraxis haben sollte, um einen Marathon zu laufen. Auf einer Ihrer Internetseiten steht aber 1 Jahr Laufpraxis. Ich selber laufe jetzt ein 3/4 Jahr und möchte nächstes Jahr (Mai) den Karstadt Marathon mitmachen. Laufen tue ich 3 mal die Woche. 2x 15 und 1x 20km. Habe schon 2x 10 km Volkslauf (52 Min.) gelaufen und 2 HM (1:58 Std.) hinter mir. Sollte ich nun doch noch 1 Jahr warten??

Es wäre toll, wenn Sie mir antworten würden, wenn nicht wäre auch ok. Trotzdem suche ich immer wieder nach neuen interessanten  Berichten von Ihnen, weil ich merke, dass Sie richtig was von Laufsport verstehen. Schade, dass Sie mal nicht in der Nähe von Dortmund einen Vortrag halten.
Gruß und Danke
Martin aus Dortmund

Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Martin,

nach soviel Lob bleibt mir wohl nichts anderes übrig als zu antworten.... ;-))

Die Angabe "ein oder zwei Jahre" ist natürlich ein Mittelwert, denn z.B. das individuelle Talent, der Bewegungsapparat, das Körpergewicht oder die sportliche Vorgeschichte ist bei jedem als Eingangsvoraussetzung etwas anders. Es wird Leute geben, die trotz bestem Trainings aus orthopädischen Gründen einen Marathon laufend nie schaffen. Genauso gibt es einzelne Läufer, die nach einem halben Jahr schon einen Marathon schaffen, weil sie entweder mit ganz viel Talent gesegnet sind oder vorher schon beispielsweise Mountainbiker oder Rennradfahrer waren. Nur ein Jahr halte ich durchschnittlich für viel zu kurz und schreibe das als Empfehlung auch nirgendwo auf meiner Homepage.

Mit der TV-Sendung "Null auf 42" wurde vor Jahren leider ein falsches Signal gesetzt und trotz der Verletzten der Ungeduld Vorschub geleistet. Dort wurde leider dramaturgisch das Ein-Jahres-Programm gewaltsam durchgezogen. Die Nachwirkungen spürt man heute noch. Immer wieder sind beim New York Marathon ganz schlecht vorbereitete und sogar verletzte deutsche Teilnehmer, die ausgerechnet auf dieser nicht leichten Strecke ihr "Hurra-ich-auch-mein-0-auf-42-Debüt-in-New-York" geben oder letztlich erwandern. Auswertungen von Befragungen beim Berlin Marathon ergaben, dass 25 Prozent aller Teilnehmer adipös antreten (= BMI über 30!) und 21 Prozent eine Angina pectoris aufweisen, also Brustschmerzen, die durch eine Durchblutungsstörung des Herzens ausgelöst werden. Um nicht mißverstanden zu werden, das kann und soll in New York oder Berlin wie bei jedem Premieren-Marathon ein ganz tolles Erlebnis werden, aber bitte mit gründlicher Vorbereitung, sportärztlichem Check und mit vernünftigem Aufbau mit dem Körper, statt unter Zeitdruck gegen ihn.

Während also eine vorsichtige Premiere schon deutlich früher gelingen kann, braucht es für die individuell best-erreichbare Leistung allerdings schon drei bis fünf Jahre kontinuierlichen Trainings. Geduld entspricht leider nicht mehr dem heutigen Zeitgeist, aber wer auf Nummer sicher geht, lässt sich für sein Debüt somit mehr Zeit. Die Knochen werden es ihm danken. Wer aber, wie leider viele, ungeduldiger ist, begnügt sich bei kürzerer Vorbereitung entweder mit einer bewußt langsameren "Survival-Zeit" oder riskiert sich mit Verletzungen nur irgendwie durchzuwürgen. Man hat zwar die Medaille und Urkunde, aber das tolle Marathonerlebnis bleibt dann natürlich auch auf der Strecke. Der "Mann mit dem Hammer" wartet bei Kilometer 30 nur auf solche Kandidaten! Der passive Bewegungsapparat braucht nun einmal am längsten für die Anpassungen an einen Marathonlauf. Da kann der Kopf vieles wollen, die Knochen müssen mitmachen. Sie sind eben das langsamste Glied in der Kette.

Wenn bei Ihnen jetzt schon 20km im Training und sogar ein Halbmarathon in 1:58 Stunden gut und ohne orthopädische Probleme drin sind, und Sie behutsam das Training bis Mai von dreimal auf viermal pro Woche, wie in meinen Plänen vorgesehen, steigern, dann könnte das schon mit dem Mai Marathon hinhauen. Hören Sie einfach in den Körper! Machen Sie die ersten langen Läufe um 30km erst im nächsten Frühjahr und zunächst ganz langsam.

Mit sportlichen Grüßen und viel Glück bei der sorgfältigen Marathonvorbereitung

Herbert Steffny

Ps: Ich halte viele Vorträge und war auch schon in Dortmund. Viele sind allerdings für geschlossene Gruppen und Unternehmen. Aber wo die nächsten öffentlichen Vorträge sind steht hier.

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