Frage
von Johann S.:
Hallo Herr
Steffny!
Ich habe Ihre
Tel-Nr. und E-Mail Adresse von der Spiridon-Redaktion
bekommen! Ich habe nur eine kleine Bitte: Wie ich weiß
haben Sie mal eine Tabelle rausgebracht wo über den VO2
Max Wert die vermeintliche Marathonendzeit
zu erkennen ist....bzw. errechnet ist!! (..) Ich bedanke
mich im Voraus (..)
Sportliche
Grüße
Johann S.
Antwort
von Herbert Steffny:
Hallo Herr S.!
Die maximale Sauerstoffaufnahme
(abgekürzt VO2 max) ist ein Maß für die
maximale aerobe Leistungsfähigkeit. Sie gibt an wieviel Milliliter
Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht in der Minute
aufgenommen werden kann. Mit einer Gewichtszunahme
verschlechtert sich demnach auch die VO2 max. Sie ist trainingsabhängig, aber zu einem
großen Teil auch genetisch bedingt. Spitzenläufer,
aber auch Radrennfahrer und andere Ausdauersportler auf
Weltklasseniveau erreichen in Topform Werte von über 80.
Normalbürger dagegen lediglich Werte
von 30 bis 40. Gut trainierte Freizeitläufer
liegen um 50 bis 60. Bei Frauen ist sie
infolge der geringeren aktiven Körpermasse (Körperfettanteil) rund 10 Prozent niedriger. Bei gleicher
Wettkampfleistung entspricht sie aber den Werten der Männer.
Die
angefragte Tabelle finden Sie wie so vieles im "Großen
Laufbuch" auf
Seite 54 in Kombination mit der Tabelle auf Seite 183.
Die von Sportwissenschaftlern und Physiologen errechnete
Korrelation der Maximalen Sauerstoffaufnahme und Laufleistung
gilt allerdings eher für die 10km Wettkampfstrecke
(Tabelle Seite 54) oder für kürzere Strecken wie 3.000
oder 5.000 Meter als für den Marathonlauf. Daher habe
ich die Werte nur bei der 10km Zeit tabellarisch
aufgelistet. Will man aber dennoch die vielleicht mögliche
Marathonzeit indirekt aus der VO2
max ermitteln, so nehmen Sie die aus der VO2
max abgelesene 10km Wettkampfzeit und gehen zur Tabelle
auf S.183. Hier lesen Sie die eventuell mögliche
Marathonzeit jeweils für das Marathondebüt bzw. für
einen erfahrenen Marathonläufer ab. Übrigens ist es
auch möglich aus der VO2 max indirekt auf ein
Ergebnis beim Coopertest (Tabelle S.117)
hochzurechnen.
Laufausflug von Lance
Armstrong
New York City 2006: Die Spitzen-
VO2max garantiert noch keinen
Spitzen-Marathon!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
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Allerdings
sagt eine gute Maximale Sauerstoffaufnahme
alleine noch lange nichts über die Lauf- oder
Marathonleistung aus. Ein Schwimmer, ebenfalls
ein Ausdauersportler, kann durchaus auch eine
hohe Maximale Sauerstoffaufnahme haben, aber noch
lange nicht gut laufen! Umgekehrt kann ein
Läufer mit Super-Ausdauerwerten noch lange nicht
schwimmen! Ein bekanntes Beispiel ist Lance
Armstrong, der sich 2006 in New York in knapp unter 3:00
Stunden ins Ziel quälte. Der Marathon-Debütant
bekannte im Ziel, dass "die letzten 15
Kilometer das Härteste gewesen sei, was er
jemals im Sport getan habe." Über die
Ziellinie humpelte er beinahe. Zweifelsohne
hätte er - ginge es nur nach seinen VO2
max Werten - um den Sieg mitlaufen müssen! Seine
Ausdauer auf dem Rad konnte er aber nur bedingt
läuferisch umsetzen. |
Aus der wettkampfspezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit
ist eine Marathonzeit Prognose daher mit viel größerer
Wahrscheinlichkeit möglich. Die Marathonzeit kann aus
der 10km Wettkampf-Laufleistung oder noch besser aus
einem Halbmarathontest zuverlässiger ermittelt werden
als aus einer sportartunspezifischen Maximale
Sauerstoffaufnahme Bestimmung. Das ist auch einer der
Gründe für die 10km bzw. Halbmarathon-Testwettkämpfe
in meinen Trainingsplänen. Die Maximale
Sauerstoffaufnahme ist also mehr eine sportmedizinische
Vergleichsgröße und damit weniger für die Praxis
relevant! Wurde sie beim Laufen ermittelt, so steigt die
Zuverlässigkeit natürlich. Ähnliches gilt bedingt auch
für Laufbandtests mit
Laktatleistungsdiagnostik. Die Aussagekraft ist schon
erheblich höher, aber nicht immer sind die
"Laufband-Champions" der sportmedizinischen
Institute auch die Besten auf der Straße. Der Wettkampftest
bleibt also immer die beste Methode, da hier
auch mentale Eigenschaften, taktisches Verhalten usw.
überprüft werden.
Mit
freundlichen und sportlichen Grüßen
Herbert
Steffny
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