Planung
für Fitnesstraining ohne Wettkampfambitionen:
Frage von
Herrn W.B.:
Werter Herr Steffny, ich habe vor einigen Wochen mit dem Joggen
begonnen und schaffe mittlerweile langsam 3 mal pro Woche
ca. 30-35 Minuten. Das empfehlen Sie ja auch zunächst
als Einstiegsprogramm. Ich bin weder übergewichtig (76 Kilogramm
bei 1.79m) noch habe ich irgendwelche orthopädischen Probleme.
Zur Information, ich bin 47 Jahre alt und laufe eigentlich nur
für die Gesundheit und zum Stressabbau. Trotz des
"Marathon-Hypes" möchte ich mich durch
Wettkampfteilnahmen nicht um diese "Quelle der Entspannung,
Fitness und Freude" bringen lassen. Zu sehr fürchte ich
Verletzungen, wenn der Ehrgeiz allzu sehr aufblüht. Was
für ein Trainingsprogramm empfehlen Sie für Fitnessläufer
meiner Gesinnung. Was wäre der beste Kompromiss zwischen mehr
Fitness, nicht zu hohem Zeitaufwand und möglichst wenig
(orthopädischem Stress? Würde mich sehr freuen aus Ihrem Mund
hierzu einen Experten Rat zu bekommen. Vielen Dank und mit besten
Grüßen.
Antwort von
Herbert Steffny:
Hallo Herr B.,
Das ist eine sehr gute Frage, die ich exemplarisch und
ausführlicher beantworten möchte. Selbstverständlich sollte
beim Laufen oder Walken der Spass und die Gesundheit im
Vordergrund stehen. Laufen geht selbstverständlich auch
kürzer als Marathon und ohne Wettkampf. Es kann nicht
sein, dass Sie erst zur Läuferfamilie gehören würden, wenn Sie
Marathon gelaufen wären! Als ehemaliger Weltklasseläufer fröne
ich zwar in den Altersklassen immer noch auf nationalem und
internationalem Niveau dem Wettkampfsport, und freue mich über
meine Erfolge wie Sieg in der Mastersklasse (über 40jährige)
beim Boston Marathon oder meine Deutschen Meistertitel in der
M50, nehme es aber nicht wirklich bierernst. Meine Knochen und
den Spass am Laufen würde ich nicht mehr riskieren. Fitness
Jogging möchte ich mir lebenslänglich gönnen. Viele
Wettkampfläufer merken erst bei einer Verletzung, wie wichtig
das Laufen (wenn es dann nicht mehr möglich ist) eigentlich für
das alltägliche Wohlbefinden ist, und wünschen sich wenigstens
wieder eine halbe Stunde für die Fitness laufen zu können.
Damit wären wir bei
Ihrem konkreten Trainingsplan für Fitness. Sie
suchen einen optimalen Kompromiss zwischen "Aufwand und
Ertrag". Aus Untersuchungen weiß man, dass es für die
Gesundheit ausreicht, drei bis viermal pro Woche Ausdauersport zu
betreiben und dabei rund 2.500 Kilokalorien zu verbrennen. Hinzu
käme noch etwas Krafttraining und Dehnungsübungen. Da Sie kein Übergewicht haben, steht
Abnehmen bei Ihnen nicht im Vordergrund. Ihr Body Mass
Index ist mit
23,7 im optimalen Bereich von 20-25. Bei Ihrem Gewicht
verbrauchen Sie die 2500 kcal, wenn Sie rund 33 Kilometer laufen
(oder walken) würden. Für Gesundheitstraining wäre aber auch
an einen gemischten Plan ("Crosstraining" -
Beispielsplan finden Sie in meinem Buch
"Walking") aus Laufen, Rad fahren und Schwimmen zu denken.
Der Zeitaufwand ist dabei größer, dafür trainieren Sie dabei
aber optimal neben der Ausdauer für Herzkreislaufsystem
variabler mit verschiedenen Muskelgruppen. Bleiben wir aber beim
"Nur-Laufen". Auch hier wäre ein mittelfristig nicht
nur mehr Kilometer sondern ein Mischtraining anzustreben.
Variableres Lauftraining stimuliert unterschiedliche Systeme im
Körper besser als Monotonie, die zur Stagnation führt. Ihr
momentanes Pensum ist z.Zt. geringer als das "2.500kcal
Programm", aber für den Einstieg genau richtig gewesen,
denn die Verletzungsgefahr wäre zu gross, wenn Sie etwa täglich
laufen würden, was ich zu Beginn niemand empfehlen kann. Wie
steigern Sie nun sinnvoll Ihr Training auf das optimale
Fitnesspensum?
Dabei gilt
nachfolgendes zu beachten, damit nichts schief läuft:
Haben
Sie Geduld! Biologische Anpassungsprozesse
brauchen Zeit: Wochen (z.B. Muskulatur), Monate (z.B.
Gelenke, Sehnenansätze), Jahre (z.B. Kapillarisierung).
Der Kopf will oft Dinge zu schnell erreichen, die die
Muskeln, Sehnen und Knochen noch gar nicht können.
Steigern
Sie das Wochenprogramm nicht zu schnell.
Bei momentan ca. 100 Lauf Minuten könnten Sie pro
Woche um 10 Prozent also 10 Minuten verlängern, indem Sie
zunächst am Wochenende einen der 30-35 Minutenläufe um
10 Minuten ausbauen (bei 150 Laufminuten, sind das
natürlich schon 15 Minuten Steigerung/Woche). So kann
der verletzungsempfindlichere passive Bewegungsapparat
(Sehnen, Knorpel, Knochen) mitwachsen. Das
Herzkreislaufsystem und die Muskulatur könnten zwar mehr
vertragen, aber wenn das Knie oder die Achillessehne weh
tut, war Ihr Training eben zu schnell
"hochgepuscht".
Steigern
Sie nicht jede Woche Ihr Pensum, sondern
wiederholen immer einen 14 Tageszyklus bevor Sie ein
weiteres Eisen auflegen. So kann sich v.a. der
Bewegungsapparat an die neue Belastungsstufe besser und
sicherer anpassen.
Führen
Sie einen "langen Lauf" ein.
Verlängern Sie wie schon erwähnt zunächst am
Wochenende, wo Sie mehr Zeit haben (Sonntag) einen Lauf.
Laufen Sie diesen deutlich langsamer (bei 70 % der maximalen
Herzfrequenz). Nachdem Sie es nach rund 2 bis 3 Monaten
schaffen sonntags 60 bis 70 Minuten zu laufen,
verlängern Sie auch die Trainingseinheiten in der Woche
schrittweise um 5 bis 10 Minuten auf 40 bis 50 Minuten.
Nach einem halben Jahr könnten Sie sonntags bis zu
eineinhalb Stunden laufen.
Streuen
Sie einige Steigerungen in die Trainingsläufe ein.
Führen
Sie einen "flotten Dauerlauf" ein.
Bisher liefen Sie mehr oder weniger alles im gleichen
Trott (bei 70 bis 80 %, so dass Sie sich gut unterhalten
könnten). Das ist zu Beginn auch o.k.. Doch das Training
wird effizienter, wenn Sie nun variabler trainieren. Der
Bewegungsapparat sollte jetzt stabil genug sein,
schnellere Dauerläufe bei 85 % ohne Risiko zu
verkraften. Diese Tempo ist nicht(!) "volle
Kanne", sondern eher "locker flott und
unverkrampft". Nach einer wenigstens 10 bis
20minütigen Warmlaufphase (bei 70%), laufen Sie
kontinuierlich zunächst 20 Minuten, (später 25 und 30
Minuten) bei 85%. Das ist noch nicht im roten Bereich!
Sie sind also dabei nicht außer Atem! Läufe über 90%
sind beim Fitness- und Gesundheitstraining fehl am Platz.
Selbst bei Wettkampfläufern machen sie nie mehr als
5-10% des Trainings aus. Zum Abschluss des flotten
Dauerlaufs laufen Sie sich 10 Minuten langsam aus und
machen Dehnungsübungen. Diesen Tempodauerlauf
alternieren Sie 14täglich mit dem nachfolgenden
Tempowechsellauf.
Führen
Sie einen "Tempowechsellauf" (Fahrtspiel) ein.
Hierbei wechseln Sie flottes und langsames Tempo
(Trabpause bei 65 bis 70%) ab. Die flotten Abschnitte
können dabei zwischen 1-4 Minuten (schneller, um 90%)
oder 5-10 Minuten (etwas langsamer bei 85%) varieren. Sie
können die Serie nach Lust und Laune und Tagesverfassung
in Form eines sogenannten Fahrtspiels zusammenstellen.
Die Gesamtminutenzahl der schnellen Abschnitte sollte
aber eine halbe Stunde nicht überschreiten (zu Beginn
nur 20 Minuten). Wenn Sie einen feste Vorgabe brauchen,
dann könnten Sie zu Beginn folgendes Fahrtspiel
absolvieren:
Warmlaufen (10 bis 15 Minuten), gegen Ende 4
Steigerungen, dann geht's los: 3 Minuten traben, 2
Minuten flott (90%), 2 Minuten traben, 4 Minuten flott
(90%), 3 Minuten traben, 7 Minuten flott (85%), 4 Minuten
traben, 4 Minuten flott (90%), 3 Minuten traben, 2
Minuten flott (90%), 4 Minuten traben, 4 Steigerungen und
wieder 10 Minuten langsam auslaufen, Dehnungsübungen.
Auch ein Dauerlauf in bergig welligem Gelände (wenn
vorhanden, sonst auch auf dem Laufband möglich) ist ein empfehlenswerter
spielerischer Belastungswechsel und fast schon ein
Fahrtspiel. Wenn Sie bei kurzen Anstiegen bergan das
Tempo etwas verschärfen, können Sie kurzfristig sogar
leicht in den "roten Bereich" (über 90%)
gelangen. Bei längeren Anstiegen sollten Sie nicht über
90% laufen oder walken.
Nach ungefähr einem
halben Jahr haben Sie wahrscheinlich den Trainingsstand für den
nachstehenden Plan erreicht. Lassen Sie sich Zeit dahin zu
gelangen, sonst wirft Sie eine Verletzung wieder weit zurück.
Dieser Plan würde eigentlich für "Fitness
lebenslänglich" ausreichen.
Ausblick: noch fitter
würden Sie, wenn Sie Ihr Training auf 4x pro Woche ausbauen. Es
käme nun ein weiterer Dauerlauf bei 70-80% hinzu. Dann wäre
also je ein ruhiger Dauerlauf von 60 Minuten am Dienstag und
Donnerstag einzuplanen. Die flotte Einheit wäre von Freitag auf
Samstag zu verschieben. Wenn Sie soweit gekommen sind, könnte
vielleicht doch noch der Appetit auf Wettkämpfe kommen? Zur
ausführlichen Vertiefung und für weitere Pläne empfehle ich
natürlich meine Bücher :)) Das "Große Laufbuch" geht am umfassendsten auf alle Fragen
eines sinnvollen Trainingsaufbaus für Fitness und auch
Wettkampfläufer ein..
Und nun viel Erfolg und Spass beim Fitnessjogging!
Herbert
Steffny
14-Tages Trainingsplan für
Fitnessläufer
ohne
Wettkampfambitionen von Herbert Steffny
(Copyright) |
Tag
|
Training
|
ca.
km
|
Mo
|
- |
-
|
Di
|
- |
-
|
Mi
|
ruhiger DL 45-60 min (70-80% maxHF) |
7-9
|
Do
|
- |
-
|
Fr
|
DL 50-60 min Tempowechsellauf (Fahrtspiel)
oder DL im welligen Gelände (jeweils bei 70-90% maxHF) |
9-11
|
Sa
|
- |
-
|
So
|
ruhiger langer DL 90 min (70% maxHF) |
13-14
|
Mo
|
- |
-
|
Di
|
- |
-
|
Mi
|
ruhiger DL 45-60 min (70-80% maxHF) |
7-9
|
Do
|
- |
-
|
Fr
|
50-60 min: 15min warmlaufen (bei 70% maxHF),
dann 25-30min flotter DL (80-85% maxHF), 5min auslaufen |
10-11
|
Sa
|
- |
-
|
So
|
ruhiger langer DL 90 min (70% maxHF) |
13-14
|
DL =
Dauerlauf, % maxHF = Prozent der maximalen Herzfrequenz
Quelle und weitere Infos: www.herbertsteffny.de
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