Sportliche Vogelwelt - Sprinter und Dauerläufer |
Autor, Text, Fotos - Copyright: Diplom-Biologe Herbert
Steffny
30.10.2020, verkürzt erschienen auch im Laufmagazin Spiridon 9/2020
(Sie können gerne hierhin verlinken)
mehr von Herbert Steffny zur Natur
„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft!“
so einfach lautet das legendäre und viel zitierte Plädoyer des tschechischen
Dreifach-Olympiasiegers Emil Zatopek für das Laufen. Hat er es sich zu einfach
gemacht? Der Nobelpreisträger für Verhaltensforschung Konrad Lorenz sagte
einmal „Der Mensch ist Spezialist auf das Nichtspezialisiertsein.“ Salopp
formuliert heißt das: der Mensch kann wie ein Zehnkämpfer nichts perfekt, aber
alles so einigermaßen. Lorenz legte zur sportlichen Leistungsfähigkeit nach,
dass der Mensch einen Dreikampf an einem Tag bestehend aus 35 Kilometer Wandern,
fünf Meter ein Seil hochklettern und 15 Meter weit und fünf Meter tief nach
Gegenständen tauchen gegen jedes andere Säugetier gewinnen würde. Seine mangelnde
Spezialisierung gleicht er mit Vielseitigkeit, lebenslanger Neugier und einem
großen Hirn aus, was ihm unter anderem eine technische Evolution ermöglichte. Schwimmen, Fliegen, Laufen Bleiben wir bei Zatopek und nehmen einen Dreikampf
aus Schwimmen, Fliegen und Laufen. Also beim Schwimmen sind die Fische klare Sieger, wenngleich die 130km/h, die man dem Black Marlin
einem tropíschen Segelfisch nachsagt, neueren wissenschaftlichen
Untersuchungen nicht standhalten und die Geschwindigkeit auf rund
45km/h korrigieren. Welcher Fisch kann aber neben dem Schwimmen auch
Fliegen
und Laufen? Fliegende Fische segeln mit ihren erweiterten Flossen
einige Meter
über den Wogen des Ozeans, um Räubern zu entkommen. Ein paar wenige
Fische wie
der Schlammspringer Periophthalmus krabbeln und klettern ziemlich tollpatschig
bei Ebbe am Land herum. Das war es dann auch schon mit dem Laufen. Die Vögel?
Na ja, die Flugqualitäten kann man ihnen sicherlich nicht absprechen. Der
Wanderfalke erreicht im Sturzflug weit über 300 km/h und der Schwirrflug der
Kolibris ist ein wahres Wunder! Es gibt aber auch hervorragende Schwimmer und
Taucher unter ihnen wie die Pinguine, die bis zu 40km/h erreichen können. Dafür können letztere nur Watscheln und
schon gar nicht fliegen. Der Mensch ist ein sehr mäßiger Schwimmer,
kann ohne technische Hilfsmittel überhaupt nicht fliegen und… na ja, so halbwegs
laufen. Einen Dreikampf Schwimmen, Fliegen, Laufen würde wahrscheinlich weder
Fisch, noch Mensch gewinnen, eher schon ein Vogel oder irgendein Insekt. Ein
Vorschlag wäre der Wasserläufer, umgangssprachlich und regional auch Schneider
genannt. Diese rund ein Zentimeter lange Wanze hält auf heimischen
Teichen nach Beute Ausschau und kann dank der Oberflächenspannung blitzschnell ohne
einzusinken dorthin flitzen. Sie beherrscht aber auch das Abtauchen zur
Eiablage und das Fliegen in den Nachbartümpel.
Ein Allerweltsvogel, das Blässhuhn, das auf
nahezu jedem Gewässer bei uns heimisch ist, könnte unter den Wirbeltieren den
Dreikampf vielleicht gewinnen. Zur Nahrungssuche taucht es auf den Grund des
Gewässers und schwimmt auf der Oberfläche manchmal friedlich daher. Kommt aber
ein Eindringling zur Brutzeit in sein Revier, zeigt es seine läuferischen
Fähigkeiten und verjagt diesen hochaggressiv in einer rasanten Jagd. Dabei rast
die schwarze Furie mit der charakteristischen hellen Blässe auf der Stirn
flügelschlagend sogar über die Wasseroberfläche. Das konnte unter den Menschen
nur Jesus, der wahrscheinlich als Fischer auch das Schwimmen beherrschte und
zusammen mit dem heiligen Geist wohl auch in Gestalt einer Taube sich auf das
Fliegen verstand. Aber bei unserem Dreikampf zählen nur Einzelstarter! Die Heilige
Dreifaltigkeit kann daher der Fairness geschuldet nicht zugelassen werden. Mensch
läuft? Mensch läuft… so heißt es zumindest. Unter den
Einzeldisziplinen interessiert uns natürlich v.a. das Laufen. Ok, die Fische
fallen aus, aber siegt der Mensch gegen die anderen Tiere? Unfair wäre es den Sprintweltrekordler
Usain Bolt mit dem bis über 100 Kilometer pro Stunde sprintenden Geparden zu
vergleichen, denn der schafft das nur auf vier Beinen. Dennoch sind anerkennend
manche Laufschuhmodelle nach Katzen benannt. Bleiben uns also nur noch die Zweibeiner
zum Vergleichen. Känguru? Tja, Usain Bolt rutscht dann mit nur 39km/h auf Platz
zwei ab, denn die hopsstarken Australier kommen auf ordentliche 50 km/h und das
Graue Riesenkänguru springt dabei bis zu 13,5 Meter weit! Nun könnte man aus
menschlicher Perspektive Protest einlegen und sagen, das Känguru ist kein Läufer,
sondern ein Springer! Na gut, akzeptiert, aber schon wieder läuft Usain Bolt
ein Tier in die Parade.
Strauß
und Roadrunner Der schnellste Zweibeiner ist, fast hätte man
es geahnt, natürlich ein Afrikaner und schon wieder ein Vogel! Der Strauß
erreicht in der Savanne Kenias bis zu 70 km/h. Man hat ermittelt, dass er nicht
nur ein Sprinter, sondern auch ein weltrekordverdächtiger Ausdauerläufer ist,
denn für eine halbe Stunde kann er eine Geschwindigkeit von 48km/h durchhalten.
Seine 10.000 Meter Durchgangszeit läge dann bei 12:30 Minuten und für einen
Kilometer bräuchte er 1:15 Minuten! Das ist über doppelt so schnell wie der
momentane 10.000m Weltrekord von Joshua Cheptegei aus Uganda (26:11,00 Minuten).
Als Trost für die Menschheit mag angeführt
sein, dass der Strauß weder fliegen noch schwimmen kann. Diese Rekordleistung für
Zweibeiner wird nur noch von einem fossilen Saurier, einem Vogelvorfahren, dem „Gallimimus“
mit bis zu 80km/h im Sprint übertroffen. Irgendwie haben Paläontologen das wohl
aus einer Formel ermittelt, bei der die Länge des Oberschenkelknochens mal
Fußabdruckentfernung durch den damaligen Luftwiderstand geteilt wird …oder so
ähnlich. Jedenfalls musste der „Huhn-Nachahmer“, so die Übersetzung seines
Namens, als harmloser Pflanzenfresser offenbar sehr flink sein, wenn T. Rex und
Co. auftauchten und ihn vernaschen wollten. Von
wegen "Pferdelunge"! Ein wichtiger Grund für die Überlegenheit der
Vögel als Läufer und Flieger ist ihr einzigartiges Lungensystem. Also von wegen
„der hat wohl eine Pferdelunge“, was als Erklärung angeführt wird, wenn ein Wettkampfläufer
überlegen der Konkurrenz auf und davon läuft. Pferde wie Menschen haben ein den
Vögeln weit unterlegenes Atemorgan, vereinfacht gesagt, zwei Säcke, also die
beiden Lungenflügel, in die nicht sehr effizient wie in eine Sackgasse ein- und
ausgeatmet wird. Dabei bleibt ein Restvolumen übrig, dass nicht ausgetauscht
wird (Residualluft). Vögel hingegen haben die vollkommensten Lungen unter den
Wirbeltieren entwickelt, die nicht wie ein Sack blind enden. Ein System von kommunizierenden
Röhren, die Lungenpfeifen und mehrere kontrahierbare Luftsäcke ziehen die Luft
komplett durch das ganze System. Sie haben gewissermaßen Durchzug in den
Lungen, was zu einer bis zu fünfmal leistungsfähigeren Sauerstoffversorgung im
Vergleich zu Säugetieren und Menschen führt. Das ermöglicht Kolibris den unglaublichen
Schwirrflug, den Zugvögeln Wanderungen über tausende von Kilometern oder beispielsweise
der Streifengans den Überflug des Himalayas in 9000 Metern Höhe, was für
Menschen längst in der Todeszone wäre.
Laufen, um zu imponieren! Die Kragentrappe ist wie der Sahararennvogel ein Nordafrikaner, der in den Steinwüsten auf Fuerteventura einen europäischen Vorposten besiedelt. Das Männchen rennt mit aufgestülptem Brustgefieder durchs Gelände, um die Henne zu beeindrucken. (Laufseminar auf Fuerte) (Foto, Copyright: Herbert Steffny)
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