Frauen Marathon - national, international

Trends und Entwicklungen im Frauen Marathonlauf

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Nationale und internationale Trends
beim Frauen Marathon

Autor, Copyright: Herbert Steffny
erschienen 6.4.2007 (Grafiken und teilweise Text aktualisiert, Januar 2009)
gleichzeitig leicht gekürzt erschienen in
Spiridon Laufmagazin 04/2007
Sie dürfen gerne hierhin verlinken und unter Quellenangabe hieraus zitieren

Passend zum Thema das Buch: "Marathontraining für Frauen"

Die Entwicklung des Frauen Marathons hat im Vergleich zu den Männern in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung durchgemacht. Das lässt sich an der Zunahme der absoluten und relativen Zahl der Finisherinnen und der veränderten Altersstruktur der Teilnehmerinnen, aber auch an der Verbesserung der Weltrekorde und der Altersklassen Bestzeiten ablesen.


Die Grafik 1 zeigt am Beispiel des Berlin Marathons die Entwicklung und den Laufboom der letzten Jahrzehnte. In Berlin findet der Marathon seit 1983 als Citylauf statt. In der Folge war eine stetige Zunahme der Finisher zu verzeichnen, die 1990 mit einem Teilnehmergipfel im Jahre der Wiedervereinigung einen vorläufigen Höhepunkt fand. Erst Mitte der 90er Jahre stiegen die Zahlen wieder als Ausdruck des Marathonbooms weiter bis auf die Rekordfinisherzahl von 35.786 LäuferInnen an. Der Frauenanteil kletterte dabei kontinuierlich nicht nur absolut von 212 (1983) auf 7.429 (2008) Damen, sondern auch prozentual von 4,6 auf 20,8 Prozent an. Für Frauen sind die großen Stadtmarathons offenbar am attraktivsten. Sie legen als Genussläuferinnen wohl mehr als Männer auch Wert auf ein attraktives Rahmenprogramm, sozusagen was die Stadt sonst noch zu bieten hat. Ein wichtiger Aspekt der großen Citymarathons ist zudem, dass dort die Teilnehmerfelder weiter hinten viel dichter sind. Wenn das Ziel noch sieben Stunden offen ist, muss "frau" eben nicht alleine hinterher laufen.

Die durchschnittliche Frauenquote betrug im Jahr 2006 bei den 23 größten deutschen Marathons, die über 1.000 Finishern hatten, 18,2 Prozent. Vergleicht man die Marathons untereinander (Tabelle 1), so erscheint mir bemerkenswert, dass sich unter den fünf Marathons mit der niedrigsten Frauenbeteiligung immerhin drei bayrische Marathons befinden. Der München Marathon macht hiervon eine erfreuliche Ausnahme. Im Vergleich zum Halbmarathon hinkt die Teilnehmerinnenquote beim Marathon aber noch hinterher. Während in Köln 19,3 Prozent Frauen die volle Distanz liefen, waren es beim gleichzeitig ausgetragenen Halbmarathon 35,7 Prozent. Der Freiburger Halbmarathon kommt auf 30,7, der Marathon mit 15 Prozent Frauenquote nur auf die Hälfte. Der Berliner Halbmarathon weist einen Frauenanteil von 27,9 und Stuttgart nur 22,1 Prozent auf. Hoch sind die Frauenquoten offenbar in "jecken" Städten, denn neben Köln glänzt auch der Mainzer Halbmarathon mit 34,6 Prozent weiblichen Finishern!

Tabelle 1 - Deutsche Marathons nach Teilnehmerinnenquote
Finisher
in Prozent (Jahr 2006)

Frauenanteil am höchsten:

Frauenanteil am niedrigsten:

1. Berlin

20,2%

1. Hannover

12,2%

2. München

19,4%

2. Würzburg

12,8%

3. Köln

19,3%

3. Regensburg

13,4%

4. Hamburg

19,1%

4. Essen

13,9%

5. Düsseldorf

17,3%

5. Ulm

13,9%

Beim internationalen Vergleich findet man 2006 erheblich höhere Quoten. London hat einen Frauenanteil von 30,6, in New York sind es 32,5, in Chicago sogar 43,8 und beim Honolulu Marathon mit 47,5 Prozent fast die Hälfte! Mit 40 Prozent ist der Anteil der Frauen in den USA über doppelt so hoch wie bei uns. Erstaunlich niedrig ist mit nur 16,1 Prozent der Frauenanteil in Paris. Analysiert man bei den internationalen Marathons dagegen die Frauenquote nur innerhalb der deutschen Finisher, so scheinen New York und der Honolulu Urlaubsmarathon besonders attraktive Reiseziele für deutsche Frauen zu sein (Tabelle 2). Bei den Klassikern London oder Boston ist die Quote nicht höher als bei den deutschen Marathons. Bei uns besteht, was Frauenbeteiligung angeht, in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch ein erheblicher Nachholbedarf.

Tabelle 2 - Internationale Marathons 2006: deutsche Teilnehmerinnenquote
in Prozent aller deutschen Finisher

Marathon

deutsche Finisher

davon Frauenanteil

New York

2432

27,5%

Honolulu

154

26,0%

Stockholm

869

22,1%

Chicago

185

21,6%

Boston

228

18,9%

London

299

18,1%


In Deutschland laufen Frauen schneller

Die mittlere Marathonlaufzeit war 2006 in den USA 4:45:29 Stunden. Dabei benötigten die Männer durchschnittlich 4:31:26, die Frauen 5:06:36 (Tabelle 3). In Deutschland wird aber deutlich schneller gelaufen! In Berlin war die mittlere Zielzeit am Brandenburger Tor trotz warmen Wetters 4:13 Stunden (zum Vergleich 2005: 4:08 Stunden). In London kamen im letzten Jahr 50 Prozent der Läufer nach 4:20 Stunden ins Ziel und in New York in 4:22 Stunden (2005 bei Wärme 4:38). Wesentlich schneller war 2006 aber Frankfurt mit durchschnittlich 4:00 Stunden (2005 sogar 3:58, es war kühler) und historisch 1985 mit flotten 3:23 Stunden (!) bei 7.296 Finishern. Der Frauenanteil damals war aber nur 8 Prozent. Früher war die Marathonszene mehr von männlichen, eher leistungsorientierten Vereinsläufern geprägt und im Schnitt jünger. Ist heute die M40 die dominierende Altersgruppe bei den Männern, so war es damals die Hauptklasse bis 30 Jahre.

Tabelle 3 - Mittlere Zielzeit 2006 (50% im Ziel) einiger Marathons im Vergleich

Ort

Männer

Frauen

Zürich

3:41:07

4:00:01

Freiburg

3:48:55

4:05:00

Frankfurt

3:57:22

4:19:56

Köln

4:03:32

4:26:18

Berlin

4:07:36

4:35:01

New York

4:13:31

4:38:55

USA (Durchschnitt)

4:31:26

5:06:36


Für einen historischen und internationalen Vergleich spielen nicht nur der mittlerweile höhere, durchschnittlich aber langsamer laufende Frauenanteil, sondern auch die heute durchwegs längeren Zielöffnungszeiten eine Rolle. In New York, London oder Hawaii ist das Ziel noch nach zehn oder 14 Stunden offen. Wer sich auf den Lauf schlecht vorbereitet hat, kann sich zur Not mit Wandern seine Medaille abholen. Das Gegenbeispiel ist Zürich und das erklärt auch die schnellen Durchschnittszeiten der Tabelle 3. Hier kommen die Letzten nach 5:16 Stunden ins Ziel. Längere Zielöffnungszeiten lassen die Behörden einstweilen nicht zu. Durch den abgekappten langsamen "Schwanz" sind die mittleren Zielzeiten logischerweise auch entsprechend schnell. Die mittlere Zielzeit von 3:44:47 Stunden erinnert schon fast an Frankfurt 1985, wo das Ziel genauso lange offen war. Immerhin ist der Züricher Frauenanteil so gesehen mit 18,3 Prozent relativ hoch. Eine längere Zielöffnungszeit würde Zürich, dass 2007 immerhin einen 15-prozentigen Teilnehmerrückgang zu verzeichnen hat, zwar langsamere Durchschnittszeiten, dafür aber auch eine höhere Finisherzahl und einen noch größeren Frauenanteil bringen.

Zunahme der jungen Frauen beim Marathon

Die Alterstruktur der "Marathonias" hat sich ebenfalls verändert und unterscheidet sich bei genauem Hinsehen deutlich von den Männern. Am Beispiel Berlin Marathon 2006 möchte ich das genauer erläutern. Zwar ist sowohl bei den Herren als auch bei den Damen die M bzw. W 40 die zahlenmäßig stärkst besetzte Alterklasse, analysiert man aber den prozentualen Anteile der Frauen an den jeweiligen Alterklassen, so ergeben sich deutliche Unterschiede (Grafik 2). So ist in der Hauptklasse bis 30 Jahre wenigstens jeder vierte Finisher eine Frau. Der Prozentsatz geht bis zur W60 und W70 fast gleichmäßig auf 10 bzw. 7 Prozent zurück. Bei den Älteren Marathonis überwiegen klar die Männer. 1983 war das in Berlin aber anders. Abgesehen vom schon erwähnten niedrigeren Frauenanteil, war die W35 und W40 die Altersklasse mit der höchsten relativen Frauenquote.

Frauenanteil Berlin Marathon 1983 und 2006 - copyright www.herbertsteffny.de


Interessant ist in diesem geschlechts- und alterspezifischen Zusammenhang auch eine Auswertung der Aussteiger, den "DNFs" (did not finish), die 2006 in Berlin 3,8 Prozent der Starter ausmachten. Ist das "schwache Geschlecht" hier zäher, leidensfähiger wie oft spekuliert wird? Bei genauem Hinsehen gibt es allerdings kaum Unterschiede, die Aussteigerquote bei den Männern ist sogar 0,3 Prozent geringer. Lediglich folgende geschlechtsspezifische Aussage lässt sich klar treffen: ältere Frauen über 65 Jahren laufen prozentual zwar kaum noch Marathon, steigen allerdings auch nicht mehr aus. Bei gleichaltrigen Männern (M65 bis M80) steigt die Aussteigerquote dagegen auf 6,5 bis 10 Prozent steil an. Soll heißen: wenn eine Frau in diesen Alterklassen noch Marathon läuft, weiß sie was sie tut und hat das auch gut vorbereitet. Die Aussteigerquote ist eher vom Alter als vom Geschlecht abhängig. So steigen Läufer und Läuferinnen unter 30 Jahren doppelt so häufig aus wie reifere Jahrgänge. Vor allem den Youngstern unter 20 Jahren fehlt es vergleichsweise wohl noch an Lebenserfahrung, langfristiger Planung und Biss. Am niedrigsten dagegen liegt die Aussteigerrate bei den 45 bis 64jährigen erfahrenen "Haudegen" beiderlei Geschlechts.


Marathonweltrekorde - Frauen holen mächtig auf

Durch die vermehrte Marathon Teilnahme von Frauen und auch lukrativen Preisgelder, die für Männer und Frauen mittlerweile gleichermaßen existieren, hat sich in den letzten Jahrzehnten der Weltrekord der Frauen (Paula Radcliffe 2:15:25, 2003) der Männerzeit (Paul Tergat 2:04:55, 2003) bis auf nur noch 8,4 Prozent Leistungsdifferenz angenähert. Durch Haile Gebrselassies aktuelle Weltrekorde (Stand 14.Januar 2009) hat sich dieser Abstand allerdings wieder auf 9,2 Prozent vergrößert (Grafik 3). Die Regressionskurve deutet nach einer rasanten Entwicklung in der Pionierphase des Frauen Marathonlaufs nun auf eine zu erwartende parallele Entwicklung hin. "Frauen werden Männer im Marathonlauf nicht überholen", wie einst Dr. van Aaken spekulierte, zumindest "solange Frauen noch Frauen sind". So formulierte es die neunfache New York Siegerin und Marathonweltmeisterin Grete Waitz aus Norwegen einmal galant. Der für Schwangerschafts- und Stillzeitreserven vorgesehene höhere Körperfettanteil bleibt ein natürliches Handicap und drückt auf die Leistung. Rund 10 Prozent beträgt die durchschnittliche Leistungsdifferenz auf den Laufstrecken vom 100 Meter Sprint bis zum Marathon.


Die
Frauen kommen den Weltrekorden der Männer auch in den Altersklassen immer näher und schöpfen das biologisch mögliche Potential erst jetzt aus. (Grafik 4). Ist bis zum Eintritt der Pubertät kaum eine Differenz zwischen Jungen und Mädchen festzustellen, so klafft die Leistung danach deutlich auseinander, am weitesten bei den Alterklassen über 50 Jahren. Das wird sich aber zukünftig ändern, denn eine neue Generation von ehemaligen Spitzenläuferinnen macht mittlerweile einfach weiter und nähert sich der Männerleistung, wie man in den Alterklassen zwischen 45 und 50 Jahren bereits gut ablesen kann.

Marathonweltrekorde und Alter - copyright www.herbertsteffny.de


Auch in der Weltspitze nimmt der Anteil der Afrikanerinnen zu

Einen ganz deutlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es (noch) in der Weltspitze der Marathonläufer. 2008 stellten interessanterweise nicht die Afrikanerinnen, sondern die Europäerinnen, Asiatinnen und eine Amerikanerin mit 60 Prozent den größten Teil der Top 30er Bestenliste (Grafik 5). Das steht ganz im Gegensatz zu den Männern, wo die Afrikaner mit 93 Prozent seit Jahren erdrückend dominieren. Genetische Ursachen kann dieser "Geschlechtsunterschied" nicht haben. Wahrschenlicher ist, dass auch hier die Afrikanerinnen, aus meiner Sicht allen voran die Äthiopierinnen demnächst noch weiter aufholen werden. 2006 waren es nur sieben, 2007 stieg der Anteil der Afrikanerinnen bereits auf 10 und 2008 sind es schon 12, die es unter die Top 30 schafften. Erfreulicherweise belegte die deutsche Berlin Siegerin Irina Mikitenko Platz 1 in 2:19:19 Stunden.

 

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