Wieso passt Marathonzeit nicht zur
Unterdistanz?
und
Marathontraining nach Strecke oder Dauer?
und Bolzen bis der Arzt kommt
Frage
von Thomas G.:
Hallo Herr Steffny,
ich laufe nun seit ca 25 Jahren mehr oder weniger
regelmäßig. Kann mich im Übrigen noch gut an die Nacht
von Borgholzhausen 1985
erinnern, bei der Sie ein Stückchen vor mir ins Ziel
Kamen. Muss bei Ihnen so um die 47min. gewesen sein. Bei
mir waren es ca. 54min :-)).
Bei mir gingen nie die BMI Formeln auf, da ich ohne
Krafttraining mit 76 Kg, bei einer Körpergrösse von 178
cm, nur einen Fettanteil von ca. 8% hatte. Meine
Zeiten konnte ich leider nur bis dreißig
Kilometer im Verhältniss vervielfachen. 16:20, 34:30,
51:50 und 1:17. 30Km in 1:50. Marathon leider nur
in 2:54. Von 1983 mit achtzehn Jahren in 3:09
bis 1992 mit der Zeit 2:54. Danach habe ich keine
Motivation mehr gehabt es weiter mit dem Marathon zu
versuchen.Viel Schmerz für wenig Erfolg waren nicht mein
Ziel.
So nun meine Frage.
Was ist nun wichtiger? Die Zeit, die man beim
Training auf den Beinen verbringt, oder die Strecke die
man in der Zeit zurücklegt?
Mit
freundlichen Grüßen
Thomas
Antwort
von Herbert Steffny:
Hallo Thomas,
da stecken eigentlich zwei Fragenkomplexe
drin...
zunächst
zu Deiner guten Leistungspalette von 5km
bis Marathon und ob die Zeiten
zusammenpassen. Die relativ beste
Leistung ist eigentlich die 5km Zeit,
die 10km und Halbmarathonzeit passen gut zusammen
und die Marathonzeit bricht mit 2:54h
vollkommen nach unten raus. Mit 34:30
hättest Du bei optimalen Rahmenbedingungen etwa
2:41 laufen können müssen. Tabellen
und Umrechnungsformeln zur Berechnung möglicher
Zeiten findest Du in meinem Buch "Das
Große Laufbuch" . Naheliegender Verdacht:
falsches Training!? Vielleicht bist Du aber auch
eher ein schnellkräftiger Typ (gute 5k Zeit,
vielleicht warst Du mal auf Mittelstrecke oder
Sprint "zu" gut, um mit dieser etwas schnellkräftigeren
Muskzulatur (mehr FT-Fasern) auch noch
Marathon (hier sind ST-Fasertypen günstiger)
super laufen zu können....*.
Auch dazu und den genetischen Zusammenhängen und
Trainingskonsequenzen näheres im oben genannten
Buch.
Deine
abschließende Frage geht in die Richtung: Training
nach Dauer oder nach Kilometern?
Grundsätzlich sind beide ein Maß für die
Quantität und Trainingsfleiß ist im Marathon,
aber auch für Halbmarathon natürlich sehr
wichtig. Bei Training auf Kilometer besteht
die Gefahr, dass man zu schnell (seltener: zu
langsam) läuft. Ich kenne nicht wenige
Marathonläufer, auch im Spitzenbereich, die
Probleme mit der Dauer der langen Läufe haben
(hatten). Das führte dazu, dass Sie einen z.B. 33km
Lauf einfach schneller runtergerissen
haben, damit die Tortur endet. 33km sind 33km und
sie hatten es schneller hinter sich. Das sind so
Typen, die gerne im Stadion Intervalltraining
machen.... Erkennst Du Dich hier vielleicht
wieder? :))* Dazu kommt die
Denke: "schneller ist vielleicht auch
besser?" Und genau das waren die
Fehler. Kein Wunder, wenn Sie in der
Endphase des Marathons dann versagten, weil der
entscheidene Fettstoffwechsel durch langsamere
Läufe nicht richtig trainiert wurde. Vielleicht
liegt hier auch Dein Fehler und warum Du Deine
sehr guten Unterdistanzzeiten nicht auf Marathon
umsetzen konntest?! Vielleicht warst Du für
Marathon im Training chronisch zu schnell?
Vielleicht reichten die Wochenkilometer nicht?
Daher sollte man also auch von
vorneherein die Geschwindigkeit der Läufe
festlegen und nicht ändern. Bei heißem Wetter,
im Winter auf Schnee oder beim Höhentraining
muss für dieselbe Strecke natürlich langsamer
(also zeitlich länger) gelaufen werden.
Je nachdem, wo es sinnvoll ist, würde ich also
(wie in den Plänen in meinen Laufbücher angegeben) stur nach
Strecke mit klarer Zeitvorgabe laufen.
Beispiel 5x 1000m im geplanten Wettkampftempo,
oder ein 30 km Lauf im Marathontraining zunächst
in der Fettstoffwechselzone, also deutlich
langsamer als das Renntempo. Andererseits spricht
an Zwischentagen nichts dagegen mal rauszugehen
und nur auf Zeit einen lockeren
Dauerlauf über ein "Stündchen" zu
machen, ohne so ganz genau zu wissen, wie lange
das nun in Kilometern war. Ähnliches könnte bei
einem freien Fahrtspiel nach Lust und
Laune auch vorkommen. Ein Einsteiger
muss allerdings zunächst nicht nach Kilometern
laufen. Wahrscheinlich kennt er zu Beginn seine
Streckenlängen auch gar nicht. Hier wäre die
Vorgabe: "Laufe 3x pro Woche erst
mal eine halbe Stunde" sinnvoll
und: "baue dann über Wochen und
Monate einen Lauf davon am Wochenende bis über
eine Stunde aus". Wenn der Läufer dann
später Wettkämpfe plant, sollte er auch nach
Kilometern bzw. gezielt nach Geschwindigkeit in
Zeit/km laufen lernen, also z.B. 3x 1000m im
geplanten Volkslauftempo. Ein fortgeschrittener
Läufer sollte selbstverständlich beide
Verfahren beherrschen und dabei das Körpergefühl
aber nicht ganz vergessen. Man könnte
im Training z.B. immer mal wieder einen genau
vermessenen Kilometer ohne auf die Uhr zu schauen
abstoppen und anschließend schätzen und
vergleichen, was man nun wirklich gelaufen ist.
Nicht wenige werden da ein Wunder erleben. Sie
glauben vielleicht im 5:30er Schnitt zu laufen,
in Wirklichkeit war es 4:55min/km. Fraglich, ob
das dann sinnvoll war und mit dem (meinem?)
Trainingsplan dann noch übereinstimmt. Kein
Wunder, wenn man hinterher seine Ziele nicht
schafft, weil die elementarste Normierung
der Belastung nicht gemacht wurde. Da
ist man als Trainer natürlich machtlos. Wer mit
Pulsmesser läuft, sollte das auch mal mit dem
Herzfrequenzmesser machen und blind schätzen.
Auch hier liegen viele Läufer nach unseren
Erfahrungen 10 bis 20 Schläge daneben. Beim
Quatschen wurde vielleicht nicht mehr
kontrolliert...
Nun
noch zu Deiner Anmerkung zu
Borgholzhausen 1985. Ich bin damals
tatsächlich vor Dir gewesen ;-)) , denn ich habe
das denkwürdige Rennen damals in der bis
heute noch gültigen Deutschen Bestleistung über
10 Meilen in 46:33 vor dem äthiopischen
Mannschaftscrossweltmeister Birhanu Ghirma
gewonnen. Selten war ich so fertig - aber
glücklich!
Keep on running
Herbert Steffny
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Nachtrag:
(Thomas schrieb noch mal zurück... und ich lag
wohl nicht ganz falsch...)
" Bolzen bis der Arzt kommt "
Hallo
Herbert,
Vielen Dank für die rasche Antwort. Auf der Kurzstrecke
habe ich es nie versucht, aber ohne es trainiert zu haben
bin ich 400 Meter in 54sec. gelaufen.
1000 Meter in 2:48 min. Fazit ist wirklich, dass ich
immer so gelaufen bin, dass ich die Distanz, die ich mir
im Training ausgedacht habe, möglichst schnell hinter
mich gebracht habe. Wenn ich da mal mehr als vier Minuten
pro KM gebraucht habe, fühlte ich mich schon schlecht.
(...) Bolzen bis der Arzt kommt und den
Körper dadurch an das Tempo gewöhnen habe ich gelesen
:-)). Fußprobleme und nächtliches Herzstolpern waren
das Ergebnis. Klar, schneller bin ich geworden, aber
nicht wirklich gut. Quasi im Training das Pulver
verschossen. Heute bin ich nicht mehr so
bekloppt!! :-). Mit geringem Aufwand und locker komme ich
im Verhältnis zu "Früher" gut über die
Runden....
Wünsche dir Gesundheit!
Gruß Thomas
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