Frau M. S.
schrieb:
Sehr geehrter Herr
Steffny,
vielleicht können sie meinem Mann etwas weiterhelfen,
der seit 1,5 Jahren die 3 Std.-Marke beim Marathon zu
brechen versucht und nach ihren Plänen trainiert. Mein
Mann lief in Frankfurt letztes Jahr 3:04 und in diesem
Jahr fühlte er sich fit wie noch nie,
Vorbereitungswettkämpfe: 15 km in 58 min,
Halbmarathonzeit 1:21, doch in Hamburg lief er dennoch
"nur" 3:05. Mein Mann ist ziemlich frustriert
und er weiß auch nicht, was er noch verbessern kann an
seiner Vorbereitung. Der große Einbruch in Hamburg war
bei ca. 38 km. Der Einbruch war so gravierend, dass er
nicht einmal Bestzeit, die bis dahin noch möglich war,
schaffte. Lange Läufe von 30 - 35 km hatte er ca. 10
absolviert. Intervalle usw. hat er wie gesagt nach ihren
Plänen gelaufen. Mein Mann ist ratlos, aber vielleicht
haben sie noch einen Tipp für ihn.
Vielen Dank
Antwort von
Herbert Steffny:
Hallo Frau S.,
ist ja nett, dass Sie für Ihren Mann fragen. Was der
Zeit unter 3 Stunden entgegen steht, ist aus der Ferne
nicht so einfach zu sagen, dazu müßte ich vieles
erfragen, um herauszubekommen, woran das liegen kann und
dazu fehlt mir natürlich die Zeit. Ich bekomme eine
Menge Anfragen, die ich unmöglich alle beantworten kann.
Ich hoffe Sie verstehen das. Daher möchte ich die
Frage unten allgemein und umfassend beantworten:
Die Halbmarathonzeit (auf richtig vermessener Strecke?)
deutet natürlich nach den Formeln in meinen Büchern auf
eine mögliche Zeit unter 3 Stunden hin. Ich setze
voraus, dass er sich wirklich an meine Pläne gehalten
hat (z.B. aus dem Buch "Perfektes
Marathon-Training" oder noch ausführlicher in "Das
große Laufbuch") und die dort gemachten Vorgaben trainiert
hat, ansonsten lägen die Fehler natürlich auch dort
(z.B. zu schnell im Training gelaufen usw....). Sie
schreiben beispielsweise er habe 10 lange Läufe 30 bis
35km gemacht. Soviele sind aber in meinen Plänen gar
nicht vorgesehen. War er vielleicht übertrainiert?
Wollte er zuviel des Guten? Genau kann er sich an die
Pläne also nicht gehalten haben, und gerade das wäre
wichtig gewesen. Sonst sind meine Pläne eigentlich
"für die Katz":
Vielleicht helfen aber ergänzend nachfolgende
allgemein gehaltene Checkliste, die ich ihm
(stellvertretend für andere) beispielsweise stellen
würde, denn viele Kleinigkeiten können sich auch
aufaddieren und wenn man so knapp an der 3:00 oder 4:00
Stunden-Schallmauer scheitert, kann dass natürlich schon
ausschlaggebend sein.
Ich hoffe,
dass das vielleicht schon mal weiterhilft. Ihr Mann soll
sich die Fragen unten mal selbst beantworten. Das kann
ein Trainer (v.a. aus der Ferne) nicht alles wissen. Es
ist an der Leistungsgrenze nicht nur wichtig einen guten
Plan zu haben und einzuhalten, sondern
selbstverständlich auch die Rahmenumstände zu
optimieren. Darauf gehen meine Bücher neben den enthaltenen Plänen
natürlich umfassend ein. Aber nicht alles erkennt man
selbst, vielleicht muss einem auch jemand mit viel
Erfahrung mal über die Schulter schauen, denn ein
geübtes Trainerauge sieht natürlich noch viel mehr... .
Dazu könnte Ihr Mann in eines meiner Laufseminare kommen, wo man vieles individuell
abchecken kann.
Mit freundlichen Grüßen und viel Erfolg
Herbert Steffny
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Ursachen und Gründe...
...warum Ihr
Marathon (oder auch ein anderer Wettkampf)
vielleicht nicht richtig geklappt hat:
|
Bitte fragen Sie
sich mal selbstkritisch:
- zu wenig Gesamtkilometer
gelaufen? (1. elementare Zutat für ein
erfolgreiches Marathonrezept!)
- zu wenig lange
Läufe gelaufen? (2. elementare
Zutat für ein erfolgreiches
Marathonrezept!)
- zu
schnell im (Marathon-)Training
gelaufen? (3. elementare Zutat für ein
erfolgreiches Marathonrezept!)
- (m)einen gut
ausgesuchten Trainingsplan nicht
richtig befolgt. (Manche
würfeln scheinbar fahrlässig oder
bewußt nach eigenem Gusto alles
durcheinander und wundern sich dann, wenn
der Plan nicht klappt) - Ein Beispiel von
vielen hier: Halbmarathon im Plan
vorziehen?
- falschen
Trainingsplan (zu harten oder
dilletantischen?) ausgesucht, z. B. für
eine schnellere Zeit und dabei
überfordert.
- Trainingspläne
gewechselt aus Unsicherheit
(jeder gute Trainer hat einen bestimmen
Aufbau in seinem Plan, den man auch
befolgen sollte)
- taktische
Fehler, typisch: zu schnell im
Rennen losgelaufen?
- zu warm, zu
kalt, windig? Läßt das Wetter
am Wettkampftag überhaupt die
vorgenommene Zeit zu?
- ist die
ausgewählte Marathon-Strecke überhaupt
flach und schnell? Vielleicht war eine
Bestzeit durch das Profil gar nicht
möglich, wenn man sich damit vorher mal
beschäftigt hätte?
- im Rennen
nicht die wirkliche (kürzeste)
Ideallinie gelaufen. Bei
winkligen Kursen kommen da schon mal
einiges zusammen, wenn man "im
Tran" nur dem Vordermann auf der
Straßenmitte folgt. Übrigens ist die "blaue
Linie" keinesfalls immer
die Ideallinie (= vermessene Linie 42,195
km). Vermessen ist die Strecke nämlich
an der Bordsteinkante entlang. In New York wird die blaue
Linie einfach als "Streckenmarkierungslinie" auf der
Strassenmitte gezogen. Wer der blind
folgt, läuft dort garantiert einige
hundert Extra-Meter! Vom Abkürzen über
die Fussgängerwege usw. ist hier
natürlich nicht die Rede!
- Wer bei einem
großen Citymarathon wie Berlin, London
oder New York im Bereich um 3:45
bis 4:30 Stunden läuft, muss
damit rechnen, dass es dort teilweise so
eng wie in einer Sardinendose
zugeht. Staus an Getränkestationen sind
die Folge, man kann die Ideallinie nicht
laufen und bekommt das Tempo der anderen
aufgezwängt usw.. Da hilft es nur zu
einem gut organisierten Marathon mit
weniger Teilnehmern zu gehen.
- Haben Sie
sich als schnellerer Läufer bei einem
großen City Marathon bei Ihrem
Debüt zunächst in einem hinteren
Startblock einreihen müssen und
sind durch die langsameren Läufermassen
vor Ihnen auf der ersten Hälfte
ausgebremst worden?
- Wer sein Debüt
läuft, sollte unerfahren allerdings
ohnehin erst mal eine langsamere Zeit
anstreben (Tabellen in "Das große
Laufbuch")
- falscher Laufstil für den Marathon?
(zu großer Schritt, für Marathon
unökonomischer Vorfusslauf?)
- Bein-Muskulatur
verspannt, zu wenig Dehnungsübungen?
- Rumpfmuskulatur
zu schwach, man beginnt in der zweiten
Hälfte zu "wackeln", dadurch
verpufft unnötig Energie
- unökonomische
Armarbeit (Armbewegung zu stark
nach innen statt nach vorne) oder
Schultern pendeln stark vor und zurück,
weil der ganze Oberkörper zu steif ist?
(ausführliches zum ökonomischen
Laufstil in "Das große
Laufbuch")
- falsche Ernährung
im Alltag, vor und während des
Laufs? Hierzu am ausführlichsten in "Das große
Laufbuch"
- latenter Eisenmangel?
Veganer beispielsweise können leicht einen Eisenmangel haben.... (Eisenspeicher - Ferritinwerte
überprüfen lassen, v.a. wichtig für
Frauen)
- Zahnprobleme,-
entzündung, die latent und vielleicht
unbemerkt auf die Leistung drückt?
- im Frühjahr
und Sommer Pollenflug,
gegen den man vielleicht kaum merkbar,
aber doch leicht allergisch reagiert?
- es wird
(gesundheitsschädigend und
leistungshemmend) immer noch geraucht?!!!
- es wird
(regenerationshemmend) im Alltag zuviel Alkohol
getrunken?!!!
- Medikamentennebenwirkungen
oder Abusus?
- zu wenig
Schlaf?
- zu viel
privaten oder beruflichen Stress
neben dem Training?
- vor dem
Rennen (und in der letzten Woche) nicht
genug geruht und noch zuviel
trainiert?
- zu leichter Wettkampf-Schuh,
der mangels Stabilität und Dämpfung
schon im Rennen zuviel auf die Knochen
geht?
- nicht
erkannte Fuss-Fehlstellung bei
falschem Schuh, der das nicht
korrigiert? (durch Fehlbewegungen, Kippen
im Schuh verpufft Energie)
- Blasen
oder "Wolf"
(Wundreibung) gelaufen?
- falsche oder unfunktionelle
Kleidung (Baumwolle, zu warm, zu
kühl) angezogen?
- zu wenig auf Asphalt
traniert (wie es beim
Citymarathon aber vorkommt)?
- nicht
genügend im flachen Terrain
für flachen Citymarathon gelaufen
(monotone gleichförmige Schritte üben)?
- zuviele oder
zuwenige Wettkämpfe im
Vorfeld? (siehe Pläne im Buch)?
- im Training krank
geworden oder verletzt und
daduch Unterbrechungen?
- zu viel Kilos,
zu hoher Fettwert und Übergewicht? Das spielt für
Marathon eine noch größere Rolle als
beim 10km Lauf.
- übertrainiert?
Der Knackpunkt ist im Marathontraining
oft 2-3 Wochen vor dem Rennen, wo manche
entweder übermotiviert überziehen oder
versuchen alles Versäumte noch
nachzuholen oder wo sich ein zu harter
Plan endgültig rächt. Resultat:
Verletzungen und/oder das Immunsystem
spielt nicht mehr mit. Kontinuität und
(m)ein Plan mit genügend langsamen
Regenerationsläufen zwischen den langen
oder schnellen Kerneinheiten wäre besser
gewesen. Viele merken das leider erst zu
spät, wenn das Kind in den Brunnen
gefallen ist.
- mental
nicht genug gekämpft in der Endphase?
Harte Antworten für den "inneren
Schweinehund" zurechtlegen und
Konsequenz und Härte gegen sich selbst
auch schon im Training üben. Wer im
Training sichs leicht macht (z.B.
"Schönwetterläufer") und
immer wieder was ausfallen läßt, der
wird auch im Marathon schneller kneifen
("Ach, ist doch egal...!"). Das
wars dann...
- Muskelfasertyp
eher für kurze Strecken geeignet
(genetisch bedingt, z.B. wenn er mal
früher ein sehr guter Sprinter war)?
- für
Bestzeiten im Marathonlauf braucht man
eine jahrelange kontinuierliche
Trainingsbasis, wer im Herbst
immer wieder aufhört, wird nie soweit
kommen, wie jemand, der auch über den
Winter durchtrainiert.
- irgendwann
muss man auch damit rechnen, selbst bei
bestem Training seine Obergrenze
zu erreichen!
- Wer
älter wird, muss damit rechnen,
dass man irgendwann stagniert und die
Leistung (auf hohem Niveau) aber auch
langsam zurückgeht (siehe Seniorentraining-Kapitel im Großen Laufbuch).
- 43?....(vielleicht
haben Sie liebe(r) Leser(in) auch noch
Tipps für mich....;-))
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