Portrait: Samuel Wanjiru |
Copyright, Text, Fotos: Herbert Steffny
Samuel
Kamau Wanjiru - Marathon Olympiasieger
(26.8.2008, aktualisiert
25.4.2009)
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Dass Samuel Kamau Wanjiru (in
Peking auch "Wansiru" geschrieben) sich den
Olympiasieg in eindrucksvoller Manier holte, war für
mich nicht überraschend. Ja, er war sogar mein Favorit.
Lediglich Unerfahrenheit hätte dem erst 21-jährigen
Kenianer in seinem dritten Marathon das Genick brechen
können, als er in Peking bei Wärme ein Tempo anschlug,
dass man für einen Meisterschaftsmarathon im Sommer
bisher noch nicht erlebt hatte oder für Selbstmord
halten konnte. Aber das ist die Art des kleinen
Kenianers, und wer seinen Werdegang bisher aufmerksam
verfolgt hat, der mußte in Peking mit einem Temporennen
und mit Wanjiru als Olympiasieger rechnen. Schon im
Januar 2008 bei meiner Marathon Bilanz des Vorjahres und
bei einem Portrait über Haile Gebrselassie
und die Entwicklung des Marathon Weltrekords widmete ich
dem Kenianer ein Kapitel: Samuel Wanjiru - der nächste
Marathonstar? Samuel Wanjiru - der nächste Marathonstar! Diese Überschrift braucht man mittlerweile
nicht mehr mit Fragezeichen zu schreiben! Denn mit Samuel
Wanjiru gab es schon 2007 bereits einen
schnelleren Läufer als Gebrselassie, der sich erstmals
mit einem Paukenschlag an Marathon heran traute, aber
erst mal Erfahrung sammeln musste. Der erst 21-jährige
Kenianer jagte dem Äthiopier im letzten Jahr bereits den
Halbmarathon Weltrekord in einem genialen Sololauf ab und
drückte diesen auf 58:33 Minuten. Schon damals deutete
der Kenianer seine Tempohärte an. Er kündigte
selbstbewusst den Weltrekord vorher an und brauchte keine
Hasen,
denn er ist sein eigener Tempomacher. Nach drei
Kilometern waren ihm die Hasen zu langsam und er machte
sich alleine laufend auf und davon. Ergebnis
Weltrekord! Rechnet man diese Halbmarathon
Leistung hoch, so kommt man auf 2:03:40 Stunden im
Marathonlauf. Der Sturmläufer deutete damals schon sein
Weltrekordpotential auch auf der längeren Distanz an.
Der Nachwuchsstar wird zudem je länger die Strecke wird,
umso schneller. Auf den Unterdistanzen ist Wanjiru im
Vergleich zu dem früheren Marathon Weltrekordler Paul
Tergat oder Haile Gebrselassie sogar eher
langsam (nur 3:50,28 Minuten auf 1.500 Meter und 13:12
Minuten auf 5000 Meter). Fraglich natürlich, ob diese
Zeiten wirklich ausgereizt sind, aber Fakt ist bei
Wanjiru: je länger die Strecke wird, desto besser sind
seine bisherigen Leistungen. Die 10.000 Meter lief er
2005 18-jährig bereits in der Junioren Weltrekordzeit
von 26:41,75 Minuten, dem folgte der Halbmarathon
Weltrekord und nun der Marathon-Olympiasieg. Seine
geringe Größe von 1,63 Meter und sein leichtes Gewicht
von nur 51 Kilogramm prädestinieren ihn zudem für
Marathon. Dazu kommen die
optimalen Trainingsbedingungen außerhalb Kenias, denn
als er 15 Jahre alt war, bekam er auf Grund eines
gewonnen Ausscheidungsrennens ein japanisches Stipendium
zur Verstärkung des Ikiden Staffelteams der dortigen
Sendai High School. Sein Trainer ist Koichi
Morishita, ein früherer Beppu (2:08:53) und
Tokio Sieger, der die Silber Medaille im Marathon in
Barcelona bei den Olympischen Spielen 1992 hinter dem
Koreaner Hwang Young-Cho und vor dem
Deutschen Stefan Freigang gewann. Erfolgreichster kenianischer Straßenläufer - "Made in Japan" Nun hat Wanjiru mit seinem Olympiasieg seinen japanischen Trainer sogar noch übertroffen und nicht nur ihn! In Kenia überschlagen sich im Langstreckenlauf die Superlative. Der erfolgreichste Marathon- oder Strassenläufer in Kenia zu sein, ist kein leichtes Unterfangen in diesem Läuferland. Erstaunliche Parallele: die nach Medaillen bisher erfolgreichsten Kenianer bei den Männern im Marathonlauf hatten japanische Stipendien:
Damals
feierte man seinen WM-Erfolg in der in Nairobi
erscheinenden Zeitung "Nation" unter der
Überschrift: "Marathon - eine neue Goldmine
für Kenia?" Ich las den Artikel vor Ort
bei meinem Höhentrainingslager in der Iten St. Patricks
High School in den Nandi Hills mit Verwunderung. Erst im
Winter 1988 wurde man sich offenbar bewußt, dass Kenia
auch Marathon laufen kann! Damals konzentrierte man sich
beim Verband noch stark auf den Hindernislauf, die
Bahnstrecken und den Crosslauf. Aber Kenia hatte schon
sehr erfolgreiche Vorreiter wie den Boston, New York und
Honolulu Marathon Sieger Ibrahim Hussein.
Nachwuchsläufer aus der Umgebung erzählten mir in
Kenia, wie er mit seinem gewonnenen Mercedes mit
Ersatzreifen und Benzinkanistern auf dem Dach im Busch
vorfuhr. Das war natürlich ein Auflauf! Es gibt kaum
Straßen dort und ein Fahrrad ist im Hochland von Kenia
schon ein Luxusgegenstand. Hussein wurde im wahrsten
Sinne des Wortes "steinreich", denn er baute
bald ein Steinhaus und kaufte von den Preisgeldern eine
Teeplantage und ein Fuhrunternehmen. Damals beschlossen
alle Jugendlichen und Kinder ihm nachzueifern und Läufer
zu werden.... Fukuoka - Weltklassezeit beim Debüt und Sieg mit Ansage Seinen Marathon Einstand
feierte Wanjiru im November 2007 beim 61. Fukuoka
Marathon, den er wieder mit Ankündigung in
2:06:39 Stunden gewann, schneller als Gebrselassie bei
seinem Sieg 2006. Das
Riesentalent ist also kein Mann von vollmundigen
Versprechungen, die er nicht einhält. Vor dem Fukuoka
Marathon sagt der selbstbewußte Halbmarathon
Weltrekordler, dass er sich fit für eine 2:06 Stunden
Zeit fühlt, das wäre Streckenrekord, und das gleich bei
seinem Debüt über die doppelte Distanz. Er kam sah und
siegte und verbesserte mit 2:06:39 Stunden die Marke von Atsushi
Fujita von 2000 um 12 Sekunden. Deriba
Merga aus Äthiopien, der in Peking als Vierter
knapp eine Medaille verpasste, konnte damals als einziger
bis 40 Kilometer folgen. Die beiden kennen sich daher gut
und teilten sich in Peking bei 37 Kilometer die Flasche.
Die Wetterbedingungen waren in Fukuoka mit 13 Grad kühl
und sonnig, ideal für schnelle Zeiten. Wanjiru wollte
nach der gelungenen Premiere im Frühjahr als nächstes
in London starten, um sich für die Olympischen Spiele zu
qualifizieren. Konkurrenz scheut der Kenianer offenbar
nicht. Und wieder eine Ankündigung: 2:05 möchte er dort
laufen... "Warum nicht der nächste
Streckenrekord?" fragte ich damals in meiner
Nachbetrachtung hier in meinem Laufmagazin. London - "Der kann drücken und drücken..." Bei
seinem zweiten Start legte der Kenianer in London bereits ein mörderisches Tempo vor. Lange
war man sogar in Reichweite des Weltrekords. In einer
Regenschlacht unterlag der mutige Kenianer seinem
erfahrenen Landsmann und Vorjahressieger Martin
Lel lediglich im Spurt. Mit 2:05:24 Stunden lief
er Bestzeit, schob sich auf Platz Fünf der ewigen Weltbestenliste und trieb oder genauer: führte Martin Lel
zu persönlicher Bestzeit von 2:05:15 Stunden und
Streckenrekord in London. Martin Lel sagte damals schon
nach dem Rennen anerkennend über diese Tempoarbeit: "Mein
Freund Wanjiru ist so stark, der kann drücken und
drücken und ich war mir sicher, er würde uns zum
Weltrekord führen." Durchgangszeit bei 10
Kilometern waren sehr schnelle 29:10 Minuten. Die
Halbmarathonmarke wurde in der Weltrekordgeschwindigkeit
von 62:14 Minuten passiert. Haile Gebreselassie
hatte bei seinem Weltrekordlauf in Berlin 2007 bei 10 Kilometern verhaltenere 29:24
Minuten und bei Halbmarathon eine Durchgangszeit von
62:29 Minuten. Die 30 Kilometer Marke überlief die
Spitzengruppe in London in 1:28:29 Stunden. Auch das war
schneller als Haile Gebrselassie der 30 Kilometer in
1:28:56 passierte, aber aufkommender Regen und Wind
verhinderten in der Endphase vielleicht den möglichen
Weltrekord. Der dritte Streich - im Sturmlauf zum Olympiasieg! Samuel Kamau Wanjiru machte in seinem dritten Marathon einen kenianischen Traum wahr: erstes Marathongold für Kenia! Der 21-Jährige Tempobolzer drückte trotz Wärme gleich zu Anfang auf das Tempo, so dass es statt Taktiererei ein sehr schnelles Ausscheidungsrennen gab. Mit 14:52 und 29:25 Minuten gab es weltrekordverdächtige Durchgangszeiten und die Spitzenguppe dünnte sich rasch aus. Der ungestüme Wanjiru war mit unglaublichen 62:34 Minuten schneller als die unter den Kenianern vereinbarten 64 Minuten bei Halbmarathon. Bei 37km machte der kenianische Tempoläufer endgültig ernst und verabschiedete sich von dem erstaunlich zähen Marokkaner während die anderen Verfolger weiter zurückfielen. Im Stadion durchlief Wanjiru mit klarem Vorsprung und jubelnd die letzte Runde, gab noch einmal richtig Gas und lief mit 2:06:32 Stunden neuen olympischen Rekord. Den hielt bisher der Portugiese Carlos Lopes 1984 in Los Angeles mit 2:09:21 Stunden. Im Ziel bekreuzigte er sich. Der Jungstar im Keniateam bekommt dafür vom nationalen Verband rund 20.000 Euro Prämie. Früher hat er schon einmal seine Weltrekordprämie in Höhe von 25.000 Dollar für Kinderheime in Kenia gespendet. Von der 300.000 Dollar Rekordprämie beim diesjährigen Halbmarathon Zayed International Halbmarathon in der Vereinigten Emiraten spendete er einen großen Teil seiner Familie für Farmland und einen Traktor. Sein Trainer Morishita ist begeistert: "Ich glaube, er wird den Marathon Weltrekord schon noch holen, aber er sollte sich besser auf Siege bei den großen Rennen konzentrieren. Seine stärkste Eigenschaft als Marathonläufer ist, dass er im Rennen nie aufgibt!" Nach dem Olympia Marathon gab Wanjiru den zahlreichen japanischen Medienvertretern in fliessender Landessprache Interviews, die wenigen Vertreter der kenianischen Presse sollen fast nicht zu ihm vorgedrungen sein. Allerdings plant er seine Wahlheimat zu verlassen und nach Kenia zurückzukehren. Bleibt zu hoffen, dass sein Karriere nicht darunter leidet. Nachtrag Meldung vom 14.9.2008: Raubüberfall auf Marathon-Olympiasieger Wanjiru in Kenia
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