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Was soll passieren? Am Samstag den 12.10.2019 will der 34-jährige Kenianer Eliud Kipchoge
den zweiten Versuchunternehmen,
als
erster Mensch die
Zwei-Stunden-Marke über die klassischen 42,195 km zu unterbieten. Dafür
muss man 2:50,6 Minuten über 1.000 Meter laufen. Das sind 21,1 km/h!
Falls an diesem Tage die
Wetterbedingungen nicht ideal sein sollten, kann das "Rennen" auch in
den Tagen
danach stattfinden. Der Start soll zu einer noch festzulegenden Zeit am
Morgen ab 8.00 stattfinden. Als Strecke wurde im Wiener Prater eine
nahezu flache 4,3 Kilometer
Wendepunktstrecke zwischen Praterstern und Lusthaus ausgewählt, die
mehrfach durchlaufen wird. Die Straße wurde extra neu ashpaltiert und
in den Kurven überhöht! Ein großer
Trupp von 41 Tempomachern, die alle fünf Kilometer
in Teams ausgewechselt werden, wird Kipchoge dabei als Windbrecher
unterstützen. Darunter
befinden sich
Weltklasseathleten wie die Ingebrigtsen Brüder aus Norwegen oder der
Europarekordler über Halbmarathon Julien Wanders aus der Schweiz. In
Windkanälen und in Computersimulationen wurde eigens eine von fünf
Läufern präzise zu laufende spezielle V-Formation ausgetüftelt, samt
zwei Läufern hinter Kipchoge, die den Luftwiderstand bzw.
Verwirbelungen weiter minimieren sollen. Der involvierte
Sportwissenschaftler Robby Ketchell meint, dies bringe einen Vorteil
von 1:52 Minuten für Kipchoge
Wer ist Eliud Kipchoge? Wer in der Leichtathletik zuhause ist, kennt die Antwort! Eliud Kipchoge ist der amtierende Olympiasieger und Weltrekordler
im Marathonlauf. Den Weltrekord stellte er 2018 beim Berlin Marathon mit
2:01:39 Stunden auf. Zudem war er bereits 2003 Weltmeister im 5.000 Meterlauf
in Paris, wo er in 12:52,79 min mit 19 Jahren einen Juniorenweltrekord
ausstellte. Er hat 12 seiner 13 hochklassigen Marathonläufe gewonnen und darf
derzeit als der größte Marathonläufer aller Zeiten gefeiert werden (...wenn gleich
der Äthiopier Abebe Bikila 1960 und 1964 jeweils in Weltrekordzeit
Olympiasieger wurde!). Er absolvierte bereits 2017 einen von NIKE gesponserten Sub-2:00 Hours
Rekordversuch, der mit 2:00:25 Stunden auf dem Formel-1 Kurs in Monza
knapp
scheiterte. Damals war die Veranstaltung unter Ausschluss der
Öffentlichkeit und nur als Live-Stream zu sehen. Diesmal ist der
Versuch öffentlich. Eliud Kipchoge, der diesmal mit seiner Frau und den
drei Kindern im Privatjet(!) angereist ist, bekräftigte bei der
Pressekonferenz zwei
Tage vor dem Rennen, dass er diesmal besser in Form sei. Der Lauf
damals in
Monza habe ihm das Vertrauen gegeben, dass er es schaffen kann. Seine
Grundbotschaft: Wenn Du nur fest daran glaubst, dann ist nichts
unmöglich! Hier kann man INEOS-Sub 2:00 Hours zuschauen
Wer ist der Namensgeber INEOS? INEOS ist eine weltweit operierende Gruppe chemischer Betriebe mit Sitz in London und im Privatbesitz von Jim Ratcliffe, dem reichsten Mann von Großbritannien. Nicht unumstritten: er ist Befürworter des Brexits und . Der Gewinn soll pro Jahr bei rund 1 Milliarde(!) Pfund liegen. Kein Wunder, dass man sich aus der Portokasse zu Promo-Zwecken ein Weltklasse Profi-Radsportteam (Nachfolge des SKY-Teams) und einen „Weltrekordversuch“ im Marathonlauf mit dem kenianischen Überläufer Eliud Kipchoge und dem ganzen Werbedrumherum leisten kann.
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Gibt es einen neuen Weltrekord? Klar:
Nein - selbst wenn Kipchoge 2:01:38 Stunden läuft! Laien mögen den
Unterschied im
Marketing-Feuerwerk von INEOS und der Firma Nike, die auch gleich
wieder einen
geheimnisvollen neuen Katapultschuh ("Nike Alpha Fly") einbringt, nicht
registrieren, aber die
Rennbedingungen sind nicht regelkonform, um vom ausschlaggebenden und
zuständigen Welt-Leichtathletik-Verband IAAF anerkannt zu werden. Das
„Kunstrennen“
sieht wie schon vor zwei Jahren in Monza auswechselbare Tempomacher
vor, die
dem Protagonisten unter defacto illegalen Bedingungen Windschatten
spenden. Inwieweit wieder ein Führungsfahrzeug wie in Monza
zusätzlich Windschatten spendet, bleibt abzuwarten. Ich
habe eigentlich eine hohe Meinung von Eliud Kipchoge. Nachdem
er mittlerweile auch „legaler“ Weltrekordinhaber ist, kann er sich
diesmal gerne
das Sub-2:00 Hours Projekt vornehmen. Wenn das halt nun mal sein Traum
ist... Das war 2017 anders, wo ich mich fragte,
warum (...Geld müsste er schon damals genug gehabt haben) sich dieses
Spektakel so in den Kopf gesetzt
hatte, denn den echten Weltrekord hatte er damals noch nicht. Es soll
laut eigener Aussage diesmal sein letzter Versuch sein, diese magische
Marke zu unterbieten. Die medial überhöhten Vergleiche „mit der ersten
Mondlandung“ für diese anstehende „Pioniertat“ nehme ich nicht ganz
ernst. Von
der legalen Unterbietung der 2:00 Stunden Grenze (meine ausführliche Analyse) bei einem regelkonformen
Marathon sind wir allerdings noch ein wenig entfernt und nur diese zählt
wirklich. Ich werde mir das „Rennen“ ansehen, was ja eigentlich kein wirklicher
Wettkampf Mann gegen Mann, sondern nur gegen die Uhr ist. Es ist ein nettes
Medienspektakel, aber für mich zählt nur was in einem echten regelkonformen Marathon
gelaufen wird. Mal sehen was passiert, wenn Kipchoge scheitert und Kenenisa
Bekele in Berlin 2019
mit 2:01:41 Stunden „legal“ ohne "Wechselhasen" schneller war. Und
selbst wenn Kipchoge
es schafft, dann wird immer der Makel bleiben, dass das eigentlich
nicht wirklich
zählt – so wie wenn jemand immerhin auf den Mount Everest gestiegen ist
- aber mit
Sauerstoffflasche und Sherpa (Sir Edmund Hillary und Norgay
Tensing 1953…. Kompliment an Reinhold Messner, der es ohne diese
Assistenz 27 Jahre später schaffte!). Zugegeben für mich bleibt Eliud
Kipchoges 2:01:39 Stunden in Berlin 2018 wegen seines Alleingangs nach 25 Kilometern die langsamere, aber größere Leistung! ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Start war schließlich im Wiener Prater am 12.10.2019 um 8.15 Uhr. Die Temperatur war mit knapp 10 Grad bei bedecktem Himmel und kaum Wind leistungsfördernd. Ein Elektro-Führungsfahrzeug mit einprogrammierter Geschwindigkeit beamte einen grünen Linienkorridor auf den Asphalt, der den Tempomachern die konstante Zeit auf 1:59 Stunden vorgab. Der Windschatteneffekt des Gefährts dürfte diesmal geringer ausgefallen sein, als die "fahrende Wand" vor zwei Jahren in Monza. Dafür wurden die Gruppen der jeweils sieben Wechselhasen generalstabsmäßig vor und auch hinter dem Meister platziert, um diesem maximalen Windschatten zu gewähren, was bei 21 km/h durchaus ein relevanter Faktor ist. Nicht vergessen: 1% Leistungsminderung oder eben -förderung machen bei 1:59:59 Stunden immerhin 1:12 Minuten aus! Ähnlich ist der Rennverlauf mit einer Truppe von Tempomachern beim Berlin Marathon. Dort allerdings nur bis Halbmarathon oder maximal bis 25 Kilometer, solange die Hasen, die nicht ausgewechselt werden dürfen, eben durchhalten. 2018 musste Kipchoge dann ab 25 Kilometern alleine weiterlaufen, er wurde sogar noch schneller - eine wahre Meisterleistung! Hier in Wien bekommt er, und das ist eben nicht regelkonform, diese Assistenz bis ins Ziel. Glaubt man dem Werberummel und der Gerüchteküche um die geheimnisvollen Nike-Katapultschuhe, so machen diese alleine schon vier Prozent aus! Das wären bei einer 1:59:59 Stunden Zielzeit dann schon knapp fünf Minuten! Tja hätte ich zu meiner Zeit mal solch einen Vorteil gehabt! Hasen waren damals verboten und die Schuhe waren noch teilweise aus der Steinzeit.... meine 2:11:17 Stunden von 1986 wären also unter den heutigen Bedingungen mit Hasengruppe (1%) und Wunderschuh (4%) 2:04:43 Stunden? Mir wird schwindelig.... ;-)) Kipchoge (weiß) hinter seiner Hasentruppe. Das Führungsauto projiziert die Pace in Richtung 1:59h als grüne "Zeitlinie" 1:59:40 - ein kleiner Schritt für die Menschheit! Die Zwischenzeiten wurden über den INEOS Twitterkanal, dem bis zu 47.000 folgten, zunächst falsch kommuniziert und vermittelten ein unklares Bild über die Renneinteilung. Nach den letztlich publizierten Zeiten (siehe Tabelle unten) war das Tempo nur zu Beginn ein wenig zu flott in Richtung 1:59:33 Stunden. Dann mäßigte sich die Pace auf sinnvolle 1:59:44-48 Stunden. Hoch konzentriert und unglaublich locker spulte Kipchoge sein Programm anders als beim Geisterrennen von Monza vor einer einigermaßen gut vertretenen und lautstark aufmunternden Zuschauerkulisse. Zuhause in Nairobi und v.a. in seiner Heimatstadt Eldoret verfolgten ganze Heerscharen von begeisterten Fans den Lauf. Der Halbmarathon wurde plangemäß in 59:54 Minuten durchlaufen. Eliud Kipchoge zeigte sich bestens vorbereitet in Höchstform und er ist ein Meister der zweiten Hälfte, der letzten Kilometer, was er vielfach bewiesen hat. 500 Meter vor dem Ziel überholte er seinen Tempomacherschwadron und stürmte alleine jubelnd dem Ziel entgegen. Die letzten 2,195 Kilometer lief er so schnell wie noch keiner zuvor (nochmal: aber Tempomacher-unterstützt!) in 6:04 Minuten. Das sind 2:46 min/km und somit der schnellste Abschnitt im ganzen Rennen. Phänomenal! Der Olympiasieger und Weltrekordler schaffte sein Traumziel in 1:59:40 Stunden, 45 Sekunden schneller als in Monza 2017 und eben "1:59" Minuten schneller als sein offizieller Weltrekord von Berlin 2018. Zweifelsohne eine grandiose Leistung, aber leider unter "Laborbedingungen". Dennoch meine Gratulation! Schrieb er nun Sportgeschichte wie werbewirksam kommuniziert, oder "nur" eine Geschichte im Sport ? War das nun vergleichbar mit der Mondlandung 1969, wie im Vorfeld hochgehyped? Vorausgesetzt die Amerikaner waren vor 40 Jahren wirklich auf dem Mond ;-)), dann war es damals bekanntermaßen zweifelsohne "ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit". Heute waren es für Eliud Kipchoge eher "viele große Schritte, aber wohl nur ein kleiner Schritt für die Menschheit!" Also eher eine Punkt- als eine Mondlandung ;-))
Wie schon im Vorbericht kommentiert, so ganz nehme ich das Event nicht wirklich ernst. Immerhin mag diese Leistung Kipchoges Antwort auf Kenenisa Bekeles Lauf in Berlin gewesen sein, der dem Kenianer dort bis auf zwei Sekunden bedrohlich nahe kam. Äthiopiens Marathonläufer trauten nun ihrem Rekordhalter den ersten Lauf unter 2:00 Stunden zu. Der Wettstreit Kenia gegen Äthiopien ging in eine neue Runde. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter, was reizt Kipchoge noch? In Kenia ist er einer der reichsten Bürger, Geld dürfte ihn schon längere Zeit nicht mehr interessieren. Er ist nun offiziell und inoffiziell der Schnellste über 42,195 Kilometer. Kipchoge soll für den Frühjahrsmarathon mit London noch einen Vertrag haben und vielleicht möchte er sein Olympiagold im Sommer in Tokio verteidigen und somit mit einem anderen Afrikaner, dem Äthiopier Abebe Bikila gleichziehen, der - wie weiter oben schon beschrieben - zweimal Olympiasieger 1960 und 1964 wurde und das jeweils mit Weltrekordzeit. |