Chicago Marathon
2019 |
Autor
und Copyright: Herbert Steffny
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Brigid Kosgei lief einen neuen Weltrekord - Hier die Kenianerin bei ihrem Sieg in Honolulu 2017
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Im Vorfeld spekulierte man in Chicago durchaus, dass es möglich sei, dass Brigid Kosgei den Streckenrekord von Paula Radcliffe unterbieten könnte. Der stand immerhin bei starken 2:17:25 Stunden. Doch die überragende Siegerin des Vorjahres und des London Marathons 2019 (2:18:20 Stunden) hatte begleitet von zwei Tempomachern offenbar viel mehr vor. Die 24-Jährige stürmte bei kühler Witterung und etwas Wind anders als in London, wo sie verhalten begann, auf dem schnellen Kurs in Chicago nach fünf Kilometern bereits auf eine Zeit von 2:10:31 Stunden(!) los. Ja, wirklich! Ähnlich verrückt begann bisher nur Landsfrau Mary Keitany einen Teil ihrer Rennen, wobei diese in der zweiten Hälfte oft einbrach und bessere Leistungen verschleuderte. Man durfte also gespannt sein, ob Kosgei, die in diesem Jahr mit 64:28 Minuten die schnellste Halbmarathonzeit aller Zeiten erzielt hat (allerdings auf dem Great North Run Kurs, der ein wenig zuviel Gefälle hat) an diesem Höllentempo zu Grunde gehen würde.
Marathon Weltrekord nach Afrika
Zugegeben, der Weltrekord von Paula Radcliffe war schon länger kein Tabu mehr. Man wunderte sich ohnehin, dass die Afrikanerinnen an die Leistung der Britin lange Zeit nicht mehr herankamen. Doch in den letzten Jahren schoß sich Äthiopien und Kenia auf diesen Fabelrekord, der seit 16,5 Jahren Bestand hatte, langsam ein. Immer näher rückten die Afrikanerinnen mit 2:17er Zeiten heran, allen voran Mary Keitany mit 2:17:01 Stunden, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann es geschehen würde. So gesehen kam der Rekordlauf beim 42. Chicago Marathon der Kenianerin Brigid Kosgei nicht ganz von ohngefähr. Nach Tegla Loroupe (2:20:47h Berlin 1998) und Catherine Ndereba (2:18:47h Chicago 2001) ist der Weltrekord nun zurück in Kenia. Die Art und Weise aber, und um wieviel Brigid Kosgei ihre sicherlich noch nicht ganz ausgereizte Bestzeit von London 2019 (2:18:20h) nach vorne katapultieren konnte, ist auf diesem bereits hohen Niveau dann doch erstaunlich.
Bei Halbmarathon hatte sie bei ihrem Sololauf mit 66:59 Minuten, zwar etwas langsamer werdend, aber den Weltrekord noch klar im Visier. Der Abstand zur Zweiten Ababel Yeshaneh betrug bereits 1:23 Minuten. Doch die Kenianerin hielt trotz ihrer unökonomischen Lauftechnik (extrem die Arme quer schlenkernd) ihr Tempo bei und siegte mit einer fast gleichen zweiten Hälfte (67:05 Minuten) in der kaum für möglich gehaltenen Zeit von 2:14:04 Stunden! Auf den letzten 2,195 Kilometern in 6:53 Minuten konnte sie ohne ihre Hasen sogar noch leicht beschleunigen und war auch hier schneller als Paula Radciffe (6:56min). Sie unterbot damit ihren Hausrekord um 4:16 Minuten und Paula Radcliffes Weltrekord von London 2003 um 1:21 Minuten! Das Durchschnittstempo liegt bei 3:12min/km! Der Abstand zwischen der Männer- und Frauenleistung (s. Grafik) liegt nun bei 10.2 Prozent. Wie in meinem "Großen Laufbuch" an verschiedenen Stellen ausführlich dargestellt, ist dieser vom Sprint bis zum Ultralauf in etwa gleichbleibend immer um die 10 Prozent, somit also im Rahmen der Erwartungen! Ach so, wer belegte die nächsten Plätze? Dahinter liefen die Äthiopierin Ababel Yeshaneh als Zweite (2:20:51h) und Landsfrau Gelete Burka (2:20:51h) schon fast menschliche Zeiten!
Grafik: Die Entwicklung des Frauen- und Männerweltrekords verläuft nun parallel.
Der Leistungssunterschied beträg erwartungsgemäßt rund 10 Prozent.
Schuhdoping, Hokus-Pokus oder läuft der Verdacht mit?
Schlag auf Schlag ging es an diesem Wochenende, denn dieser Rekordlauf ist nur einen Tag nachdem der Weltrekordler Eliud Kipchoge "illegal" die 2:00h Mauer im Marathonunterbot! Ich kann mich nicht so recht für diesen Frauenweltrekord begeistern, denn er hat einen unangenehmen Beigeschmack: Brigid Kosgei wird von dem mit Doping Skandalen belasteten Stall von Dr. Frederico Rosa gemanaged (u.a. mit den gedopten Weltklasseläufern Rita Jeptoo, Jemima Sumgong, Asbel Kiprop). Was geht hier derzeit auf der Langstrecke ab? Eliud Kipchoge unter 2:00 Stunden, wenn gleich unter "künstlichen Bedingungen", sein Trainingskumpel Geoffrey Kamworer zertrümmerte im September den Halbmarathonweltrekord mit 58:01 Minuten, Kenenisa Bekele verfehlt Kipchoges Weltrekord in Berlin nur um zwei Sekunden und nun Brigid Kosgei! Es wird langsam unheimlich! Sind denn in diesem Herbst nun alle in den Zaubertrank von Miraculix gefallen? Oder sollte sich der Schuh wieder als des Rätsels Lösung herausstellen? Brigid Kosgei lief ebenfalls in dem Eliud Kipchoge Schuh "Nike Vaporfly"! Schaut sich die IAAF mal die Schuhe genauer an oder ist das statt "Schuhdoping" nur alles Placebo-Hokus-Pokus?
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bei uns bestellenLawrence Cherono mit nächstem Sieg
Bei den Männern siegte mein eigentlicher Favorit Lawrence Cherono, u.a. der Boston MarathonSieger des Frühjahres. Er ist ein typischer Siegläufer mit starkem Finale, aber ebenfalls aus dem "Dr. Rosa-Stall". Auch in Chicago kam es zu einem finalen Sprint eines Quartetts, den der Kenianer mit einer bzw. drei Sekunden Vorsprung in 2:05:45 Stunden vor den beiden Äthiopiern Dejene Debela und Asefa Mengistu gewinnen konnte. Als Vierter erzielte der Kenianer Bedan Karoki in 2:05:53 Stunden ebenfalls noch eine Topzeit. Der hoch gehandelte Titelverteidiger Mo Farah (GBR) spielte zu keiner Phase des Rennens eine Rolle und wurde Achter in 2:09:58 Stunden. Die anderen ehemaligen Alberto Salazar Schützlinge Galen Rupp, Sieger 2017 und Jordan Hasay stiegen aus. Kein guter Tag für die (Ex-)NOP-Athleten! Brigid Kosgei und Lawrence Cherono gewannen 2017 übrigens auch zusammen beim Honolulu Marathon, wo ich ihnen erstmals als Journalist begegnet bin. Beide stellten damals für Tropenverhältnisse fast unglaublich schnelle Streckenrekorde auf.
Der Kenianer Lawrence Cherono - Sieger u.a. in Hawaii und Chicago
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
45.962 Läufer beendeten das Rennen, davon 21.333 Frauen, was einem hohen Anteil von 46,4 Prozent entspricht. Den 13. Platz Gesamtrang bei den Frauen belegte übrigens die Deutsche Anke Esser in für sie guten 2:32:06 Stunden. Hinter ihr war als schnellster deutscher Mann Patric Starosta auf Rang 226 in 2:36:02 Stunden. Immerhin beendeten 688 Deutsche den Rekordlauf.
Männer
Frauen 1. Lawrence Cherono (KEN) — 2:05:45
2. Dejene Debela (ETH) — 2:05:46
3. Asefa Mengstu (ETH) — 2:05:48
4. Bedan Karoki (KEN) — 2:05:53
5. Bashir Abdi (BEL) — 2:06:14
6. Seifu Tura (ETH) — 2:08:35
7. Dickson Chumba (KEN) — 2:09:11
8. Mo Farah (GBR) — 2:09:58
9. Jacob Riley (USA) — 2:10:36
10. Jerrell Mock (USA) — 2:10:371. Brigid Kosgei (KEN) — 2:14:04 WR
2. Ababel Yeshaneh (ETH) — 2:20:51
3. Gelete Burka (ETH) — 2:20:55
4. Emma Bates (USA) — 2:25:27
5. Fionnuala McCormack (IRL) — 2:26:47
6. Stephanie Bruce (USA) — 2:27:47
7. Lindsay Flanagan (USA) — 2:28:08
8. Laura Thweatt (USA) — 2:29:06
9. Lisa Weightman (AUS) — 2:29:45
10. Taylor Ward (USA) — 2:30:14