Die schnellsten und glücklichsten
Verlierer beim Marathon
(26.3.2009, teilweise ergänzt 21.4.2014)
Siegerfoto Berlin 2008 - nicht nur Haile
überquerte das Ziel in Siegerpose!
(Foto,
Copyright: Herbert Steffny)
|
The
winner takes it all! Abba was ist mit den
anderen? Davon soll hier die Rede sein. Wir
beschäftigen uns mit Verlierern, die es
eigentlich gar nicht gibt, denn das
ungeschriebene Gesetz und der kleinste gemeinsame
Nenner beim Marathonlauf ist: Jeder ist
ein Sieger! Aber nur einer steht
wirklich oben auf dem Treppchen, wie siegen dann
die andern? Nun, da gibt es viele Sichtweisen.
Die Altersklassen Sieger stehen auch kurz ganz
oben auf dem Treppchen. Ist dank Altersbonus
genehmigt. Jeder hat da ansonsten vielleicht
vollkommen zurecht seine eigene oder zurecht
gebogene Sichtweise und bestimmt einen Grund sich
auch weiter hinten als Sieger zu fühlen. Als
Dieter Baumann 2002 beim Marathon in Hamburg
ausstieg, bedruckten sich selbst Schwaben
T-Shirts stolz mit dem Slogan: "Hamburg
Finisher vor Olympiasieger Dieter Baumann!"
Alles ist relativ, mehr dazu weiter unten. Ich
selbst habe zwar einige City Marathons gewonnen,
kenne das Gefühl ganz vorne durchaus. Aber hier
möchte ich mich nicht ohne ironischen Unterton
und mit interessanten Statistiken mit dem
Verlieren und den Verlierern beim Marathon
beschäftigen. Genau genommen, warum wir
eigentlich ab Platz zwei doch keine Verlierer
sind, sondern eher "Lucky
Loser", also "glückliche
Verlierer" oder auch "Zweite
Sieger!"
|
Stellen Sie
sich vor, Sie laufen beim Marathon die
Weltklassezeit von 2:06:38 Stunden, aber das
reicht in London "nur" für den
sechsten Platz! So geschehen dem Äthiopier Deriba
Merga in London 2008. Wer spricht schon vom Sechsten?
Mit der Zeit könnte man eigentlich sehr
zufrieden sein, das Preisgeld ist aber
entsprechend mager. Lucky Loser
- Pech gehabt! Fast alle anderen
Marathons hätte man mit dieser Zeit locker
gewonnen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach
auch mehr verdient. Noch schlimmer ist es, wenn
Sie nicht Sechster, sondern erstklassiger
Zweiter würden und keiner hat es
gemerkt. Meine Empfehlung: Dann starten Sie nicht
in Berlin...
|
Lucky Loser -
Weltklasseläufer bewundern Haile.
Gegen den Weltrekordler kann man "gut"
verlieren.
Allerdings gelang Abel Kirui (links) bei der WM
2009
in Berlin als Weltmeister dann doch der große
Auftritt!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Der Linke verliert! Der Rechte gewinnt!
Abderrahim Goumri schaffte die einmalige
Leistung bei vier großen Marathons Zweiter
zu werden. Martin Lel dagegen ist ein typischer
Siegertyp, der zweimal New York und dreimal
London gewann!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
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Erstklassig in Berlin
verlieren Als
Eliteläufer startet man nicht nur wegen des
Geldes, sondern sucht auch nach Rennen, in denen
ganze Gruppen auf einem schnellen Kurs gemeinsam
auf Bestzeit oder Olympianorm laufen.
Insofern kann man aus den unten folgenden
Tabellen auch ablesen, wo wirklich schnelle Kurse
sind, wo die Eliteläufer die Klingen am
heftigsten kreuzen und wo es am dichtesten
besetzt ist. Meistens sind es einzelne
denkwürdige Rennen, bei dem ideale Witterung auf
schneller Strecke bei optimalem Rennverlauf
zusammen kamen. Wer als Freizeitläufer in Berlin
1999, 2001, 2003, 2005, 2007 oder 2008 dabei war,
kann sich trösten im Frauen- oder
Männer-Weltrekordrennen dabei gewesen zu sein.
Mehr noch: man hat Takahashi, Tergat, Haile und
Co. vor sich her bis zum Weltrekord getrieben!
Für einen selbst hat es immerhin zur Bestzeit
gereicht...
Der Weltcup in Hiroshima
war 1985 zu meiner Zeit so ein Tag, wo man
einfach dabei gewesen sein muss. Es hagelte auf
einer topfebenen (2 Meter Höhendifferenz!),
frisch asphaltierten, exakt vermessenen Strecke
nur so persönliche Bestzeiten. Schon damals,
aber noch mehr heute ist der London Marathon so ein schnelles Pflaster. Ganze
Rudel riskieren hier etwas an der Spitze. Beim Berlin Marathon hat man nicht genug Geld, um hinter
Haile "Superstar" Gebrselassie
noch ein Top-Elitefeld zusammenzukaufen. Trotzdem
kommen immer wieder freiwillig schnelle Läufer
nach Berlin... der schnellen Strecke und der
Bestzeit wegen, aber auch mit dem Risiko Zweiter
zu werde, zumindest solange die Trumpfkarte Haile
Gebrselassie sticht. Aber das tut sie nun schon
seit vier Jahren. Die 2007 und 2008 sogar mit
Weltrekord und 2009
hat der Äthiopier bei seinem vierten Sieg in
Folge wenigstens den 30km Weltrekord mitgenommen.
Die Weltrekordjagd geht weiter. Vielleicht ist der
Marathon Olympiasieger Samuel Wanjiru der nächste Weltrekordler 2010 in
der Bundeshauptstadt? In Berlin kann man wirklich
erstklassig verlieren. Wer wird dort der nächste
prominente zweite Sieger werden, vielleicht Haile
himself?
|
Sieg oder Tod!Kleines Psychogramm rund um das
Podest. Radsportler sagen Sieg oder Tod!
Na ja... in der Leichtathletik ist man da weniger
drastisch. Hier darf man als Zweiter am Leben
bleiben, aber wird man auch zu Ruhm und Ehren
kommen? Kann das befriedigen, wenn man den
Lorbeerkranz, den Sieg, Gold und Geld schon knapp
vor Augen hatte und die Tür dann doch noch
zuklappt? Der Erste hat sicher alles richtig
getan, der Zweite hat verloren,
der Dritte freut sich dagegen wieder, denn er
steht noch auf dem Treppchen und bekommt nahe am
Abgrund zu Platz vier doch noch eine Medaille und
darf mit aufs Siegerfoto und Podest. Damit ist
alles gesagt, der Vierte ist der A...., und dabei
so tragisch nahe am Glanz einer Medaille vorbei
geschrammt. Vielleicht ist der Vierte der
einzige wirkliche Verlierer?
Ehrenrettung für alle "Nichtersten",
vornehm olympisch und positiv ausgedrückt: Dabei
sein ist alles! Auch die Teilnahme zählt
(...während der Erste sein Preisgeld zählt!).
Ja, richtig: Olympiateilnahme ist und bleibt
Olympiateilnahme - Trost für die zweite Liga!
Dennoch: Siege bleiben haften!
James Kwambai
aus Kenia ist mit 2:04:27 Stunden der
schnellste Verlierer aller Zeiten!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
|
James
Kwambai - der weltschnellste Verlierer! Wissen Sie noch wie der
Zweite hinter Haile Gebrselassie in Berlin 2008 beim Weltrekordrennen
hieß? Ich glaube dafür müssen selbst
Fachleute nachschauen: James
Kwambai! Who the heck is
James Kwambai??? Der Kenianer rannte
mit Haile bis 35 Kilometer das
Mördertempo mit, fiel dann zurück, um
in hervorragenden 2:05:36 Stunden und
persönlicher Bestzeit "Lucky
Loser" zu werden. Ein kometenhafter
Aufstieg des 25-Jährigen aus
dem "Dottore-Rosa-Fila-Team,"
zu dem übrigens die meisten
Weltklasse-Kenianer gehören. Seine
Bestzeit stand aus Brescia 2006 bei
2:10:20 Stunden, 2007 wurde er in
moderaten 2:12:25 Stunden Fünfter in New
York. Erstaunlich und übersehen: der vom
Meister Geschlagene stieg in seinem
Schatten zum siebtschnellsten
Marathonläufer aller Zeiten auf! Aber
wen kümmert das noch, wenn vorne Haile
Weltrekord in 2:03:59 Stunden raushaut!
James, so heißt der Butler.... Aber
James versuchte es im Folgejahr erneut,
aber wieder für ihn dumm gelaufen! In
Rotterdam 2009 wurde James Kwambai schon
wie der Sieger aussehend noch von
Landsmann Duncan Kibet
abgefangen. Beide erzielten mit 2:04:27
Kenia Rekord und die zweitschnellste
Marathonzeit aller Zeiten, aber Kwambai
wurde wieder nur Zweiter. Es bleibt ihm
immerhin zum Trost der inoffizielle Titel
des weltschnellsten Verlierers.
Ach so, James Kwambai wurde auch in
Boston 2008 ...na was wohl? Zweiter!
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Sammy Korir - weltbester Vize-Weltrekordler und
schnellster Hase
Nochmals Tatort Berlin,
aber anno 2003: Noch weniger Glück als Kwambai
hatte dort Sammy Korir. Der
Teamgefährte führte als Edelhase zunächst seinen Chef Paul
Tergat auf Weltrekordtempo, um dann
nicht auszusteigen und ihn im Spurt mit nur einer
Sekunde Rückstand regelrecht zum Weltrekord zu
jagen. Doppelt dumm, aber auch wieder gut...
immerhin ist er immer noch der schnellste
Vize-Weltrekordler und der zweitschnellste
Verlierer aller Zeiten nach James
Kwambai. Nebenbei ist Korir wenigstens der schnellste
Hase aller Zeiten! Dem fünffachen
Crossweltmeister Tergat gelangen übrigens
nur wenige Siege über die
Marathonstrecke: neben Berlin 2003, noch in New
York 2005 und jüngst im Februar 2009 beim Otsu
Marathon in Japan! Der unbekanntere Sammy Korir
siegte dagegen immerhin bei fünf bedeutsamen
Rennen und er ist der Läufer mit den meisten
Weltklassezeiten unter 2:09 Stunden, was ihm
immerhin elf Mal gelang. Gebrselassie schaffte
das (bisher) nur acht Mal!
McTwo
- wenig Spezialisten für Platz zwei
Es gibt ausgesprochene Siegläufer
bei Marathon-Meisterschaften und City-Marathons
wie z.B. Haile Gebrselassie, Samuel
Wanjiru, der äthiopische Weltmeister
und Olympiasieger Gezhagne Abera,
der zweifache New York und dreifache London
Sieger Martin Lel aus Kenia, der
frühere US-marokkanische Weltrekordler Khalid
Khannouchi, oder bei den Frauen Paula
Radcliffe. Dagegen sind ausgesprochene Verlierentypen
eher rar, oder keiner kümmert sich so
richtig um sie (außer mir natürlich in diesem
Beitrag!). James Kwambai ist so ein Pechvogel,
aber es gibt noch ein paar andere. Der
unbekanntere 2:07:56 Stunden Kenianer Simon
Bor lief bei seinen drei schnellsten
Rennen jedes Mal auf Platz zwei ein (Amsterdam
1998, 2002 und Wien 2000). Etwas erfolgreicher,
aber dennoch mit überwiegend Zweitplazierungen
waren zwei seiner Landsleute. Josephat
Kiprono siegte immerhin bei seinen sechs
schnellsten Rennen zwei Mal (Berlin 2:06:44, 1999
und Rotterdam 2001) landete aber in Amsterdam,
Berlin, Chicago und Rotterdam jeweils auf dem
undankbaren zweiten Platz. Der noch schnellere Daniel
Njenga (2:06:16 Stunden, Chicago) siegte
bei seinen sechs schnellsten Rennen sogar nur ein
Mal in Tokio, war aber bei seinen fünf anderen
Weltklasseauftritten beim Chicago Marathon
dreimal der Zweite und zwei Mal der Dritte. Eine
stattliche Sammlung von Zweitplatzierungen bei
erstklassigen Marathons hat auch der Marokkaner Abderrahim
Goumri. Zweiter in London 2007, New York
2007 und 2008 und in Chicago 2009.
Hier nun die Hitparade der weltschnellsten
Zweitplazierten bei Männer Marathons,
in die es James Kwambai gleich zweimal geschafft
hat:
Lucky loser -
Weltbestenliste der Verlierer:
Männer (Stand
1.5.2010)
|
Rang |
Zeit |
Name |
Nation |
Ort |
Datum |
1. |
2:04:27 |
James Kwambai |
KEN |
Rotterdam |
05.04.2009 |
2. |
2:04:55 |
Geoffrey Kiprono
Mutai |
KEN |
Rotterdam |
11.04.2010 |
3. |
2:04:56 |
Sammy Korir |
KEN |
Berlin |
28.09.2003 |
4. |
2:05:20 |
Tsegay Kebede |
ETH |
London |
26.04.2009 |
5. |
2:05:24 |
Samuel Wanjiru |
KEN |
London |
13.04.2008 |
6. |
2:05:36 |
James Kwambai |
KEN |
Berlin |
13.04.2008 |
7. |
2:05:48 |
Paul Tergat |
KEN |
London |
14.04.2002 |
8. |
2:06:04 |
Abderrahim Goumri |
MAR |
Chicago |
11.10.2009 |
9. |
2:06:15 |
Bazu Worku |
ETH |
Paris |
04.04.2009 |
10. |
2:06:16 |
Moses Tanui |
KEN |
Chicago |
24.10.1999 |
|
Marathon Doppel-Weltmeisterin Catherine
Ndereba
ist auch die schnellste Verliererin aller Zeiten.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Ludmilla Petrova - Mastersweltrekordlerin
(40 Jahre)
im Marathonlauf (2:25:43 Stunden, New York 2008)
wurde je zweimal Zweite in New York (2008, 2009)
und
in London (2006, 2004) gewann aber nur einmal
einen Marathon in New York 2000)
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
|
Weltbeste Verliererin -
Weltmeisterin Ndereba Die Überschrift klingt paradox? Bei
den Frauen hatte Catherine Ndereba
als Marathon-Doppelweltmeisterin nicht nur Glück. Zweimal wurde die
Kenianerin Zweite bei den Olympischen Spielen und einmal holte sie noch Silber
bei einer weiteren Marathon Weltmeisterschaft.
Scheinbar abonniert auf zweite Plätze führt sie
auch gleich mit zwei Leistungen die nachfolgende
Tabelle der fünf schnellsten Zeiten
einer Zweiten bei den Frauen an und
taucht noch ein weiteres Mal als Fünfte unter
den schnellsten Verliererinnen auf. Sie wurde
bisher bei Weltklasse Marathonrennen oder
internationalen Meisterschaften immerhin fünf
Mal Erste, aber sieben Mal Zweite. Sie ist somit
die weltbeste Verliererin. Aber immerhin hat
"Katharina die Große" die meisten
Marathonmedaillen bei den Frauen ergattert (zwei
Gold, drei Silber). Anders Paula
Radcliffe, die früher auf der Bahn
immer um das Tempo bemüht war, aber so gut wie
alles im Spurt verlor. Sie war eher auf Platz
vier oder fünf abonniert. Erst im Halbmarathon
und Marathonlauf blühte sie auf und wurde zur
echten Siegläuferin. Die dreifache Halbmarathon
Weltmeisterin, Marathon
Weltrekordlerin und
dreifache New York Marathon Siegerin hat bisher bei elf Marathonstarts
acht Siege erzielt, darunter ist aber
"nur" ein Weltmeistertitel. Zweite wurde die Britin im
Marathonlauf noch nie. Wenn es nicht klappte,
dann stieg sie aus (Olympische Spiele in Athen
2004) oder wurde so richtig durchgereicht wie bei
den Olympischen Spielen in Peking 2008, wo sie
als 23. Platzierte eintrudelte. In New York 2009 kam sie wie zu alten Zeiten in
Führung liegend nur auf Platz vier ein. Wie
schon oben erwähnt, die blödest mögliche
Plazierung! Ludmilla Petrova
wurde im selben Rennen zum vierten Male Zweite
bei einem großen City Marathon, gewann aber nur
einmal in New York 2000 (Bild links). Gerne verliert bei den größten Marathons offenbar auch die Äthiopierin Buzunesh Deba ihren beiden zweiten Plätzen beim prestigeträchtigen New York Marathon 2011 und 2013 ließ sie 2014 einen zweiten Platz beim Boston Marathon folgen.
|
Lucky loser -
Weltbestenliste der Verlierer:
Frauen (Stand 1.5.2010)
|
1. |
2:19:26 |
Catherine Ndereba |
KEN |
Chicago |
13.10.2002 |
2. |
2:19:55 |
Catherine Ndereba |
KEN |
London |
13.04.2003 |
3. |
2:20:47 |
Galina Bogomolova |
RUS |
Chicago |
22.10.2006 |
4. |
2:21:11 |
Chunxiu Zhou |
CHN |
Peking |
16.10.2005 |
5. |
2:21:12 |
Catherine Ndereba |
KEN |
Boston |
15.04.2002 |
Die besten Verlierer hinter den Zweiten
Gehen wir
weiter nach hinten, sagen wir mal in eigener
Sache bis auf Platz 14. Wie kann man denn das in
einen Erfolg ummünzen? Wie wird man so weit
hinten noch zum "Lucky Loser", also der
weltweit Zweitbeste auf Platz 14? Ich hole ein
bisschen aus: rund 10 Jahre hielt mein
"kleiner Weltrekord" für den 14.
Plazierten, den ich beim Marathon Weltcup
in Hiroshima 1985 mit 2:11:49 Stunden
aufstellte, also war ich zunächst mal Erster
unter allen 14.Plazierten weltweit. Nicht
wirklich wichtig, davon kann man sich auch nichts
kaufen, aber es weckt das Interesse eines
Statistikers. Ich war stolz auf diesen "Weltrekord
für Platz 14", den ich dem Finnen
Pertti Tiainen entriss, den dieser bei der WM
1983 in Helsinki mit 2:12:11 Stunden aufgestellt
hatte. Ob der das überhaupt wußte?
Dieser
inoffizielle Rekord überlebte bis 1994, dem
denkwürdigen Rückenwindtag in Boston.
Boston ist ein "Punkt zu Punktkurs",
also nur in eine Richtung führend. Bläst der
Wind von hinten, so fördert das natürlich
schnelle Zeiten. Nach den AIMS Richtlinien ist
das nicht bestenlistenfähig, zumal die
zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu laufende
wellige Strecke auch noch zuviel Gefälle
aufweist. Da Boston aber Boston ist, die
"heilige Kuh" der amerikanischen
Marathons, Mitglied bei den World Marathon Majors
und dazu noch der älteste Marathon überhaupt,
schauen viele einfach darüber hinweg. Am
18.4.1994 war es soweit. Rückenwind, dass die
Haare der LäuferInnen nach vorne wehten. Die
Deutsche Uta Pippig kam, sah und
siegte und lief ihre legendäre 2:21:45 Stunden,
einen zweifelhaften deutschen Rekord, den der
Deutsche Leichtathletik Verband dann später, den
allgemeinen Richtlinien folgend, wieder aus den
Listen strich. Vier Minuten schneller als ihre
zweitbeste Zeit bzw. ihr normales
Leistungsvermögen lief nicht nur Uta Pippig,
sondern im Durchschnitt übrigens die ersten zehn
bei den Männern und Frauen. Fast niemand konnte
später nur annähernd diese Leistungen
bestätigen.
Fiel dabei nun
mein "Weltrekord für Platz 14"? Dem in
Boston 14.plazierten Kenianer Lameck Aguta wurde
in 2:11:19 Stunden nun diese Ehre zuteil,
natürlich nur mit meinem stillen Protest und
ohne meine Zustimmung. "Legal"
verbesserte dann Stephen Ndungu in Berlin 1997
meine Marke auf 2:11:17 Stunden. Das erkannte ich
nun fairerweise an. Fortan war ich der beste
Zweite, also der Lucky Loser der
nicht geführten inoffiziellen Weltbestenliste
für Platz 14. Diesen Platz verlor ich
dann sechs Jahre später als bei der WM in Paris
2003 sich der Schweizer Viktor
Röthlin in 2:11:14
Stunden noch davor schob. Mittlerweile ist es der
Kenia-Franzose James Kibocha Theuri,
der in Paris bei dem superschnellen Rennen 2009
in 2:10:39 Stunden "nur" 14. wurde.
Aufgelistet habe ich in der nachfolgenden
Tabelle, wer bei den Männern und Frauen aktuell
die jeweils weltschnellste Marathonzeiten für
die Platzierungen 1 bis 10 gelaufen ist:
|
"Platzierungs-Weltrekordler"
- Männer
(Stand 1.5.2010)
|
Platzierung |
Zeit |
Name |
Nation |
Ort |
Datum |
Platz 1 |
2:03:59 |
Haile Gebrselassie |
ETH |
Berlin |
28.09.2008 |
Platz 2 |
2:04:27 |
James Kwambai |
KEN |
Rotterdam |
05.04.2009 |
Platz 3 |
2:05:04 |
Abel Kirui |
KEN |
Rotterdam |
05.04.2009 |
Platz 4 |
2:05:23 |
Feyisa Lilesa |
ETH |
Rotterdam |
11.04.2010 |
Platz 5 |
2:06:17 |
Ryan Hall |
USA |
London |
13.04.2008 |
Platz 6 |
2:06:38 |
Deriba Merga |
ETH |
London |
13.04.2008 |
Platz 7 |
2:07:31 |
Jonathan Kipkorir |
KEN |
Paris |
05.04.2009 |
Platz 8 |
2:08:11 |
Shadrack Kiplagat |
KEN |
Paris |
05.04.2009 |
Platz 9 |
2:08:12 |
John Komen |
KEN |
Paris |
05.04.2009 |
Platz 10 |
2:08:38 |
Daniel Kiprugut Too |
KEN |
Paris |
05.04.2009 |
"Platzierungs-Weltrekordler"
- Frauen
(Stand 1.5.2010)
|
Platzierung |
Zeit |
Name |
Nation |
Ort |
Datum |
Platz 1 |
2:15:26 |
Paula Radcliffe |
GBR |
London |
13.04.2003 |
Platz 2 |
2:19:26 |
Catherine Ndereba |
KEN |
Chicago |
13.10.2002 |
Platz 3 |
2:21:16 |
Deena Kastor |
USA |
London |
13.04.2003 |
Platz 4 |
2:21:31 |
Svetlana Zakharova |
RUS |
Chicago |
13.10.2002 |
Platz 5 |
2:21:58 |
Galina Bogomolova |
RUS |
London |
23.04.2006 |
Platz 6 |
2:23:43 |
Constantina Dita |
ROM |
London |
13.04.2003 |
Platz 7 |
2:24:01 |
Jelena Prokopcuka |
RUS |
London |
13.04.2003 |
Platz 8 |
2:24:56 |
Elefenesh Alemu |
ETH |
London |
13.04.2003 |
Platz 9 |
2:25:32 |
Mihaela Botezan |
ROM |
London |
13.04.2003 |
Platz 10 |
2:26:33 |
Derartu Tulu |
ETH |
London |
13.04.2003 |
Nicht der Erste, aber
zwei weitere Sieger beim Hawaii
Marathon.
Am Lächeln könnte man vielleicht noch ein wenig
arbeiten.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Klasse Siegerfoto! So läuft man über den
Zielstrich! Strahlen, die Faust geballt, die
Meute abgehängt. Die Sache hat nur einen Haken.
Takayoshi Inoue ist nicht der Erste, sondern
läuft als 107. in Honolulu ein. Aber wer weiß
das schon, wenn man das Foto sieht! Gut gemacht
Takayoshi!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Kurz vorm dem Besenwagen, wer besiegt wen?
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
|
Jeder ist ein Sieger - über Schweinehunde und
Co.
Sie mögen
über mich lächeln mit meiner 14.Platz
Statistik.... Nun ja, stimmt. Aber ehrlich, wer
schielte nicht, ob er/sie nicht wenigstens im
Lauftreff der/die Erst-/Zweit-/Drittbeste war,
zumindest in seiner/ihrer Alterklasse? Einmal hat
man bei einem Volkslauf sogar auf dem Treppchen
gestanden. Psssst! Nicht verraten, es starteten
nur drei! ;-)) Jeder ist ein Sieger! Das ist
Gesetz und auch richtig so, man hat sich
zumindest selbst besiegt. Nicht nur der Erste
mußte sich schon vorher überwinden. Monatelang,
nein jahrelang wurden im Winter im Training bei
Schmuddelwetter oder bei Hitze im Sommer fleißig
Kilometer gesammelt und auf Hefeweizen und
Schokolade (weitgehend) verzichtet. Im Rennen
selbst wurden viele hundert innere
Schweinehunde überwunden. Beim
Eliteläufer dauert dieser Kampf mit den
Zweifeln, dem nagenden Gedanken "wieso tue
ich mir das eigentlich an?" der Kampf mit
Muskelschmerzen, Krämpfen, Blasen,
wundgeriebenen Brustwarzen und Seitenstechen
vielleicht nur 35 bis 40 Minuten. Der
Freizeitläufer braucht für dieselbe
Durst-Strecke von 30 bis 42,195 Kilometer aber
viel länger, nämlich im Durchschnitt fast
doppelt solange, wenn man um die 4:00 Stunden
einläuft. Wer hat also die härtere Leistung
vollbracht? Etwa so ein Elite-Weichei,
das den Marathon ganz vorne beendet und sich nur
kurz dieser Qual ausgesetzt hat? Mitnichten! Die
wirklich zähen und harten Kämpfer, die wahren
Sieger über die langanhaltenden quälerischen
Abgründe, die vielleicht auch selbstverschuldet
angesichts mangelnder Vorbereitung auftauchen,
laufen viel weiter hinten ein.
Steht man im
Ziel als Fotograf, so gilt: "Liebe Läufer,
bitte ein Lächeln, zumindest gequält! Nur nicht
die Uhr im Ziel abdrücken! Jubeln! Hände hoch -
ich schieße!" Und so bekommt jeder, der die
Ziellinie noch als solche registriert, meist sein
verdientes "Lucky
Loser- Siegerfoto", kaum zu unterscheiden vom
Strahle-Foto der Ersten. Doch, da ist vielleicht
noch der Unterschied, dass der Erste alleine
einläuft. Man sieht oft keinen dahinter, den er
besiegt hat. Als Beweisfoto meist untauglich! Es
ähnelt genau genommen sogar dem Foto vom
Letzten! Von der Einsamkeit des
Langstreckenläufers kann beim 4:00
Stundenläufer dagegen keine Rede sein. Hier
sieht man hinter dem Jubilierenden auf dem Foto
sogar noch die geschlagenen Massen, die das Ziel
noch nicht erreicht haben. "Seht! Die hatte
ich alle im Sack!" Das ist doch was... oder
sieht zumindest so aus!
Warum der Letzte auch ein
Sieger ist
Und noch
weiter hinten erst! Der Fritz freut sich, dass er
endlich vor seinem Erzrivalen Franz einkam. Einer
erzählt hinterher ganz stolz, "dass er im
Spurt am Ende noch mindestens 30 Stück umgemacht
hat" und die 31.772ste erklärt
freudestrahlend nach Studium der Ergebnisliste,
"dass sie immerhin noch 575 Männer oder
Jüngere in New York hinter sich gelassen
hat". Toll! Aber selbst ganz, ganz weit
hinten bei der roten Laterne, wo die
Straßensperrungen und Getränkestationen bereits
abgeräumt werden, gibt es noch zwei "Lucky
Loser". Der Vorletzte
freut sich, dass er nicht Letzter wurde. Logisch,
der Zweitletzte eigentlich der Gewinner, weil er
den GAU abwenden konnte. "Puhhh, Glück
gehabt! Unterwegs habe ich gebetet, dass der da
hinter mir nur nicht aussteigt!" Der
wirklich Aller-Allerletzte sieht
das anders, keine Spur von Niederlage, im
Gegenteil. "Ich habe es länger genossen!
Außerdem habe ich dem bedrohlich hinter mir her
zockelnden Besenwagen bis ins Ziel ein
Schnippchen geschlagen! Und der Vorletzte...
phhhh, ...der ist doch bloß neidisch, dass
ich unterwegs das obligatorische Besenwagen-Interview
im Fernsehen gegeben habe!" Ging etwa so:
"Geht's noch?" Wie man sich denn so
fühle, nach sechs Stunden und immer noch neun
Kilometer vor sich habend? Dem Allerletzten wurde
immerhin die gleiche mediale
Aufmerksamkeit gewidmet wie dem Sieger!
Na wer sagt's denn: ein Männersieger und eine
Frauenerste und zig-tausend Lucky
Loser... in Berlin oder New York
und anderswo. Der Marathon gehört eben allen und
nicht nur den Schnellsten! Das Erlebnis
zählt mehr als das Ergebnis!
|
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