Lucky Loser beim Marathon

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Text, Fotos, Copyright: Herbert Steffny
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weitere Statistiken

Die schnellsten und glücklichsten Verlierer beim Marathon
(26.3.2009, teilweise ergänzt 21.4.2014)


Siegerfoto Berlin 2008 - nicht nur Haile überquerte das Ziel in Siegerpose!

(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

The winner takes it all! Abba was ist mit den anderen? Davon soll hier die Rede sein. Wir beschäftigen uns mit Verlierern, die es eigentlich gar nicht gibt, denn das ungeschriebene Gesetz und der kleinste gemeinsame Nenner beim Marathonlauf ist: Jeder ist ein Sieger! Aber nur einer steht wirklich oben auf dem Treppchen, wie siegen dann die andern? Nun, da gibt es viele Sichtweisen. Die Altersklassen Sieger stehen auch kurz ganz oben auf dem Treppchen. Ist dank Altersbonus genehmigt. Jeder hat da ansonsten vielleicht vollkommen zurecht seine eigene oder zurecht gebogene Sichtweise und bestimmt einen Grund sich auch weiter hinten als Sieger zu fühlen. Als Dieter Baumann 2002 beim Marathon in Hamburg ausstieg, bedruckten sich selbst Schwaben T-Shirts stolz mit dem Slogan: "Hamburg Finisher vor Olympiasieger Dieter Baumann!" Alles ist relativ, mehr dazu weiter unten. Ich selbst habe zwar einige City Marathons gewonnen, kenne das Gefühl ganz vorne durchaus. Aber hier möchte ich mich nicht ohne ironischen Unterton und mit interessanten Statistiken mit dem Verlieren und den Verlierern beim Marathon beschäftigen. Genau genommen, warum wir eigentlich ab Platz zwei doch keine Verlierer sind, sondern eher "Lucky Loser", also "glückliche Verlierer" oder auch "Zweite Sieger!"

Stellen Sie sich vor, Sie laufen beim Marathon die Weltklassezeit von 2:06:38 Stunden, aber das reicht in London "nur" für den sechsten Platz! So geschehen dem Äthiopier Deriba Merga in London 2008. Wer spricht schon vom Sechsten? Mit der Zeit könnte man eigentlich sehr zufrieden sein, das Preisgeld ist aber entsprechend mager. Lucky Loser - Pech gehabt! Fast alle anderen Marathons hätte man mit dieser Zeit locker gewonnen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch mehr verdient. Noch schlimmer ist es, wenn Sie nicht Sechster, sondern erstklassiger Zweiter würden und keiner hat es gemerkt. Meine Empfehlung: Dann starten Sie nicht in Berlin...

Haile Gebrselassie - bewundert vom Zweiten - Foto, Copyright: www.herbertsteffny.de
Lucky Loser - Weltklasseläufer bewundern Haile.
Gegen den Weltrekordler kann man "gut" verlieren.
Allerdings gelang Abel Kirui (links) bei der WM 2009
in Berlin als Weltmeister dann doch der große Auftritt!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Der Linke verliert! Der Rechte gewinnt!
Abderrahim Goumri schaffte die einmalige
Leistung bei vier großen Marathons Zweiter
zu werden. Martin Lel dagegen ist ein typischer
Siegertyp, der zweimal New York und dreimal London gewann!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Erstklassig in Berlin verlieren

Als Eliteläufer startet man nicht nur wegen des Geldes, sondern sucht auch nach Rennen, in denen ganze Gruppen auf einem schnellen Kurs gemeinsam auf Bestzeit oder Olympianorm laufen. Insofern kann man aus den unten folgenden Tabellen auch ablesen, wo wirklich schnelle Kurse sind, wo die Eliteläufer die Klingen am heftigsten kreuzen und wo es am dichtesten besetzt ist. Meistens sind es einzelne denkwürdige Rennen, bei dem ideale Witterung auf schneller Strecke bei optimalem Rennverlauf zusammen kamen. Wer als Freizeitläufer in Berlin 1999, 2001, 2003, 2005, 2007 oder 2008 dabei war, kann sich trösten im Frauen- oder Männer-Weltrekordrennen dabei gewesen zu sein. Mehr noch: man hat Takahashi, Tergat, Haile und Co. vor sich her bis zum Weltrekord getrieben! Für einen selbst hat es immerhin zur Bestzeit gereicht...

Der Weltcup in Hiroshima war 1985 zu meiner Zeit so ein Tag, wo man einfach dabei gewesen sein muss. Es hagelte auf einer topfebenen (2 Meter Höhendifferenz!), frisch asphaltierten, exakt vermessenen Strecke nur so persönliche Bestzeiten. Schon damals, aber noch mehr heute ist der London Marathon so ein schnelles Pflaster. Ganze Rudel riskieren hier etwas an der Spitze. Beim Berlin Marathon hat man nicht genug Geld, um hinter Haile "Superstar" Gebrselassie noch ein Top-Elitefeld zusammenzukaufen. Trotzdem kommen immer wieder freiwillig schnelle Läufer nach Berlin... der schnellen Strecke und der Bestzeit wegen, aber auch mit dem Risiko Zweiter zu werde, zumindest solange die Trumpfkarte Haile Gebrselassie sticht. Aber das tut sie nun schon seit vier Jahren. Die 2007 und 2008 sogar mit Weltrekord und 2009 hat der Äthiopier bei seinem vierten Sieg in Folge wenigstens den 30km Weltrekord mitgenommen. Die Weltrekordjagd geht weiter. Vielleicht ist der Marathon Olympiasieger Samuel Wanjiru der nächste Weltrekordler 2010 in der Bundeshauptstadt? In Berlin kann man wirklich erstklassig verlieren. Wer wird dort der nächste prominente zweite Sieger werden, vielleicht Haile himself?


Sieg oder Tod!

Kleines Psychogramm rund um das Podest. Radsportler sagen Sieg oder Tod! Na ja... in der Leichtathletik ist man da weniger drastisch. Hier darf man als Zweiter am Leben bleiben, aber wird man auch zu Ruhm und Ehren kommen? Kann das befriedigen, wenn man den Lorbeerkranz, den Sieg, Gold und Geld schon knapp vor Augen hatte und die Tür dann doch noch zuklappt? Der Erste hat sicher alles richtig getan, der Zweite hat verloren, der Dritte freut sich dagegen wieder, denn er steht noch auf dem Treppchen und bekommt nahe am Abgrund zu Platz vier doch noch eine Medaille und darf mit aufs Siegerfoto und Podest. Damit ist alles gesagt, der Vierte ist der A...., und dabei so tragisch nahe am Glanz einer Medaille vorbei geschrammt. Vielleicht ist der Vierte der einzige wirkliche Verlierer? Ehrenrettung für alle "Nichtersten", vornehm olympisch und positiv ausgedrückt: Dabei sein ist alles! Auch die Teilnahme zählt (...während der Erste sein Preisgeld zählt!). Ja, richtig: Olympiateilnahme ist und bleibt Olympiateilnahme - Trost für die zweite Liga! Dennoch: Siege bleiben haften!


James Kwambai aus Kenia ist mit 2:04:27 Stunden der schnellste Verlierer aller Zeiten!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


James Kwambai - der weltschnellste Verlierer!

Wissen Sie noch wie der Zweite hinter Haile Gebrselassie in Berlin 2008 beim Weltrekordrennen hieß? Ich glaube dafür müssen selbst Fachleute nachschauen: James Kwambai! Who the heck is James Kwambai??? Der Kenianer rannte mit Haile bis 35 Kilometer das Mördertempo mit, fiel dann zurück, um in hervorragenden 2:05:36 Stunden und persönlicher Bestzeit "Lucky Loser" zu werden. Ein kometenhafter Aufstieg des 25-Jährigen aus dem "Dottore-Rosa-Fila-Team," zu dem übrigens die meisten Weltklasse-Kenianer gehören. Seine Bestzeit stand aus Brescia 2006 bei 2:10:20 Stunden, 2007 wurde er in moderaten 2:12:25 Stunden Fünfter in New York. Erstaunlich und übersehen: der vom Meister Geschlagene stieg in seinem Schatten zum siebtschnellsten Marathonläufer aller Zeiten auf! Aber wen kümmert das noch, wenn vorne Haile Weltrekord in 2:03:59 Stunden raushaut! James, so heißt der Butler.... Aber James versuchte es im Folgejahr erneut, aber wieder für ihn dumm gelaufen! In Rotterdam 2009 wurde James Kwambai schon wie der Sieger aussehend noch von Landsmann Duncan Kibet abgefangen. Beide erzielten mit 2:04:27 Kenia Rekord und die zweitschnellste Marathonzeit aller Zeiten, aber Kwambai wurde wieder nur Zweiter. Es bleibt ihm immerhin zum Trost der inoffizielle Titel des weltschnellsten Verlierers. Ach so, James Kwambai wurde auch in Boston 2008 ...na was wohl? Zweiter!


Sammy Korir - weltbester Vize-Weltrekordler und schnellster Hase

Nochmals Tatort Berlin, aber anno 2003: Noch weniger Glück als Kwambai hatte dort Sammy Korir. Der Teamgefährte führte als Edelhase zunächst seinen Chef Paul Tergat auf Weltrekordtempo, um dann nicht auszusteigen und ihn im Spurt mit nur einer Sekunde Rückstand regelrecht zum Weltrekord zu jagen. Doppelt dumm, aber auch wieder gut... immerhin ist er immer noch der schnellste Vize-Weltrekordler und der zweitschnellste Verlierer aller Zeiten nach James Kwambai. Nebenbei ist Korir wenigstens der schnellste Hase aller Zeiten! Dem fünffachen Crossweltmeister Tergat gelangen übrigens nur wenige Siege über die Marathonstrecke: neben Berlin 2003, noch in New York 2005 und jüngst im Februar 2009 beim Otsu Marathon in Japan! Der unbekanntere Sammy Korir siegte dagegen immerhin bei fünf bedeutsamen Rennen und er ist der Läufer mit den meisten Weltklassezeiten unter 2:09 Stunden, was ihm immerhin elf Mal gelang. Gebrselassie schaffte das (bisher) nur acht Mal!

McTwo - wenig Spezialisten für Platz zwei

Es gibt ausgesprochene Siegläufer bei Marathon-Meisterschaften und City-Marathons wie z.B. Haile Gebrselassie, Samuel Wanjiru, der äthiopische Weltmeister und Olympiasieger Gezhagne Abera, der zweifache New York und dreifache London Sieger Martin Lel aus Kenia, der frühere US-marokkanische Weltrekordler Khalid Khannouchi, oder bei den Frauen Paula Radcliffe. Dagegen sind ausgesprochene Verlierentypen eher rar, oder keiner kümmert sich so richtig um sie (außer mir natürlich in diesem Beitrag!). James Kwambai ist so ein Pechvogel, aber es gibt noch ein paar andere. Der unbekanntere 2:07:56 Stunden Kenianer Simon Bor lief bei seinen drei schnellsten Rennen jedes Mal auf Platz zwei ein (Amsterdam 1998, 2002 und Wien 2000). Etwas erfolgreicher, aber dennoch mit überwiegend Zweitplazierungen waren zwei seiner Landsleute. Josephat Kiprono siegte immerhin bei seinen sechs schnellsten Rennen zwei Mal (Berlin 2:06:44, 1999 und Rotterdam 2001) landete aber in Amsterdam, Berlin, Chicago und Rotterdam jeweils auf dem undankbaren zweiten Platz. Der noch schnellere Daniel Njenga (2:06:16 Stunden, Chicago) siegte bei seinen sechs schnellsten Rennen sogar nur ein Mal in Tokio, war aber bei seinen fünf anderen Weltklasseauftritten beim Chicago Marathon dreimal der Zweite und zwei Mal der Dritte. Eine stattliche Sammlung von Zweitplatzierungen bei erstklassigen Marathons hat auch der Marokkaner Abderrahim Goumri. Zweiter in London 2007, New York 2007 und 2008 und in Chicago 2009.

Hier nun die Hitparade der weltschnellsten Zweitplazierten bei Männer Marathons, in die es James Kwambai gleich zweimal geschafft hat:

Lucky loser - Weltbestenliste der Verlierer: Männer (Stand 1.5.2010)

Rang Zeit Name Nation Ort Datum
1. 2:04:27 James Kwambai KEN Rotterdam 05.04.2009
2. 2:04:55 Geoffrey Kiprono Mutai KEN Rotterdam 11.04.2010
3. 2:04:56 Sammy Korir KEN Berlin 28.09.2003
4. 2:05:20 Tsegay Kebede ETH London 26.04.2009
5. 2:05:24 Samuel Wanjiru KEN London 13.04.2008
6. 2:05:36 James Kwambai KEN Berlin 13.04.2008
7. 2:05:48 Paul Tergat KEN London 14.04.2002
8. 2:06:04 Abderrahim Goumri MAR Chicago 11.10.2009
9. 2:06:15 Bazu Worku ETH Paris 04.04.2009
10. 2:06:16 Moses Tanui KEN Chicago 24.10.1999


Catherine Ndereba - Foto, Copyright: www.steffny.com
Marathon Doppel-Weltmeisterin Catherine Ndereba
ist auch die schnellste Verliererin aller Zeiten.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)



Ludmilla Petrova - Mastersweltrekordlerin (40 Jahre)
im Marathonlauf (2:25:43 Stunden, New York 2008)
wurde je zweimal Zweite in New York (2008, 2009) und
in London (2006, 2004) gewann aber nur einmal
einen Marathon in New York 2000)
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Weltbeste Verliererin - Weltmeisterin Ndereba

Die Überschrift klingt paradox? Bei den Frauen hatte Catherine Ndereba als Marathon-Doppelweltmeisterin nicht nur Glück. Zweimal wurde die Kenianerin Zweite bei den Olympischen Spielen und einmal holte sie noch Silber bei einer weiteren Marathon Weltmeisterschaft. Scheinbar abonniert auf zweite Plätze führt sie auch gleich mit zwei Leistungen die nachfolgende Tabelle der fünf schnellsten Zeiten einer Zweiten bei den Frauen an und taucht noch ein weiteres Mal als Fünfte unter den schnellsten Verliererinnen auf. Sie wurde bisher bei Weltklasse Marathonrennen oder internationalen Meisterschaften immerhin fünf Mal Erste, aber sieben Mal Zweite. Sie ist somit die weltbeste Verliererin. Aber immerhin hat "Katharina die Große" die meisten Marathonmedaillen bei den Frauen ergattert (zwei Gold, drei Silber). Anders Paula Radcliffe, die früher auf der Bahn immer um das Tempo bemüht war, aber so gut wie alles im Spurt verlor. Sie war eher auf Platz vier oder fünf abonniert. Erst im Halbmarathon und Marathonlauf blühte sie auf und wurde zur echten Siegläuferin. Die dreifache Halbmarathon Weltmeisterin, Marathon Weltrekordlerin und dreifache New York Marathon Siegerin hat bisher bei elf Marathonstarts acht Siege erzielt, darunter ist aber "nur" ein Weltmeistertitel. Zweite wurde die Britin im Marathonlauf noch nie. Wenn es nicht klappte, dann stieg sie aus (Olympische Spiele in Athen 2004) oder wurde so richtig durchgereicht wie bei den Olympischen Spielen in Peking 2008, wo sie als 23. Platzierte eintrudelte. In New York 2009 kam sie wie zu alten Zeiten in Führung liegend nur auf Platz vier ein. Wie schon oben erwähnt, die blödest mögliche Plazierung! Ludmilla Petrova wurde im selben Rennen zum vierten Male Zweite bei einem großen City Marathon, gewann aber nur einmal in New York 2000 (Bild links). Gerne verliert bei den größten Marathons offenbar auch die Äthiopierin Buzunesh Deba ihren beiden zweiten Plätzen beim prestigeträchtigen New York Marathon 2011 und 2013 ließ sie 2014 einen zweiten Platz beim Boston Marathon folgen.


Lucky loser - Weltbestenliste der Verlierer: Frauen (Stand 1.5.2010)

1. 2:19:26 Catherine Ndereba KEN Chicago 13.10.2002
2. 2:19:55 Catherine Ndereba KEN London 13.04.2003
3. 2:20:47 Galina Bogomolova RUS Chicago 22.10.2006
4. 2:21:11 Chunxiu Zhou CHN Peking 16.10.2005
5. 2:21:12 Catherine Ndereba KEN Boston 15.04.2002


Die besten Verlierer hinter den Zweiten

Gehen wir weiter nach hinten, sagen wir mal in eigener Sache bis auf Platz 14. Wie kann man denn das in einen Erfolg ummünzen? Wie wird man so weit hinten noch zum "Lucky Loser", also der weltweit Zweitbeste auf Platz 14? Ich hole ein bisschen aus: rund 10 Jahre hielt mein "kleiner Weltrekord" für den 14. Plazierten, den ich beim Marathon Weltcup in Hiroshima 1985 mit 2:11:49 Stunden aufstellte, also war ich zunächst mal Erster unter allen 14.Plazierten weltweit. Nicht wirklich wichtig, davon kann man sich auch nichts kaufen, aber es weckt das Interesse eines Statistikers. Ich war stolz auf diesen "Weltrekord für Platz 14", den ich dem Finnen Pertti Tiainen entriss, den dieser bei der WM 1983 in Helsinki mit 2:12:11 Stunden aufgestellt hatte. Ob der das überhaupt wußte?

Dieser inoffizielle Rekord überlebte bis 1994, dem denkwürdigen Rückenwindtag in Boston. Boston ist ein "Punkt zu Punktkurs", also nur in eine Richtung führend. Bläst der Wind von hinten, so fördert das natürlich schnelle Zeiten. Nach den AIMS Richtlinien ist das nicht bestenlistenfähig, zumal die zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu laufende wellige Strecke auch noch zuviel Gefälle aufweist. Da Boston aber Boston ist, die "heilige Kuh" der amerikanischen Marathons, Mitglied bei den World Marathon Majors und dazu noch der älteste Marathon überhaupt, schauen viele einfach darüber hinweg. Am 18.4.1994 war es soweit. Rückenwind, dass die Haare der LäuferInnen nach vorne wehten. Die Deutsche Uta Pippig kam, sah und siegte und lief ihre legendäre 2:21:45 Stunden, einen zweifelhaften deutschen Rekord, den der Deutsche Leichtathletik Verband dann später, den allgemeinen Richtlinien folgend, wieder aus den Listen strich. Vier Minuten schneller als ihre zweitbeste Zeit bzw. ihr normales Leistungsvermögen lief nicht nur Uta Pippig, sondern im Durchschnitt übrigens die ersten zehn bei den Männern und Frauen. Fast niemand konnte später nur annähernd diese Leistungen bestätigen.

Fiel dabei nun mein "Weltrekord für Platz 14"? Dem in Boston 14.plazierten Kenianer Lameck Aguta wurde in 2:11:19 Stunden nun diese Ehre zuteil, natürlich nur mit meinem stillen Protest und ohne meine Zustimmung. "Legal" verbesserte dann Stephen Ndungu in Berlin 1997 meine Marke auf 2:11:17 Stunden. Das erkannte ich nun fairerweise an. Fortan war ich der beste Zweite, also der Lucky Loser der nicht geführten inoffiziellen Weltbestenliste für Platz 14. Diesen Platz verlor ich dann sechs Jahre später als bei der WM in Paris 2003 sich der Schweizer Viktor Röthlin in 2:11:14 Stunden noch davor schob. Mittlerweile ist es der Kenia-Franzose James Kibocha Theuri, der in Paris bei dem superschnellen Rennen 2009 in 2:10:39 Stunden "nur" 14. wurde. Aufgelistet habe ich in der nachfolgenden Tabelle, wer bei den Männern und Frauen aktuell die jeweils weltschnellste Marathonzeiten für die Platzierungen 1 bis 10 gelaufen ist:


"Platzierungs-Weltrekordler" - Männer (Stand 1.5.2010)

Platzierung Zeit Name Nation Ort Datum
Platz 1 2:03:59 Haile Gebrselassie ETH Berlin 28.09.2008
Platz 2 2:04:27 James Kwambai KEN Rotterdam 05.04.2009
Platz 3 2:05:04 Abel Kirui KEN Rotterdam 05.04.2009
Platz 4 2:05:23 Feyisa Lilesa ETH Rotterdam 11.04.2010
Platz 5 2:06:17 Ryan Hall USA London 13.04.2008
Platz 6 2:06:38 Deriba Merga ETH London 13.04.2008
Platz 7 2:07:31 Jonathan Kipkorir KEN Paris 05.04.2009
Platz 8 2:08:11 Shadrack Kiplagat KEN Paris 05.04.2009
Platz 9 2:08:12 John Komen KEN Paris 05.04.2009
Platz 10 2:08:38 Daniel Kiprugut Too KEN Paris 05.04.2009

"Platzierungs-Weltrekordler" - Frauen (Stand 1.5.2010)

Platzierung Zeit Name Nation Ort Datum
Platz 1 2:15:26 Paula Radcliffe GBR London 13.04.2003
Platz 2 2:19:26 Catherine Ndereba KEN Chicago 13.10.2002
Platz 3 2:21:16 Deena Kastor USA London 13.04.2003
Platz 4 2:21:31 Svetlana Zakharova RUS Chicago 13.10.2002
Platz 5 2:21:58 Galina Bogomolova RUS London 23.04.2006
Platz 6 2:23:43 Constantina Dita ROM London 13.04.2003
Platz 7 2:24:01 Jelena Prokopcuka RUS London 13.04.2003
Platz 8 2:24:56 Elefenesh Alemu ETH London 13.04.2003
Platz 9 2:25:32 Mihaela Botezan ROM London 13.04.2003
Platz 10 2:26:33 Derartu Tulu ETH London 13.04.2003



Nicht der Erste, aber zwei weitere Sieger beim Hawaii Marathon. Am Lächeln könnte man vielleicht noch ein wenig arbeiten.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Klasse Siegerfoto! So läuft man über den Zielstrich! Strahlen, die Faust geballt, die Meute abgehängt. Die Sache hat nur einen Haken. Takayoshi Inoue ist nicht der Erste, sondern läuft als 107. in Honolulu ein. Aber wer weiß das schon, wenn man das Foto sieht! Gut gemacht Takayoshi!
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Kurz vorm dem Besenwagen, wer besiegt wen?
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Jeder ist ein Sieger - über Schweinehunde und Co.

Sie mögen über mich lächeln mit meiner 14.Platz Statistik.... Nun ja, stimmt. Aber ehrlich, wer schielte nicht, ob er/sie nicht wenigstens im Lauftreff der/die Erst-/Zweit-/Drittbeste war, zumindest in seiner/ihrer Alterklasse? Einmal hat man bei einem Volkslauf sogar auf dem Treppchen gestanden. Psssst! Nicht verraten, es starteten nur drei! ;-)) Jeder ist ein Sieger! Das ist Gesetz und auch richtig so, man hat sich zumindest selbst besiegt. Nicht nur der Erste mußte sich schon vorher überwinden. Monatelang, nein jahrelang wurden im Winter im Training bei Schmuddelwetter oder bei Hitze im Sommer fleißig Kilometer gesammelt und auf Hefeweizen und Schokolade (weitgehend) verzichtet. Im Rennen selbst wurden viele hundert innere Schweinehunde überwunden. Beim Eliteläufer dauert dieser Kampf mit den Zweifeln, dem nagenden Gedanken "wieso tue ich mir das eigentlich an?" der Kampf mit Muskelschmerzen, Krämpfen, Blasen, wundgeriebenen Brustwarzen und Seitenstechen vielleicht nur 35 bis 40 Minuten. Der Freizeitläufer braucht für dieselbe Durst-Strecke von 30 bis 42,195 Kilometer aber viel länger, nämlich im Durchschnitt fast doppelt solange, wenn man um die 4:00 Stunden einläuft. Wer hat also die härtere Leistung vollbracht? Etwa so ein Elite-Weichei, das den Marathon ganz vorne beendet und sich nur kurz dieser Qual ausgesetzt hat? Mitnichten! Die wirklich zähen und harten Kämpfer, die wahren Sieger über die langanhaltenden quälerischen Abgründe, die vielleicht auch selbstverschuldet angesichts mangelnder Vorbereitung auftauchen, laufen viel weiter hinten ein.

Steht man im Ziel als Fotograf, so gilt: "Liebe Läufer, bitte ein Lächeln, zumindest gequält! Nur nicht die Uhr im Ziel abdrücken! Jubeln! Hände hoch - ich schieße!" Und so bekommt jeder, der die Ziellinie noch als solche registriert, meist sein verdientes "Lucky Loser- Siegerfoto", kaum zu unterscheiden vom Strahle-Foto der Ersten. Doch, da ist vielleicht noch der Unterschied, dass der Erste alleine einläuft. Man sieht oft keinen dahinter, den er besiegt hat. Als Beweisfoto meist untauglich! Es ähnelt genau genommen sogar dem Foto vom Letzten! Von der Einsamkeit des Langstreckenläufers kann beim 4:00 Stundenläufer dagegen keine Rede sein. Hier sieht man hinter dem Jubilierenden auf dem Foto sogar noch die geschlagenen Massen, die das Ziel noch nicht erreicht haben. "Seht! Die hatte ich alle im Sack!" Das ist doch was... oder sieht zumindest so aus!

Warum der Letzte auch ein Sieger ist

Und noch weiter hinten erst! Der Fritz freut sich, dass er endlich vor seinem Erzrivalen Franz einkam. Einer erzählt hinterher ganz stolz, "dass er im Spurt am Ende noch mindestens 30 Stück umgemacht hat" und die 31.772ste erklärt freudestrahlend nach Studium der Ergebnisliste, "dass sie immerhin noch 575 Männer oder Jüngere in New York hinter sich gelassen hat". Toll! Aber selbst ganz, ganz weit hinten bei der roten Laterne, wo die Straßensperrungen und Getränkestationen bereits abgeräumt werden, gibt es noch zwei "Lucky Loser". Der Vorletzte freut sich, dass er nicht Letzter wurde. Logisch, der Zweitletzte eigentlich der Gewinner, weil er den GAU abwenden konnte. "Puhhh, Glück gehabt! Unterwegs habe ich gebetet, dass der da hinter mir nur nicht aussteigt!" Der wirklich Aller-Allerletzte sieht das anders, keine Spur von Niederlage, im Gegenteil. "Ich habe es länger genossen! Außerdem habe ich dem bedrohlich hinter mir her zockelnden Besenwagen bis ins Ziel ein Schnippchen geschlagen! Und der Vorletzte... phhhh, ...der ist doch bloß neidisch, dass ich unterwegs das obligatorische Besenwagen-Interview im Fernsehen gegeben habe!" Ging etwa so: "Geht's noch?" Wie man sich denn so fühle, nach sechs Stunden und immer noch neun Kilometer vor sich habend? Dem Allerletzten wurde immerhin die gleiche mediale Aufmerksamkeit gewidmet wie dem Sieger! Na wer sagt's denn: ein Männersieger und eine Frauenerste und zig-tausend Lucky Loser... in Berlin oder New York und anderswo. Der Marathon gehört eben allen und nicht nur den Schnellsten! Das Erlebnis zählt mehr als das Ergebnis!

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