Marathon 2008 - Bilanz und Statistik

Seminare Laufreisen Firmenseminare Vorträge Laufartikel Ratgeber Walktreff unser Team
  unser Hotel Laufgourmet? Laufbücher Lauflinks Titelseite Impressum  

Marathon und Langstrecken Bilanz 2008
Autor, Copyright:
Herbert Steffny - 6.1.2009
Sie dürfen gerne hierhin verlinken

Übersicht:

Männer:

Frauen:

 

Statistiken:

Allgemeine Trends:

  • folgt demnächst


Haile Gebrselassie rettete seine Saison 2008 mit dem Weltrekord (2:03:59 Stunden) in Berlin
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Statistiken:

Ewige Weltbestenlisten Marathon

Weltbestenliste Marathon 2008

Deutsche Bestenlisten 2008


Alle Marathons von

Haile Gebrselassie (ETH)
Der Durchschnitt seiner drei schnellsten Marathons: 2:04:26

3. London 2002 2:06:35
1. Amsterdam 2005 2:06:20
9. London 2006 2:09:05
1. Berlin 2006 2:05:56
1. Fukuoka 2006 2:06:52
- London 2007 dnf.
1. Berlin 2007 2:04:26
1. Dubai 2008 2:04:53
1. Berlin 2008 2:03:59

zum Vergleich:

Paula Radcliffe (GBR)

Durchschnitt ihrer drei schnellsten Marathons 2:16:48

1. London 2003 2:15:25
1. Chicago 2002 2:17:18
1. London 2005 2:17:42




Samuel Wanjiru, der Weltrekordler im Halbmarathonlauf erlebte 2008 mit dem Marathon Olympiasieg den endgültigen Durchbruch. Dem 22-jährigen Kenianer gehört die Zukunft.
(Foto: Veranstalter, Fortis Rotterdam)


Der Schweizer Victor Röthlin siegte 2008 beim Tokio Marathon in 2:07:23 Stunden und bewies, dass auch der weiße Mann laufen kann.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Kenenisa Bekele, der Topläufer 2008 im Crosslauf und auf der Bahn musste auf der Strasse in Nijmegen seine einzige Niederlage einstecken.


Neues Gesicht: André Pollmächer wagte sich erfolgreich in 2:14:18 Stunden an die Marathondistanz.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Männer:

Gebreselassie doch noch Läufer des Jahres

Fallen wir mit der Vordertüre gleich ins Haus: der kleine Äthiopier ist nun schon zum vierten Mal in Folge Weltjahresschnellster im Marathonlauf bei den Männern und hat die drei schnellsten Marathonleistungen aller Zeiten in seinem Besitz. Die Saison 2008 war für ihn aus meiner Sicht aber mit zwei Fehlern (auf höchstem Niveau) behaftet, die er mit einem rettenden Volltreffer aber ausbügelte! Seine Bilanz wurde erst nach seinem Sieg beim Berlin Marathon mit dem neuen Weltrekord in 2:03:59 Stunden rund.

  • Fehler 1 in Dubai: Im Januar vermasselte er die Verbesserung seines eigenen Rekordes durch zu schnelles Anlaufen, rettete sich aber dennoch in 2:04:53 Stunden, der zweitschnellsten jemals gelaufenen Zeit. Das war gut für Berlin und mich, wo ich ihn dann auch bei seinem Weltrekordlauf erneut als ARD-TV Co-Kommentator begleiten durfte. Bei 10 Kilometern lag er in Dubai mit 28:39 Minuten auf 2:00:15 Kurs(!) und auch Halbmarathon durchlief er in 61:27 Minuten und war damit immer noch gut eine Minute über der Berliner 2007er Weltrekord Zwischenzeit (dort 62:29 Minuten). Sein Manager Jos Hermens, selbst früher Stundenlaufweltrekordler bremste ihn nicht und gestand mir hinterher im Gespräch: "Wir dachten heute wäre der Tag!" Haile gab später den Fehler zu und auch daraus gelernt zu haben, was er in Berlin mit einem konstanten Lauf auch demonstrierte.
  • Fehler 2: in Peking trat er bei den Olympischen Spielen, sich auf Asthma berufend, nur über 10.000 Meter an, was in einem ihn sicher nicht befriedigenden sechsten Platz in 27:06:68 Minuten endete. Beim Berlin Marathon 2008 verteidigte er zwar auf der Pressekonferenz diese Entscheidung, grübelte aber doch über die gar nicht so schwül-smoggig-heißen Bedingungen und die erstaunlich schnelle Siegerzeit des jungen Kenianers Samuel Wanjiru (2:06:32 Stunden) bei seinem Olympiasieg nach. 2012 in London für Haile der noch fehlende Marathon Olympiasieg? Im Gegensatz zu ihm glaube ich nicht daran! London war immer ein schlechtes Pflaster für den dann auch 39-Jährigen. Mit Peking hat der Äthiopier seine Chance vertan. Eine Medaille hätte er meines Erachtens erlaufen, Gold gegen Wanjiru vielleicht aber doch nicht.

Volltreffer in Berlin - Haile setzt neue Maßstäbe

Wollte Gebrselassie 2008 die Nummer eins bleiben, so mußte in Berlin 2008 der Weltrekord fallen, was dem sympathischen 35-Jährigen mit 2:03:59 Stunden allerdings eindrucksvoll und mit seinem dritten Sieg in Folge gelang. Superlativ: Er führt die Weltbestenliste 2008 also genau genommen mit den zwei schnellsten Zeiten an. Im vierten Jahr in Folge ist er nun schon Weltjahresbester im Marathonlauf, auch das ist (Welt-) Rekord! Nicht zuletzt bringt ihn diese Leistung für mich auf Platz eins noch vor dem aufstrebenden Samuel Wanjiru. Donnerwetter! Erstaunlich diese breite Palette für den Superläufer, der seit 1992 als Juniorenweltmeister über 5.000 und 10.000 Meter in Seoul im Rampenlicht steht. Zwischenzeitlich stellte er sogar auf der kurzen 1.500 Meter Sprint-Strecke in 3:31:76 Minuten in der Halle (Stuttgart 1998) einen Weltrekord auf. Seine Weltrekorde, Weltmeistertitel und Olympiasiege über 5.000 und 10.000 Meter sind noch gut im Gedächtnis. Zwischen 15 und 26 Weltrekorden (die IAAF führt nicht alle Strecken im offiziellen Programm) hat Gebrselassie bisher aufgestellt. Was Haile am Titel "Größter Langstreckenläufer aller Zeiten" fehlt, ist für mich der Marathon-Olympiasieg und der Einzel-Crossweltmeistertitel. Der Wunderläufer wird eben an den höchsten Maßstäben gemessen. Aber als Langstreckenläufer braucht der immer freundlich lächelnde und geduldige Äthiopier keinen Vergleich mit den Lauflegenden Paavo Nurmi oder Emil Zatopek zu scheuen zumal die Konkurrenz auch wesentlich dichter ist. Nochmal: Viermal in Folge Weltjahresbester, diese Konstanz des hohen Niveaus hat bisher noch niemand erreicht! Dreimal Weltjahresbeste in Folge waren bei den Männer und Frauen bisher nur wenige Läufer. Nachfolgend eine Auflistung:

Viermal in Folge Marathon Weltjahresbester:
  • Haile Gebrselassie 2005-2008

Dreimal in Folge Marathon Weltjahresbester:

  • Jim Peters 1952-54
  • Sergey Popov 1957-59
  • Grete Waitz 1978-80
  • Tegla Loroupe 1997-99


Die Herausforderer: Samuel Wanjiru und Martin Lel

Auf Samuel Wanjiru (ausführliches Portrait hier) als den kommenden Marathon Mann habe ich in verschiedenen Beiträgen schon seit 2006 hingewiesen. Die Art und Weise wie der junge Kenianer Haile den Weltrekord im Halbmarathonlauf in einem unglaublichen Sololauf entriss und auf 58:33 Minuten verbesserte und auch seine dosierten Frontrunner Qualitäten in London und Peking haben ihm zu Recht den Olympiasieg beschert. In London verlor der damals 21-Jährige in seinem erst zweiten Marathon zwar noch gegen den spurtstarken Mehrfachsieger von London und New York Martin Lel, wurde dabei aber gleichzeitig mit 2:05:24 Stunden der fünftschnellste Marathonläufer aller Zeiten. Spätestens bei seinem hart erarbeiteten Olympiasieg in olympischem Rekord (2:06:32 Stunden) bei schweren Bedingungen (24 bis 30 Grad) rückte er auch für die breite Öffentlichkeit ins Rampenlicht. Es war übrigens die erste Marathon Goldmedaille (Männer und Frauen!) für die Marathon Nation Kenia! Für mich belegt der in Japan trainierende Wanjiru Platz zwei in meiner Bestenliste 2008 hinter Haile. Martin Lel siegte zwar erneut in London als viertschnellster Läufer aller Zeiten (2:05:15 Stunden), verlor aber gegen Wanjiru in Peking, wo er Fünfter wurde. Dafür durfte er sich mit dem 500.000 Dollar Jackpot der Worlds Marathon Majors Serie trösten. Die beiden Kenianer blasen 2009 zum Angriff auf den Marathon Weltrekord beim London Marathon. Der könnte aber nach dem Dubai Marathon am 16. Januar 2009 von Haile, der dem London Marathon und der Konkurrenz wieder für Solorennen ausweicht, wieder weiter nach oben geschraubt worden sein. Eine Million Dollar loben die Emirs dort für die Unterbietung von 2:03:59 Stunden aus! Nicht zu vergessen ist der erst 21-jährige Äthiopier Tsegaye Kebede, der bei seinem Sieg beim Fukuoka Marathon in Japan den Streckenrekord des Olympiasiegers Samuel Wanjiru auf 2:06:10 Stunden verbesserte. Kebede gewann im Frühjahr bereits den Paris Marathon in flotten 2:06:40 Stunden und holte sich die Bronze Medaille in Peking (2:10:00 Stunden). Von ihm dürfte man in Zukunft noch einiges hören!

Die weißen Farbtupfer: Ryan Hall und Viktor Röthlin

"White men can't jump!" so ein Basketballer Slogan in den USA über das Sprungvermögen der Weißen. Kann der Weiße Mann auch nicht mehr laufen? Damit habe ich mich in der Vergangenheit in verschiedenen Beiträgen schon vor Jahren ausführlich auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass der Rückgang der Leistungen in der "ersten Welt" überwiegend soziologische Gründe hat. Erfreuliche Ausnahmen, gewissermaßen die weißen Farbtupfer, sind die Leistungen des US-Amerikaners Ryan Hall, der in London 2:06:17 Stunden erzielte und Platz neun der diesjährigen Marathon Weltbestenliste belegt und der Schweizer Viktor Röthlin, der mit seiner Siegerzeit in Tokio im Februar mit 2:07:23 Stunden Platz 17 der Weltjahresbestenliste belegt. Beide untermauerten bei den Olympischen Spielen in Peking mit Platz sechs und zehn ihre Stellung unter den Weltbesten. Hier war Röthlin sogar vor Hall, der dort auch seinem Landsmann Dathan Ritzenheim um einen Platz unterlegen war. Leider hat Röthlin für die WM in Berlin bereits abgesagt. In Osaka holte er 2007 die Bronze Medaille. Sein großer Auftritt könnte nach einigen lukrativen Starts bei City Marathons dann bei der 20. Europameisterschaft 2010 in Barcelona kommen. 1996 war er bereits Vize-Europameister in Göteborg hinter Olympiasieger Stefano Baldini. Die Karriere des Italieners, der es bei Meisterschaften sogar den Afrikanern zeigen konnte, scheint sich dagegen dem Ende zuzuneigen.

Kenenisa Bekele Crossweltmeister und Olympiasieger

Auf den kürzeren Distanzen wurde der Äthiopier Kenenisa Bekele seiner überragenden Favoritenstellung gerecht. Er gewann als erster zum sechsten Mal(!) den Crossweltmeistertitel auf der Langstrecke, verteidigte bei den Olympischen Spielen seinen Titel über 10.000 Meter und gewann dort erstmals Gold über 5.000 Meter. Eine herausragende Saison ohne Weltrekord, und fast wäre seine Weste 2008 weiß geblieben, hätte er nicht im Herbst beim 25. Zevenheuvelenloop im holländischen Nijmegen einen ersten ernsthaften Versuch auf der Strasse gewagt. Dort gab es dann statt eines angekündigten 15 Kilometer Weltrekordversuchs eine bittere Niederlage. Verletzungsbedingt mußte er sich seinem jungen Landsmann Ayele Abshiro und dem Ungander Isaac Kiprop beugen. Trotz dieses misslungenen Straßenlaufdebüts traut kein Geringerer als Haile Gebrselassie seinem Bahn-Nachfolger Kenenisa Bekele auch auf den Strassenlaufdistanzen bis hin zum Marathon zukünftig einiges zu. Erwähnenswert noch die Leistungen von Zersenay Tadesse aus Eritraea. Er wurde zum dritten Mal in Folge Weltmeister im Halbmarathon, konnte als Titelverteidiger bei den Crosslauf Weltmeisterschaften allerdings 2008 "nur" Bronze holen. Als Mitfavorit gelang ihm über 10.000 Meter als Olympia-Fünfter in Peking auch keine Überraschung.

Deutsche Männer in sachtem Aufwind

Die deutsche Marathon Jahresbestenliste stimmt ein wenig hoffnungsvoller. Zwar ist man noch weit weg vom Niveau der 80 und 90er Jahre, aber die Weltmeisterschaft in Berlin 2009 stellt offenbar eine hohe Motivation dar. Dass eine Meisterschaft im eigenen Lande immer eine große Herausforderung ist, kann ich aus eigener Erfahrung berichten, denn eine EM Bronze Medaille 1986 vor dem elektrisierenden heimischem Publikum in Stuttgart zu erlaufen, war wohl der sportliche Höhepunkt meiner eigenen Karriere als Marathonläufer. Allen voran setzte im letzten Jahr Falk Cierpinski, Sohn des Doppelolympiasiegers Waldemar Cierpinski (1976 und 1980) und Marita Politz (800m Olympiateilnehmerin 1972, Bestzeit 1:59,9 Minuten) mit seinem 9. Platz beim Berlin Marathon in guten 2:13:30 Stunden ein klares Zeichen auf dem zukünftigen WM-Pflaster unterm Brandenburger Tor. Das ist die schnellste deutsche Zeit seit acht Jahren. Die Durststrecke könnte vielleicht überwunden sein. Dem mittlerweile professionell trainierenden Duathlon und Triathlon Umsteiger dürfte noch eine weitere Leistungssteigerung zuzutrauen sein. Ob diese allerdings, wie Vater und Sohn verlautbaren, unterhalb der Zeiten von Vater Waldemar (Bestzeit 2:09:55 Stunden in Montreal 1976) gereicht, bleibt abzuwarten. Vielleicht sollte man einstweilen etwas diplomatischer den Hammer nicht zu hoch hängen, denn diese (für Sponsoren und Werbeverträge?) offensiv formulierten Ziele werden früher oder später von den Medien und der interessierten Öffentlichkeit eingefordert werden. Hervorragende 2:10 bis 2:12 Stunden könnten dann schon als misslungen gelten.

Endlich möglich: deutsches Marathonteam für Berlin

Als Zwölfter des Berlin Marathons stellte auch Stefan Koch in 2:15:38 Stunden einen neuen Hausrekord auf. In Frankfurt zogen André Pollmächer (2:14:18) als 10.000 Meter Umsteiger und der deutsche Marathonmeister Martin Beckmann (2:14:30) nach. Immerhin haben in der Deutschen Bestenliste 2008 sieben Läufer die Marke von 2:20 Stunden geknackt, das ist zwar weit weg von den Leistungsstandards der 80er Jahre (1985 z.B. unterboten 35 Männer die 2:20er Grenze!), aber seit Jahren die höchste Zahl. Für die WM 2009 in Berlin, wo auch Mannschaftswertungen im Rahmen des Marathon Weltcups vorgenommen werden, kann man sich eine gute Teamvorstellung erhoffen.


In der Weltspitze angekommen: Irina Mikitenko krönte ihre Saison mit ihrem sensationellen Sieg in Berlin in der Weltklassezeit von 2:19:19 Stunden.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Alle Läuferinnen unter 2:20 Stunden:

2:15:25 Paula Radcliffe GBR London 03
2:18:47 Catherine Ndereba KEN Chicago01
2:19:12 Mizuki Noguchi JPN Berlin 05
2:19:19 Irina Mikitenko GER Berlin 08
2:19:36 Deena Kastor USA London 06
2:19:39 Yingjie Sun CHN Peking 03
2:19:41 Yoko Shibui JPN Berlin 04
2:19:46 Naoko Takahashi JPN Berlin 01
2:19:51 Chunxiu Zhou CHN Seoul 06



Paula Radcliffe rettete ihre Saison mit dem erneuten Sieg beim New York Marathon.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Frohnatur: Sabrina Mockenhaupt verbesserte sich im zweiten Marathon auf 2:26:22 Stunden.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Die Halbmarathonweltmeisterin und Weltrekordlerin Lornah Kiplagat (NED) bekam für ihre Verdienste in New York den Abebe Bikila Award überreicht.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)



Antje Möldner lief in Peking bei den Olympischen Spielen einen neuen deutschen Rekord über 3.000m Hindernis
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Frauen:

Irina Mikitenko - Ein Sterntaler Märchen

In meiner Marathon-Hitparade steht Irina Mikitenko als die Läuferin 2008 weltweit ganz oben. Für die gebürtige Kasachin sprechen gewichtige Gründe:

  • Weltjahresbeste im Marathonlauf (Berlin 2:19:19 Stunden)
  • Weltjahresbeste im 10 Kilometer Straßenlauf (Karlsruhe, 30:57 Minuten)
  • Als einzige Eliteläuferin 2008 ungeschlagen (Männer und Frauen)
  • Siege bei den Top Marathons von London und Berlin
  • Gewinnerin des World Marathon Majors Jackpots (500.000 Dollar)

Was sich bei ihrem zweiten Platz bei ihrer Premiere in Berlin 2007 nur vorsichtig andeutete, überraschte im Frühjahr selbst die Fachwelt: Ihr Sieg in London in deutschem Rekord (2:24:14 Stunden) vor der versammelten Weltelite. Unter anderen schlug sie bei der Regenschlacht auch die spätere Olympiasiegerin Constantina Dita-Tomescu und bewies im zweiten Marathon enorme Kampfstärke in der zweiten Hälfte. Ihr Ehemann und Trainer Alexander pfiff sie bei ihren bisherigen Marathons immer wieder zurück, so dass Irina erst nach 30 Kilometern losrennen durfte. Zwar beschwert sich die Marathon Mama von zwei Kindern immer wieder über diese Gängelei, der Erfolg gibt aber Alexander recht. Es ist wichtig bei den ersten Marathons nicht ins offene Messer zu laufen und die Latte von Rennen zu Rennen etwas höher zu legen. Das tat das Mikitenko-Familien-Team dann auch beim dritten Marathon im Herbst in Berlin. Während die Äthiopierin Assale Tafa Magarsa mit zwei Kenianerinnen auf 2:19 losstürmte, blies Mikitenko erst nach der Hälfte zum Angriff und rannte von hinten kommend mit Vollgas in die Weltspitze. Ihre Siegeszeit bedeutete nicht nur Hausrekord, Deutscher Rekord und Jahresweltbestzeit, sondern sie ist damit bisher hinter Paula Radcliffe die zweitschnellste Europäerin und die viertschnellste Marathonläuferin aller Zeiten!

Zahltage und verpasster Olympiasieg?

Es brauchte einige Zeit bis alle Leichtathletik Köpfe und Medienvertreter diese Leistung verinnerlicht hatten. Mikitenko war 2008 die erfolgreichste deutsche Leichtathletin! Waren doch bisher die Werferinnen eher die Vorzeige Athletinnen im Verband, da kommt nun so ein Schmalreh dahergelaufen und führt die Weltbestenlisten gleich zweimal an. Im Fachmagazin "Leichtathletik" wurde sie folgerichtig auch von den Lesern zur "Leichtathletin des Jahres" gewählt. 2006 schaffte das bereits die Überraschungs-Europameisterin Ulrike Maisch. Und auch in der Geldparade dürfte Mikitenko mit rund einer Million Euro binnen einen Jahres alleine an Preisgeldern, Antritts- und Zeitprämien ganz oben stehen. Hinzu kommen natürlich noch Werbeverträge und andere Promotionstermine. Das sei der harten Arbeiterin auch gegönnt, die immer alles andere als lautstark und mediengeil, sondern eher bescheiden und schüchtern auftrat. Über ihre kämpferischen Absichten machte sie allerdings vor den Rennen nie einen Hehl, wie ich aus den persönlichen Vorgesprächen zu den beiden Berlin Marathons aus erster Hand weiß. Man kann mit Fug und Recht darüber sinnieren, ob Mikitenko in dieser Form in Peking hätte Olympiasiegerin werden können. "Sie wäre, als die spätere Goldmedaillengewinnern Constantina Tomescu davonzog mitgelaufen!" sagte mir Mikitenko selbstbewußt im Gespräch noch vor dem Berlin Marathon Sieg. Sie sah das Olympiarennen verletzungsbedingt nur im Fernsehen. Man mag's ihr im Nachhinein zutrauen. Bei der Weltmeisterschaft 2009 in Berlin möchte sie WM Gold. Eine Medaille fehlt der erfolgreichen Läuferin noch in der Vita. Haile Gebrselassie und Irina Mikitenko, die beiden Helden von Berlin dort auch Weltmeister? Berlin wäre im Haile und Miki Fieber!

Woher kommt Mikis Leistungssprung?

Nicht nur Sabrina Mockenhaupt wunderte sich hautnah bei der Deutschen 10km Straßenlauf Meisterschaft in Karlsruhe über eine Turbo-Miki. Lief sie über 10.000 Meter bisher auf gleichem Niveau, so wurde die Siegerländerin nach anfänglichem Mitlaufen trotz guter Endzeit (31:50 Minuten) als Zweite regelrecht vorgeführt. "Nach 3.000 Meter musste ich sie laufen lassen," so die Frankfurt Siegerin, die sich mit 2:26:22 Stunden immerhin auf Platz 34 der Weltbestenliste 2008 vorarbeiten konnte. Wie wird aus der schon 35-jährigen Läuferin Mikitenko, die auf der Bahn als Olympia Fünfte (2000) und WM Vierte (1999) über 5.000 Meter bisher ihre größten Erfolge zu verzeichnen hatte, eine Weltklasse Marathonläuferin erster Güte? Offenbar hat sie mit Mitte 30 erst ihre eigentliche Disziplin gefunden. Der verletzungsbedingt veränderte Trainingsaufbau mag unabsichtlich genau richtig gewesen sein. Sie konnte im Sommer wegen der Rückenprobleme nur fleißig Grundlagenausdauer trainieren, als dann die Schmerzen verschwanden, kam erst die Intensität für Berlin hinzu. Eigentlich der Trainingsaufbau wie von mir im Lehrbuch empfohlen. Wäre sie sonst in den üblichen Fehler vieler verfallen zu früh zuviel Intensität zu integrieren? Erfolg und die finanzielle Absicherung führen zu einem weiteren Motivationssprung und verbesserten Trainingsbedingungen. "Ihr Mann Alexander, ein Metallschichtarbeiter, könne nun schon mal unbezahlten Urlaub nehmen," sagte sie mir noch vor dem Berlin Erfolg. Nun können die beiden noch professioneller trainieren und das sportliche Umfeld weiter optimieren. "Sie habe ihre Grenze im Marathon noch nicht erlebt", sagt Mikitenko. Und so fühlte sie sich nach Berlin auch so gut in Form, dass sie am liebsten Tanzen gehen würde. Man darf auf das Aufeinandertreffen mit Paula Radcliffe beim London Marathon 2009 gespannt sein. Da ist reichlich Zunder drin. Was will die Weltrekordlerin und Frontläuferin Radcliffe zuhause gegen die beste derzeitige Jägerin und Titelverteidigerin unternehmen?

Tomescus Olympiasieg - Mut wurde belohnt

Der Olympiasieg ging an Constantina Dita-Tomescu, dank eines beherzten Rennens wie Olympiasieger Wanjiru kommt sie für mich auf Platz zwei im Jahre 2008. Die Rumänin ist mit 38 Jahren nicht mehr die Jüngste, während Wanjiru der kommende Star sein wird. Das Olympiarennen war sehr stark besetzt, aber alle hatten im Vorfeld (wie Haile) soviel über die Hitze und den Smog gehört und gelesen, dass man nicht einmal auf ein Thermometer schaute!!! Die Angst zeigte der verhalten laufenden Meute den falschen Weg und so nutzte die als Frontläuferin bekannte Tomescu in einem taktisch geschickten Pokerspiel die Gunst der Stunde. Wie ich damals in meinem Olympiabericht schrieb, erinnerte es an den Europameisterschaftssieg des Finnen Janne Holmen in München 2002, als er als einziger bei Regen ein keineswegs unrealistisches Tempo anschlug, während die Favoriten dahinter mauerten, sich belauerten und ihn gewähren ließen. Man musste Tomescu auf der Rechnung haben, denn sie gewann 2005 die Halbmarathon Weltmeisterschaft und holte im gleichen Jahr Marathon WM Bronze. Paula Radcliffe erlebte bei 24 Grad ihr erwartetes Debakel und landete auf Platz 23 in 2:32:28 Stunden im geschlagenen Feld. Sie ist eben keine Wärmeläuferin und mutete sich nach Mutterschaftsurlaub und Überlastungsverletzungen wohl auch zuviel zu. In New York war sie dann wieder bei Kräften und landete ihren achten Sieg im zehnten Rennen gegen starke Konkurrenz. Ich setze sie in meiner Jahresbestenliste auf Platz drei, aber nur knapp vor Catherine Ndereba, die Olympiasilber holte. Beeindruckend ist ihre Medaillen Bilanz bei internationalen Meisterschaften: 2x Olympia Silber, 2x Weltmeisterin (2003, 2005) und 1x WM Silber.

Lornah Kiplagat und Tirunesh Dibaba

Auf den kürzeren Distanzen kommt man an Lornah Kiplagat nicht vorbei. Die Neu-Niederländerin kenianischen Ursprungs wurde zum dritten Mal in Folge wie Zersenay Tadese Halbmarathon Weltmeisterin. 2005 wurde sie zudem hinter Tomescu Zweite. Sie ist auch Weltrekordlerin in dieser Disziplin (1:06:25 Stunden, Udine, 2007). In New York erhielt sie für ihre Leistungen den Abebe Bikila Award. Im Bahn und Crosslauf war Tirunesh Dibaba nicht zu schlagen. Ihre eindrucksvolle Bilanz 2008: Crossweltmeisterin in Edinburgh, Olympiasieg über 5.000 und 10.000 Meter (29:54,66 Minuten) in Peking. Weltrekord über 5.000 Meter in 14:11,15 Minuten in Oslo. Die 44 Kilogramm leichte und 1,55 Meter kleine Äthiopierin ist die Top-Läuferin des Jahres 2008 auf den kürzeren Distanzen. Die 10.000 Meter Leistung von Peking war zusammen mit der Zeit der Zweiten Elvan Abeylegesse die ersten Zeiten unter 30 Minuten, wenn man von der umstrittenen Leistung der Chinesin Junxia Wang ("Chinaexpress mit Schildkrötenblut?") von 1993 absieht.

Die ewige Weltbestenliste Frauen 10.000 Meter:

29:31.78 Junxia Wang CHN 1 Peking 08.09.1993
29:54.66 Tirunesh Dibaba ETH 1 Peking (OS) 15.08.2008
29:56.34 Elvan Abeylegesse TUR 2 Peking (OS) 15.08.2008
30:01.09 Paula Radcliffe GBR 1 München 06.08.2002
30:04.18 Berhane Adere ETH 1 Paris 23.08.2003
30:07.15 Werknesh Kidane ETH 2 Paris 23.08.2003
30:07.20 Yingjie Sun CHN 3 Paris 23.08.2003
30:12.53 Lornah Kiplagat NED 4 Paris 23.08.2003
30:13.37 Huandi Zhong CHN 2 Peking 08.09.1993
30:13.74 Ingrid Kristiansen NOR 1 Oslo 05.07.1986

Erstmals unterbot über 3.000 Meter Hindernis eine Frau die 9:00 Minuten Grenze. Die 30-jährige Russin Gulnara Galkina verbesserte bei ihrem Olympiasieg ihren eigenen Weltrekord auf 8:58,81 Minuten. Antje Möldner stellte bei den Olympischen Spielen im Vorlauf einen neuen deutschen Rekord mit 9:29,86 Minuten auf.

....wird fortgesetzt: Allgemeine Trends im Marathon 2008

mehr Lust auf Lesen ?

Laufmagazin - online
Artikel von Herbert Steffny
meine Lauf- und Walkingbücher

Home

Inhaltsverzeichnis